Gegen das Vergessen: Rechter Terror auf der Keupstraße
Nur wenige hundert Meter von der Keupstraße entfernt, wo am 9. Juni 2004 eine Nagelbombe des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) explodierte, hat die Initiative „Keupstraße ist überall“ einen Ort geschaffen, der an das erinnert, was bis heute kein Mahnmal sichtbar macht.
In der Schanzenstraße 22, im Herzen des Carlswerk-Geländes, wurde am 18. September 2025 die Ausstellung „Von der Nagelbombe bis zum Mahnmal – 21 Jahre danach“ eröffnet – ein Raum des Gedenkens, der Begegnung und der Bildung.
Erinnerung gegen das Vergessen
Die Explosion in der Keupstraße veränderte nicht nur das Leben vieler Anwohnenden, sondern offenbarte auch eine tiefe gesellschaftliche Wunde. 22 Menschen wurden damals verletzt, viele von ihnen schwer. Die Bombe war gefüllt mit fünf Kilogramm Sprengstoff und über 800 Nägeln – eine Tat, die nur knapp kein Massaker wurde. Doch die zweite Katastrophe folgte unmittelbar danach: Die Opfer wurden zu Verdächtigen.
Über sieben Jahre lang ermittelte die Polizei nicht gegen Rechtsextremisten, sondern gegen die Betroffenen selbst. Medien sprachen von „kriminellen Ausländermilieus“ – ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Familien. Die Initiative „Keupstraße ist überall“ kämpft seit Jahren dafür, dass dieser Anschlag und seine Folgen nicht verdrängt werden. Dass endlich die Perspektive der Betroffenen im Mittelpunkt steht – und nicht die der Ermittlungsakten.
Ein Ort für die Stimmen der Betroffenen
Mit der neuen Ausstellung hat die Initiative nun einen festen Ort geschaffen, wo Geschichte erzählt und Gegenwart gestaltet wird. Die Räume in der Schanzenstraße fungieren als Begegnungs- und Beratungsstelle – ein sicherer Ort, getragen von den Betroffenen selbst und jenen, die ihnen seit Jahren solidarisch zur Seite stehen. Die Ausstellung „Von der Nagelbombe bis zum Mahnmal“ entstand 2024 in Zusammenarbeit mit Schülern und Lehrerkräften der IGIS-Gesamtschule.
Sie wurde konzipiert als außerschulischer Erinnerungs- und Lernort – ein Projekt, das Geschichte nicht nur dokumentiert, sondern erfahrbar macht. Lernende können hier nicht nur Lehrmaterial bearbeiten, sondern auch direkt mit Überlebenden des rassistischen Anschlags ins Gespräch kommen, ihre Fragen stellen und die Perspektiven jener hören, die zu lange übergangen wurden. „Die Ausstellung ist kein Museum über die Vergangenheit“, sagt eine Vertreterin der Initiative. „Sie ist ein lebendiger Raum, der uns mahnt, dass Rassismus und rechtsextreme Gewalt nicht der Vergangenheit angehören, sondern bis heute unsere Gesellschaft bedrohen.“
Bildung als Widerstand
Das Projekt richtet sich besonders an Schulklassen und Studierendengruppen. Montags und mittwochs zwischen 10 und 15 Uhr können nach Anmeldung Führungen stattfinden – ergänzt durch Gesprächsrunden und pädagogische Begleitung. Auf Wunsch sind auch Besuche an anderen Tagen möglich. Geeignet ist die Ausstellung für die Fächer Geschichte, Sozialwissenschaften, Ethik, Religion, Kunst, Deutsch und Philosophie. Im Mittelpunkt steht stets die Frage: Wie erinnern wir – und was lernen wir daraus für das Heute? Denn die Ausstellung ist nicht nur ein Ort der Aufarbeitung, sondern auch ein Appell an kommende Generationen, Verantwortung zu übernehmen – gegen das Vergessen, gegen Rassismus und gegen das Schweigen.
Vom Ankommen bis zum Anerkennen
Die Ausstellung erzählt auch von der Geschichte der Keupstraße selbst – einem Ort, der für viele Menschen zum Symbol des Ankommens in Deutschland wurde. Sie erzählt von den Familien, die in den 1960er und 70er Jahren nach Köln kamen, um hier zu arbeiten und zu leben, und von dem langen Ringen um Anerkennung und Sichtbarkeit in einer Gesellschaft, die Migranten oft nur als „Gäste“ sah. Heute, 21 Jahre nach dem Anschlag, steht fest: Die Keupstraße ist überall. Sie steht für den Kampf um Gerechtigkeit, für Solidarität und für das Recht, gehört zu werden.



