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Politik

KRM fordert Entnazifizierung in Behörden und Ämtern

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Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) hat zum Umgang der Behörden mit dem NSU-Terror Stellung bezogen und Forderungen gestellt. Der KRM wird sein Forderungsdossier u.a. an Sebastian Edathy und das Innenministerium übergeben. (Foto: Azamat Damir)

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KRM fordert Entnazifizierung in Behörden und Ämtern
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Knapp ein Jahr nach Bekanntwerden der NSU-Morde hat der Koordinationsrat der Muslime am Mittwoch in Berlin ein Dossier zum Rechtsterrorismus vorgelegt.

Der KRM kritisiert darin den Umgang der Sicherheitsbehörden mit den NSU-Morden und stellt Forderungen an die Politik für den weiteren Verlauf der „schleppend voranschreitenden“ Ermittlungen. „2013 muss alles besser werden“, betonte Aiman Mazyek (r.) vom Zentralrat der Muslime.

Bekir Alboğa (DITIB; l.) zeigte sich enttäuscht, dass es im Bereich der politischen Kriminalität noch keine Kategorie für „Islam-“ oder „Muslimfeindlichkeit“ gebe, obwohl laut Angaben des KRM seit 2001 alle zweieinhalb Wochen ein Angriff auf eine Moschee oder andere muslimische Einrichtung in Deutschland erfolge.

Angesprochen auf ein mögliches NPD-Verbot entgegnete Alboğa, dass das eigentliche Problem die in der Mitte der Gesellschaft angekommene „Islamkritik“ sei, die nicht unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit betrieben werden dürfe. Die Besucherzahlen von Seiten wie pi-news.net, auf der täglich gegen den Islam und Muslime gehetzt werde, seien „beängstigend“.

Im Folgenden dokumentiert das DTJ die Forderungen des KRM:

Die deutschen Sicherheitsbehörden sind in der Bringschuld, den aufgrund des NSU-Terrors entstandenen Vertrauensverlust seiner Bürger – und dabei insbesondere der muslimischen – in die Sicherheitsdienste wiederherzustellen. Ohne dieses Vertrauen ist es nicht möglich, sich sicher zu und als in Deutschland beheimatet zu fühlen. Das Vertrauen kann hergestellt werden, wenn

1. alle mit dem NSU-Terror zusammenhängenden Sachverhalte lückenlos rekonstruiert werden, hierzu zählen vor allem die Aufklärung

a. sämtlicher Straftaten des NSU selbst und aus dessen Umfeld,
b. der Aktenvernichtungen,
c. aller bisher bekannten und unbekannten Fehler, Pannen und Versagen sämtlicher Behörden bei der Verfolgung bzw. Nichtverfolgung von Spuren im Zusammenhang mit dem NSU-Terror,

2. sämtliche personellen Direkt-, Quer- und Drittverbindungen aus den Kreisen der Sicherheitsdienste und der Politik zum NSU-Umfeld festgestellt werden,

3. nach Abschluss dieser Ermittlungen sämtliche Informationen der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,

4. im Anschluss an diese Ermittlungen sämtliche Verantwortliche im Staatsdienst und in der Politik personelle Konsequenzen aus ihrem Versagen ziehen,

5. im Anschluss an diese Ermittlungen alle Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden,

6. der Staat eine nachweisbare Entnazifizierung in Behörden und Ämter mit dem Ziel durchführt, niemanden im Staatsdienst zu dulden, der sich im rechtsextremen Milieu bewegt,

7. der Bundesinnenminister glaubhaft begründen kann, inwiefern die Tatsache, dass die neu besetzten Spitzen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes mit Ministerialbeamten besetzt wurden, die sog. „Islamismus“-Experten sind, darauf schließen lässt, dass gerade diese Personalentscheidung für den Kampf gegen den Rechtsextremismus geeignet sein soll,

8. bisher ungeklärte Anschläge auf Personen, Gebäude und Einrichtungen im Lichte der Erkenntnisse aus dem NSU-Skandal neu bewertet werden,

9. Begriffe wie „Islamismus“ und/oder „islamistisch“ aus dem Sicherheitsdiskurs gestrichen werden zugunsten einer Wortwahl, die nicht geeignet ist, den Islam und die Muslime unter Generalverdacht zu stellen,

10. insbesondere Politiker Abstand von Äußerungen und Statements nehmen, die geeignet sind, den Islam und Muslime unter Generalverdacht zu stellen bzw. diese zu diffamieren oder verunglimpfen, um die steigende Islam- und Muslimfeindlichkeit nicht zu beflügeln, sondern dieser entgegenzuwirken,

11. Islamfeindlichkeit mit ein Hauptthema der Deutschen Islamkonferenz und der Sicherheitspartnerschaft wird,

12. islam- und muslimfeindliche Straftaten in der Kriminalitätsstatistik unter einer eigenen Rubrik erfasst werden und nicht mehr wie bisher als „politisch motivierte Kriminalität“, um das Ausmaß und die Entwicklung dieses Phänomens erfassen und beziffern zu können,

13. der Staat bei diesen Herausforderungen den KRM aktiv und als Partner mit einbezieht,

14. der Staat den Opfern des NSU über die Staatstrauerfeier hinaus jährlich gedenkt, um dem Vergessen entgegenzuwirken,

15. der NSU-Terror als ein Folgeproblem des Naziregimes ein Teil des schulischen Geschichtsunterrichts wird.

Mustafa Görkem