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Frieden im Kaukasus? Armenien, Aserbaidschan und die Rolle der Türkei

  • September 2, 2025
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Frieden im Kaukasus? Armenien, Aserbaidschan und die Rolle der Türkei

Der Südkaukasus steht vor einem historischen Wendepunkt. Nach Jahrzehnten von Krieg, Blockade und Misstrauen rückt ein Friedensvertrag zwischen Armenien und Aserbaidschan in greifbare Nähe. Doch dahinter verbirgt sich ein komplexes Geflecht geopolitischer Interessen – mit der Türkei als treibender Kraft und der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan als strategischem Schlüssel.

Über drei Jahrzehnte prägte der Konflikt um Bergkarabach den Südkaukasus. Mit der militärischen Rückeroberung durch Aserbaidschan veränderte sich die Lage vor einem Jahr grundlegend. Erstmals liegt nun ein dauerhafter Frieden in Reichweite. Doch wie er aussehen könnte, das bleibt umstritten – vor allem, wenn es um Transitwege und Einflusszonen geht.

Im Zentrum der Gespräche steht die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan. Der geplante Korridor würde sie direkt mit dem aserbaidschanischen Kernland verbinden – über armenisches Territorium. Geplant sind Straßen, Eisenbahnen und Energiepipelines. Für Baku ein Befreiungsschlag, für Jerewan ein Risiko: Premierminister Nikol Paschinjan beharrt darauf, dass jeder Transit unter armenischer Kontrolle bleibt. Ein exterritorialer Korridor sei inakzeptabel.

Nachitschewan als strategischer Knotenpunkt

Für die Türkei ist Nachitschewan indes mehr als eine geographische Randnotiz. Machthaber Recep Tayyip Erdoğan inszenierte den Korridor gemeinsam mit Aserbaidschans Präsident İlham Alijew als Symbol türkisch-aserbaidschanischer Geschlossenheit.

Ankara verspricht wirtschaftliche Impulse und regionale Vernetzung – und zugleich Druckmittel gegenüber Armenien. Eine mögliche Normalisierung der Beziehungen, inklusive Grenzöffnung, stellt Erdoğan in Aussicht – allerdings nur unter den Bedingungen eines Friedensschlusses.

Geopolitische Verschiebungen

Der geplante Korridor verändert die Karten im Südkaukasus. Washington hat sich in Person von Präsident Donald Trump als Vermittler positioniert, Russland verliert sichtbar an Einfluss, und der Iran warnt vor einer türkisch-aserbaidschanischen Landbrücke, die ihn ausschließen würde.

Überraschend ist, dass diesmal nicht Moskau, sondern Washington das Zepter in der Hand hält. Unter amerikanischer Vermittlung wurde der geplante Transit – die sogenannte „Trump Route for International Peace and Prosperity (TRIPP)“ – zum Kernstück der Gespräche. Die USA präsentieren ihn als „Wirtschaftskorridor“, der nicht nur Frieden sichern, sondern auch Investoren anziehen soll.

Moskau im Abseits

Die Region wird damit zur Bühne eines geopolitischen Ringens: Für Washington ist der Südkaukasus Teil einer größeren Strategie. Energie- und Transportwege sollen diversifiziert, russischer Einfluss zurückgedrängt und iranischer Einfluss eingedämmt werden. Dass ein amerikanisches Infrastrukturprojekt in dieser Region überhaupt denkbar ist, zeigt den tektonischen Machtwandel.

Denn für Russland ist die Entwicklung ein herber Rückschlag. Über Jahrzehnte war Moskau die Ordnungsmacht im Südkaukasus, stationierte Friedenstruppen und kontrollierte Verkehrswege. Doch seit dem Krieg in der Ukraine ist der Kreml militärisch und diplomatisch gebunden. Seine Rolle als Vermittler zwischen Armenien und Aserbaidschan büßte Moskau ein.

Was plant Erdoğan?

Und „TRIPP“-Befürworter sehen in dem Korridor einen Motor des Friedens: Wirtschaftliche Verflechtung soll alte Feindschaften überwinden. Kritiker warnen hingegen vor neuen Abhängigkeiten und einem möglichen Souveränitätsverlust Armeniens.

Ob der Frieden hält, hängt maßgeblich davon ab, ob Jerewan und Baku den Balanceakt zwischen Öffnung und Kontrolle meistern – und ob Ankara bereit ist, mehr zu sein als nur die Schutzmacht Aserbaidschans.

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Stefan Kreitewolf