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Wurden die Daten von über 100 Millionen türkischen Bürgern gestohlen?

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Symbolfoto: Das Bild zeigt die e-Devlet-Plattform, die als zentrales digitales Portal für türkische Bürger dient, um bequem auf staatliche Dienstleistungen und persönliche Daten zuzugreifen. Foto: e-devlet
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Free Web Turkey behauptet, dass die Daten von über 100 Millionen Türken gestohlen worden seien. Der zuständige türkische Minister wies die Vorwürfe zurück und erklärte, dass aktuelle Daten nicht betroffen seien.

Laut einem Bericht von Free Web Turkey, einer Plattform, die sich für Internetfreiheit einsetzt, sollen die persönlichen Daten von 108 Millionen türkischen Bürgern gestohlen worden sein. Diese Behauptung sorgte in den letzten Tagen für erhebliche Besorgnis. Abdulkadir Uraloğlu, der türkische Minister für Verkehr und Infrastruktur, reagierte darauf mit der Aussage, dass die Datenlecks auf die Pandemie-Zeit zurückzuführen und aktuelle Daten nicht betroffen seien.

Uraloğlu stellte klar: „Während der Pandemie gab es tatsächlich ein Leck im Gesundheitssystem, aber aktuelle Daten sind nach unseren Erkenntnissen nicht gestohlen worden. Leider wurden damals einige Informationen durch böswillige Akteure erlangt, wir konnten dies in dieser Zeit nicht verhindern.“

„Keine aktuellen Daten gestohlen“

Auch die türkische Präsidialverwaltung für den Kampf gegen Desinformation nahm zu den Vorwürfen Stellung und wies sie über soziale Medien scharf zurück. In der Erklärung hieß es:
„Die Berichte, wonach 85 Millionen Bürgerdaten gestohlen wurden und die BTK (Informations- und Kommunikationstechnologiebehörde) Google um Hilfe gebeten habe, sind vollständig falsch. Es gibt kein aktuelles Datenleck und es wurde auch keine Hilfe von Google angefordert.“

Darüber hinaus teilte die Behörde mit, dass einige Bürger Opfer von Phishing-Angriffen geworden seien, bei denen Passwörter gestohlen wurden, was dazu geführt habe, dass bestimmte Adresseinträge von diesen Nutzern kompromittiert worden seien. Die Staatsanwaltschaft Ankara habe in diesen Fällen bereits rechtliche Schritte eingeleitet.

Wurden die Daten von 108 Millionen Menschen wirklich gestohlen?

Free Web Turkey berichtete, dass unter den angeblich gestohlenen Daten nicht nur Informationen über lebende Bürger, sondern auch über verstorbenen Personen, Touristen und Migranten zu finden seien.

Laut dem Bericht sollen Hacker die Daten auf fünf Google Drive-Dateien gespeichert haben. Die nationale Cyberabwehrbehörde (USOM) soll nach der Entdeckung des Lecks Google kontaktiert haben, um diese Dateien sofort löschen zu lassen. In zwei Schreiben vom 29. Juli und 3. September soll USOM die dringende Entfernung dieser Daten gefordert haben.

Frühere Datenlecks und rechtliche Auseinandersetzungen

Datenlecks sind in der Türkei nicht neu. Bereits 2023 berichtete Free Web Turkey über eine Website namens „Sorgu Paneli“, auf der die persönlichen Daten von türkischen Bürgern, einschließlich Adressen, Telefonnummern und Bankdaten, illegal angeboten worden sein sollen. Daraufhin reichte die Medien- und Rechtsforschungsvereinigung (MLSA) eine Klage gegen das Innenministerium ein. Diese wurde jedoch im Dezember 2023 von einem Gericht in Ankara abgewiesen, da „die Verwaltung nicht haftbar gemacht werden könne“.

Im April dieses Jahres wurde die Berufung ebenfalls zurückgewiesen, der Fall ging daraufhin vor das Verfassungsgericht. Die MLSA argumentierte, dass der Staat seinen Verpflichtungen zum Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten nicht nachgekommen sei. Ein Abgeordneter der DEM-Partei aus Izmir, İbrahim Akın, stellte im türkischen Parlament eine Anfrage an den zuständigen Minister. Er kritisierte die Unzulänglichkeiten von USOM und betonte, dass die digitalen Daten der Bürger nicht ausreichend geschützt seien.

Welche Risiken bestehen?

Expert:innen auf dem Gebiet der Informationssicherheit sind alarmiert. Füsun Sarp Nebil, eine führende türkische Sicherheitsexpertin, warnte, dass gestohlene Daten für Betrüger ein „wahres Geschenk“ seien. „Kriminelle könnten diese Informationen nutzen, um sich als Behördenvertreter auszugeben und Menschen, um Geld zu bringen“, erklärte Nebil in einem Interview. Besonders gefährlich sei es, wenn Kriminelle Zugang zu Grundbuchdaten erhielten, was zu Immobilienbetrug oder anderen schweren Straftaten führen könne.

Das bisher größte bekannte Datenleck in der Türkei ereignete sich 2016, als die Daten von rund 50 Millionen türkischen Bürgern ins Internet gelangten. Diese Affäre führte zu umfassenden Diskussionen über die Sicherheit persönlicher Daten. Die aktuelle Debatte verdeutlicht einmal mehr, dass das Thema Datenschutz in der Türkei von wachsender Bedeutung ist. Besonders in Zeiten zunehmender Digitalisierung und Daten bleibt die Sicherheit sensibler Informationen eine zentrale Herausforderung, vor allem vor dem Hintergrund von e-Devlet, das nahezu die gesamte türkische Bevölkerung nutzt.

Was ist e-Devlet?

e-Devlet ist eine digitale Plattform der türkischen Behörden, die den Bürgern ermöglicht, auf eine Vielzahl staatlicher Dienstleistungen online zuzugreifen. Es dient als zentrales Portal, über das türkische Staatsbürger und rechtmäßige Bewohner zahlreiche Behördengänge bequem von zu Hause oder unterwegs erledigen können, ohne physisch bei den entsprechenden Ämtern erscheinen zu müssen.

Zu den Dienstleistungen, die über e-Devlet zugänglich sind, zählen:

  • Steuerinformationen: Einsicht in Steuerbescheide und Abwicklung von Steuerangelegenheiten.
  • Grundbuchdaten: Abfrage von Eigentumsinformationen und Immobilienregistrierungen.
  • Sozialversicherung: Zugang zu Renteninformationen und Sozialleistungen.
  • Gesundheitsdaten: Einsicht in Krankheitsgeschichte und medizinische Dokumente.
  • Behördliche Anträge: Antragstellung für Dokumente wie Ausweise, Reisepässe und Führerscheine.

Durch diese Plattform wird die Verwaltung digitalisiert und zentralisiert, was den Zugang zu staatlichen Dienstleistungen effizienter und transparenter gestaltet. Jedoch ist die Sicherheit dieser Plattform von entscheidender Bedeutung, da sensible persönliche Daten von Millionen von Bürgern darin gespeichert werden.