Panorama
Verheerender Brand in der Türkei: Festnahmen, Fragezeichen und Versäumnisse

Im Zuge der Tragödie im Grand Kartal Hotel in Kartalkaya konzentrieren sich die Ermittlungen zunehmend auf mögliche Sicherheitsmängel. Eine zwischenzeitlich verhängte gerichtliche Nachrichtensperre und Festnahmen verstärken die Debatte um die Verantwortung für das Unglück.
Nach dem verheerenden Brand im renommierten Grand Kartal Hotel ist die Zahl der Todesopfer am Dienstagabend auf 76 gestiegen. Das Feuer, das in den frühen Morgenstunden des 21. Januars ausbrach, forderte zudem zahlreiche Verletzte. Während die Bergungsarbeiten inzwischen abgeschlossen sind, dauern die Ermittlungen zur Brandursache an.
Innenminister Ali Yerlikaya bestätigte, dass bisher 52 der Verstorbenen identifiziert und 45 von ihnen an ihre Familien übergeben worden seien. Zur Klärung der Identität der übrigen Opfer werde auf DNA-Analysen zurückgegriffen, so der Minister laut türkischen Medien. In seiner Stellungnahme betonte er: „Die Wahrheit wird ans Licht kommen, und wir werden unser Volk darüber informieren.“ Laut Yerlikaya war das 12-stöckige Holzgebäude zum Zeitpunkt des Brands mit 238 Gästen belegt.
Im Zusammenhang mit der Brandkatastrophe hat das Strafgericht in Bolu am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Nachrichtensperre verhängt. Bis zum Abschluss der laufenden Ermittlungen ist es Medien verboten, über die Ereignisse zu berichten. Dies gilt sowohl für schriftliche und audiovisuelle Medien als auch für Beiträge in sozialen Netzwerken. Betroffen sind sämtliche Nachrichten, Interviews und kritische Artikel zu der Tragödie. In der Türkei ist es inzwischen die Regel, dass nach Vorfällen, die das öffentliche Interesse auf sich ziehen, Nachrichtensperren verhängt werden. Nicht immer halten sich die Medien allerdings daran. Am Mittwoch wurde die Sperre allerdings wieder aufgeboben.
Ermittlungen eingeleitet – neun Festnahmen
Im Zuge der Untersuchungen sind bislang neun Verdächtige, darunter der Hotelbesitzer Halit E., festgenommen worden. Justizminister Yılmaz Tunç erklärte, dass die Staatsanwaltschaft von Bolu sechs Staatsanwälte sowie ein fünfköpfiges Expertenteam mit der Untersuchung beauftragt habe.
Ungenügende Brandschutzmaßnahmen?
Laut der Türkischen Ingenieur- und Architektenkammer (TMMOB) war das Hotel offenbar nicht mit einem vorgeschriebenen automatischen Sprinklersystem ausgestattet, das den Brand hätte eindämmen können. Diese Versäumnisse könnten laut TMMOB entscheidend zur raschen Ausbreitung des Feuers beigetragen haben. Freigegeben und kontrolliert worden sei das Gebäude vom türkischen Tourismus-Ministerium, nicht, wie zunächst angenommen, von der kommunalen Verwaltung in Bolu.
Innenminister Yerlikaya erwähnte, dass das Hotel über zwei Feuerleitern verfügt habe, die allerdings auch für andere Zwecke verwendet worden seien. Mitarbeiter sowie Gäste berichteten, dass während des Feuers keine Alarme ertönt seien und es keine Leitern gegeben habe. Menschen versuchten sich stattdessen, mit aneinander geknoteten Bettlaken aus den Fenstern zu retten.
Ein großer Kritikpunkt ist zudem, dass die Löscharbeiten über eine Stunde nach Ausbruch des Feuers begonnen haben sollen. In der Nähe des Hotels ist keine Feuerwehr ansässig. Diese musste erst aus dem Zentrum von Bolu und umliegenden Ortschaften anrücken. Bis das Feuer vollständig gelöscht war, vergingen rund zehn Stunden. Das Gebäude war danach vollständig ausgebrannt, wie Luftaufnahmen zeigen.
Erdoğan ordnet Trauertag an
Präsident Recep Tayyip Erdoğan ordnete einen nationalen Trauertag an, der am 22. Januar begangen wird. Zudem wurden die Flaggen in der Türkei und an Auslandsvertretungen auf Halbmast gesetzt.
Die Betreiberfamilie, die sich zum Zeitpunkt des Feuers ebenfalls im Hotel aufhielt, sprach von einer „gemeinsam durchlebten Tragödie“ und versicherte, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Hintergründe zum Hotel
Das fast vollständig aus Holz erbaute Hotel, gegründet 1978 von Mazhar Murtezaoğlu, war eine der renommiertesten Unterkünfte im beliebten Skigebiet Kartalkaya. Heute leitet dessen Schwiegersohn Halit E. das Hotel. Er hatte erst wenige Tage vor dem Unglück von einem erwarteten Gästeansturm berichtet. In der Türkei sind derzeit Winterferien.
Das Großfeuer wird als eine der schwersten Katastrophen in der Geschichte des türkischen Tourismus eingeordnet. Die weiteren Entwicklungen dürften landesweit wie auch international aufmerksam verfolgt werden.