Politik
Wie die Türkei Europa mit Gas versorgen will

Gas für Europa dank Turkish Stream: Der türkische Präsident Erdoğan will sein Land zum neuen Gas-Drehkreuz ausbauen. Besonders vom Transitausfall der Ukraine könnte das Land zwischen Europa und Asien profitieren.
Die Türkei will mehr Gas für Europa durch die Schwarzmeer-Pipeline durchleiten. Das bekräftigte jüngst Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegenüber dem slowakischen Premier Robert Fico, der zu Besuch in Ankara weilte. Seit Längerem plant er, aus dem Gastransitstopp in der Ukraine Kapital zu schlagen.
Fico hatte sich nach Ankara begeben, um mit Erdoğan Möglichkeiten auszuloten, über Turkish Stream an Gas zu kommen. Die Pipeline umfasst zwei Leitungsstränge. Insgesamt kann sie über 31,5 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr transportieren. Ein echter Machtfaktor.
Erdoğan will auch selbst nach Gas bohren – im Mittelmeer
Ein Strang versorgt den türkischen Markt. Die andere Leitung führt über Land bis an die bulgarische Grenze. Von dort geht es weiter über den Balkanstrom nach Serbien und Ungarn. Bulgarien widerum leitet Gas aus der Türkei an Nachbarländer wie Griechenland und Rumänien durch.
Türkei bereitet sich auf weitere Gas-Erkundung im Mittelmeer vor
Den Machtfaktor Gas spielt die Türkei voll aus. Neben den Gaslieferungen pocht der türkische Präsident auch weiter auf Bohrungen im Mittelmeer. So treibt die NATO-Partner Türkei und Griechenland seit Langem ein Konflikt um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer um.
Türkei schert sich wenig um EU-Sanktionsbemühungen
Athen wirft Ankara vor, dort illegal Erdgasvorkommen zu erkunden. Die türkische Regierung weist die Vorwürfe strikt zurück und vertritt den Standpunkt, dass die Erdgassuche rechtmäßig ist. Einen ähnlichen Konflikt gibt es mit Zypern. Nun lässt sich ein weiteres EU-Land von Ankara mit Gas versorgen. Ein Widerspruch?
Was Erdoğan bei seinen Ambitionen aber verschweigt: Die Pipeline-Lieferungen stammen teils aus Russland und konterkarieren die westlichen Sanktionen gegen Moskau. Ohnehin geht die Türkei im Bezug auf Russland einen Sonderweg. Sie beteiligt sich kaum an den Handelsbeschränkungen und profitiert vom Geschäft mit Putin.
Turkish Stream brummt
Denn neben der Macht ist auch das Geld eine große Antriebsfeder für Ankara. Da die Ukraine durch den Transitstopp 800 Millionen US-Dollar an Transitgebühren im Jahr verliert, bringt sich die Türkei in Stellung. Daten einschlägiger Thinktanks zeigen: Turkish Stream läuft, hat aber noch Kapazitäten frei.
Der Plan: Die Türkei will russisches Gas mit LNG-Importen, Gas aus Aserbaidschan, dem Iran und eigener Produktion im Schwarzen Meer mixen und nach Europa reexportieren. Über Investitionen zum Ausbau der türkischen Kapazitäten wird bereits besprochen.