Bildung & Forschung Panorama

Erdkruste der Türkei: Kaum sichtbare Kräfte bedrohen Städte stärker als gedacht

  • November 23, 2025
  • 3 min read
  • 12 Views
Erdkruste der Türkei: Kaum sichtbare Kräfte bedrohen Städte stärker als gedacht

Die Erdkruste der Türkei spaltet sich: Eine Studie aus Australien offenbart Erdbewegungen im Inneren Anatoliens – und rückt die Erdbebensicherheit türkischer Großstädte erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit. 

Die Türkei zählt zu den tektonisch aktivsten Gebieten der Welt. Die schweren Beben vom Februar 2023 haben die Region langfristig unter Spannung gesetzt, warnen Fachleute immer wieder (DTJ-Online berichtete).

Eine neue Untersuchung zeigt nun, dass nicht nur die bekannten Störungszonen an Anatoliens Rändern brisant sind – auch im Herzen des Landes herrscht geologische Dynamik, die bislang offenbar falsch verstanden wurde. Im Fokus der Studie steht die Tuz-Gölü-Verwerfung, eine mehr als 200 Kilometer lange Störungslinie in Zentralanatolien.

Australisches Forscherteam mit neuen Erkenntnissen

Jahrzehntelang galt sie als typische seitwärts verschiebende Störung, wie sie für das Land prägend ist. Ein Team der Curtin University in Australien kommt nun jedoch zu einem grundlegend anderen Ergebnis. Untersucht wurden mehrere Lavaströme des Hasandağ-Vulkans, die in der Vergangenheit über die Verwerfung geflossen und anschließend erstarrt waren.

Mit Techniken wie Helium-Datierung und Fernerkundung konnten die Forschenden winzige Verzerrungen identifizieren. Das Resultat: Die Störung ist keine Strike-Slip-Verwerfung, sondern eine Dehnungszone – das Gestein auf beiden Seiten bewegt sich voneinander weg.

Ein Millimeter pro Jahr 

Was unscheinbar klingt, ist geologisch hoch relevant. Etwa ein Millimeter pro Jahr öffnet sich die Erdkruste entlang dieser Linie. Hinzu kommt: Die Tuz-Gölü-Zone liegt dort, wo die eurasische, arabische und afrikanische Platte miteinander interagieren – ein globaler Hotspot tektonischer Spannungen.

Auch wenn die Tuz-Gölü-Verwerfung selbst weit von der Metropole Istanbul entfernt liegt, verdeutlicht die neue Einstufung ein Muster: Die inneranatolische Region wird aktiver, komplexer – und weniger vorhersehbar –, als bisher angenommen. Die Entdeckung einer Dehnungszone mitten im Land zeigt, dass Anatolien nicht nur seitlich „geschoben“ wird, sondern sich teilweise öffnet.

Das beeinflusst Spannungsverteilungen, die letztlich auch an bekannten Risikozonen wie der Nordanatolischen Verwerfung ankommen können – jener Linie, unter der die Millionen-Metropolregion Istanbul liegt. Geologen warnen seit Jahren davor, dass die Nordanatolische Verwerfung eines der nächsten großen Beben erleben könnte.

Mehr Wissen – mehr Sicherheit

Die neue Studie liefert daher nicht nur ein korrigiertes geologisches Verständnis, sondern hat auch praktische Bedeutung. Ob für den Hasandağ-Vulkan, dessen Aktivität eng mit der lokalen Erdbewegung verbunden ist, oder für die Einschätzung zukünftiger Erdbeben: Jede zusätzliche Erkenntnis verbessert die Modelle, auf deren Basis Gefährdungsanalysen – gerade für dicht besiedelte Regionen – erstellt werden.

Gerade in einem Land, in dem Millionenstädte wie Istanbul, Izmir oder Ankara unmittelbar von tektonischen Strukturen abhängig sind, kann das Verständnis subtiler, bislang unterschätzter Prozesse überlebenswichtig sein.

About Author

Stefan Kreitewolf