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Oberster Gerichtshof stoppt Ankara: Schweden liefert Exil-Türken nicht aus

  • November 24, 2025
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Oberster Gerichtshof stoppt Ankara: Schweden liefert Exil-Türken nicht aus

Schweden hat die Auslieferung der türkischen Regierungskritiker Abdullah Bozkurt und Muharrem Özad endgültig abgelehnt. Trotz monatelangen Drucks im Zuge des NATO-Beitrittsprozesses sah der Oberste Gerichtshof keinen rechtlichen Grund, den Forderungen Ankaras stattzugeben.

Eine symbolträchtige Niederlage hat die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Schweden erlitten. Der dortige Oberste Gerichtshof hat den Antrag der Türkei auf Auslieferung der Regierungskritiker Abdullah Bozkurt und Muharrem Özad endgültig abgelehnt.

Die Entscheidungen waren bereits am 3. Juli (im Fall von Özad) und am 29. Oktober (im Fall von Bozkurt) gefallen. Ein Beamter des Justizministeriums erklärte in der Vorwoche gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass die Regierung deshalb am 13. November entschieden habe, beide Personen nicht auszuliefern.

Erdoğan hoffte auf Auslieferung von Bozkurt als Preis für NATO-Beitritt

Die türkischen Justizbehörden hatten die Auslieferung Bozkurts und Özads gefordert, weil diese einer „bewaffneten terroristischen Organisation“ angehören würden. In den Jahren 2023 und 2024 hatte die Türkei über 17 Monate hinweg die Ratifizierung des schwedischen NATO-Beitritts verweigert. Erdoğan warf dem Land vor, ein „sicherer Hafen für Terroristen“ zu sein.

Schweden sagte zu, konsequenter gegen Terroristen vorzugehen, und außerdem ein seit der türkischen Militäroperation 2019 in Syrien geltendes Waffenembargo aufzuheben. Anschließend beendete die Türkei ihre Blockade und Schweden lieferte einige mutmaßliche Angehörige der PKK aus. In Ankara machte man sich daraufhin offenkundig Hoffnung, dass dies künftig auch mit Anhängern der „FETÖ“ geschehen würde – wie die türkische Regierung die Gülen-Bewegung nennt.

Ein besonders starkes Verfolgungsinteresse zeigte die Türkei dabei mit Blick auf den bekannten Journalisten Abdullah Bozkurt. Der frühere „Zaman“-Korrespondent war der Regierung Erdoğan nicht nur aufgrund seiner früheren Tätigkeit für diese 2016 unter Zwangsverwaltung gestellte Zeitung ein Dorn im Auge.

Türkei wollte „Nordic Monitor“ schließen lassen

Bozkurt, der im gleichen Jahr aus der Türkei geflohen war, baute im schwedischen Exil zusammen mit seinem Journalistenkollegen Levent Kenez den „Nordic Monitor“ auf. Seit 2019 dokumentiert diese Einrichtung die autoritäre Regierungspraxis der Regierung Erdoğan. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Aktivitäten der türkischen Nationalen Geheimdienstorganisation (MİT).

Dazu gehört eine über die Grenzen des Landes hinausgehende Verfolgung von Dissidenten. Zu den damit verbundenen Praktiken zählen Überwachung, Belästigung und sogar die Entführung aus dem Ausland zurück in die Türkei. Im Zuge des NATO-Beitrittsprozesses forderte die türkische Regierung von Schweden bereits die Schließung des „Nordic Monitors“.

Der damalige Vize-Außenminister Burak Akçapar erklärte im November 2023 vor dem Parlament, die Türkei habe dies zur Sprache gebracht und werde dies auch nach einem schwedischen NATO-Beitritt weiterverfolgen. Türkische Regierungsbeamte erklärten, Ankara würde eine Schließung des „Nordic Monitors“ sogar zu einer Bedingung für den schwedischen Beitritt machen.

Mit Schlägertrupps und Fake-News-Kampagnen gegen Bozkurt

Im Jahr 2020 wurde Bozkurt vor seiner – eigentlich geheimen – Wohnadresse angegriffen. Die regierungsnahe „Sabah“ leakte diese später zusammen mit geheim angefertigten Fotos seines Mitstreiters Kenez. In der Türkei kam es auch zu öffentlichen Morddrohungen gegen Bozkurt. Im Jahr 2016 erklärte der Kommentator Cem Küçük in einer Live-Sendung, der MİT plane eine Hinrichtung des Journalisten.

Im Jahr 2021 äußerte der Präsidentenberater Mesut Hakkı Caşın auf „CNN Türk“, der türkische Geheimdienst würde Bozkurt „an Fische und Haie verfüttern“. Türkische Medien lancierten zudem eine Kampagne, die den Dissidenten in die Nähe des Mordes am russischen Botschafter in Ankara, Andrej Karlow, im Dezember 2016 rückten.

Die türkische Regierung versuchte, den Anschlag durch einen Wachmann mit der Gülen-Bewegung in Zusammenhang zu bringen. Tatsächlich deuten alle Umstände auf einen Racheakt oppositionsnaher syrischer Kräfte für die Einnahme von Aleppo im syrischen Bürgerkrieg hin. Die türkische Regierung unterstützte damals die bewaffnete Opposition gegen den damaligen Präsidenten Baschar al-Assad. Russland unterstützte diesen militärisch gegen die Rebellen.

Schwedens Justiz sieht keinerlei Grundlage für Auslieferung

Im Zuge des Auslieferungsverfahrens behauptete die türkische Regierung, Bozkurt führe eine „bewaffnete terroristische Organisation“ und betreibe Propaganda für eine solche. Zudem habe er „vertrauliche Informationen für die nationale Sicherheit“ enthüllt. Özad sei zudem ein Mitglied von „FETÖ“ – was dadurch bewiesen wäre, dass er ein Konto bei der früheren Bank Asya unterhalten, in einem Studentenheim des Gülen-Netzwerks gearbeitet und Verbindungen zu Personen aus diesem gepflegt habe.

In beiden Fällen stellte der Oberste Gerichtshof jedoch fest, dass die Männer nicht ausgeliefert werden dürfen. Die von der Türkei angeführten Handlungen würden gegen keine schwedischen Gesetze verstoßen und dort, wo dies der Fall sein könnte, könnten sie nicht mit einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr bestraft werden.

In Schweden trifft die Regierung die endgültige Entscheidung über Auslieferungsanträge. Lehnt der Oberste Gerichtshof jedoch eine Auslieferung ab, kann diese auch nicht stattfinden.

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