Flucht/Migration
Berlin will Gastarbeitern ein Denkmal setzen
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Die Hauptstadt plant zwei Denkmäler zur Ehrung der ersten Generation von „Gastarbeitern“, die zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands beigetragen haben. Diese Initiative richtet sich besonders an türkische Gastarbeiter und andere Vertragsarbeiter aus der DDR-Zeit.
In Berlin werden zwei Denkmäler zu Ehren der ersten Generation von Gastarbeitern errichtet, die einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands geleistet haben. Das berichteten mehrere Medien, darunter die Deutsche Welle. Gewidmet werden sollen sie hauptsächlich den türkischen Gastarbeitern sowie Vertragsarbeitern aus Ländern wie Vietnam, die während der DDR-Zeit nach Ost-Berlin kamen.
Die Denkmäler sollen in Kreuzberg entstehen, einem Stadtteil, der früher und teilweise noch heute für seinen hohen Anteil an türkischstämmiger Bevölkerung bekannt ist. In der einst geteilten Stadt lag Kreuzberg auf der Westseite der Berliner Mauer und ist heute ein multikulturelles Viertel, in dem neben Deutsch und Türkisch auch viel Englisch und Spanisch gesprochen wird.
Gastarbeiter-Nachkommen bemängeln fehlende Wertschätzung
Sevim Aydın, Mitglied des Berliner Senats und Initiatorin des Projekts, betont die Bedeutung der Sichtbarmachung der positiven Beiträge der ersten Generation von Einwanderern. Aydın, deren Eltern selbst Gastarbeiter waren, kritisiert die oft negative Darstellung und fordert Anerkennung für deren Leistungen.
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In Deutschland gibt es über eine Million Denkmäler, jedoch nur wenige, die die multikulturelle Geschichte des Landes thematisieren. Während Frankfurt bereits 2004 die Idee eines Denkmals für Gastarbeiter hatte, wurde das Projekt aus verschiedenen Gründen verzögert und wird vermutlich nicht vor 2030 realisiert. Hamburg und Bremerhaven besitzen Museen zur deutschen Auswanderung, und in Köln gibt es das DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland). In der Domstadt soll 2029 außerdem ein Museum zur Einwanderung nach Deutschland eröffnet werden.
Herausforderungen in der DDR
Gül Ataseven Özen, die 1972 nach Deutschland kam, weist auf die Bedeutung der Anerkennung für die erste Generation hin. Sie arbeitete in Fabriken und später als Lehrerin und ist politisch aktiv. Özen fordert Respekt für die Beiträge der Einwanderer zur deutschen Gesellschaft und sieht in den Denkmälern eine Möglichkeit, deren Geschichte zu würdigen.
Auch die DDR rekrutierte in den 1980er Jahren Vertragsarbeiter aus sozialistischen Staaten wie Vietnam, Mosambik und Ungarn. Diese Arbeiter lebten oft isoliert und waren von Rassismus betroffen. Adelino Massuvira Joao, ein ehemaliger Vertragsarbeiter aus Mosambik, beschreibt die Bedingungen als „moderne Sklaverei“. Viele dieser Arbeiter kehrten nach dem Fall der Mauer unter schwierigen Bedingungen in ihre Heimat zurück, oft ohne die versprochenen Löhne oder Entschädigungen.
Die Wiedervereinigung Deutschlands brachte weitere Herausforderungen für die Gastarbeiter mit sich. Viele verloren ihre Arbeitsplätze und Aufenthaltserlaubnisse, insbesondere im Osten. Die 1990er Jahre waren von einem Anstieg rassistischer Gewalt geprägt, was die Integration erheblich erschwerte. Die Brandanschläge von Mölln und Solingen haben sich ins Gedächtnis der Menschen mit Migrationsbiografie eingebrannt.
Bedenken bei der Errichtung von Denkmälern
Der Berliner Senat hat für das Denkmalprojekt 500.000 Euro bereitgestellt. Die Initiative kommt in einer Zeit, in der die Bundesregierung einerseits versucht, mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, andererseits aber auch einen harten Kurs gegen illegale Migration verfolgt.
Noa Ha, Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, betont die Notwendigkeit einer pluralistischen deutschen Identität und schlägt vor, die Einwanderungsgeschichte in alle lokalen Museen zu integrieren. Auch Patrice Poutrus, Historiker und Migrationsforscher, begrüßt Projekte, die Einwanderer sichtbar machen, äußert jedoch Bedenken, dass die Denkmäler in der aktuellen politischen Lage nicht die erhoffte positive Wirkung haben könnte.