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Instagram bleibt in der Türkei gesperrt – Rätselraten über die Gründe

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Eine Frau öffnet Instagram auf ihrem Smartphone. In der Türkei ist das derzeit nur über Umwege möglich. Foto: Niklas Graeber/dpa
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Mafia und „digitaler Faschismus“ – der türkische Präsident Erdoğan lässt nach der Blockade von Instagram in der Türkei eine Tirade gegen Online-Plattformen los. Hoffnung auf Aufhebung der Sperre gibt es dennoch.

Nach der vergangene Woche verhängten Sperre von Instagram in der Türkei teilt Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegen Online-Plattformen aus. Diese betrieben „digitalen Faschismus“ und verhielten sich wie die Mafia, wenn es um ihre Interessen gehe, sagte Erdoğan am Montag bei einer Veranstaltung seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara. „Wir sind mit einem digitalen Faschismus konfrontiert, der sogar Fotos von palästinensischen Märtyrern nicht duldet und umgehend sperrt und das auch noch als Freiheit verkauft“, schimpfte er. Er warf den Plattformen vor, sich in Europa und den USA an die Regeln zu halten, aber nicht, wenn es um die Werte der Türkei gehe.

Welche Rolle spielen Sympathie-Bekundungen für die Hamas?

Instagram war in der Türkei am Freitag blockiert worden, die Plattform ist damit von der Türkei aus nur noch über geschützte Netzwerkverbindungen (VPN) zu erreichen. Gründe und voraussichtliche Dauer wurden nicht bekanntgegeben. Beobachter vermuten jedoch, dass die Sperre mit Beileidsbekundungen für Ismail Hanija, den getöteten Auslandschef der islamistischen Hamas, zusammenhängt. Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun hatte Instagram kurz vor der Sperre vorgeworfen, die Beileidsbekundungen zu blockieren und der Plattform Zensur unterstellt. Erdoğan warf Online-Plattformen wie Instagram nun vor, Perversitäten und Terrorunterstützung zu dulden, aber den „ruhmvollen Widerstand des palästinensischen Volkes“ zu bekämpfen.

Gesetz in Kraft: Türkei reguliert soziale Medien ab sofort noch stärker

Erdoğan, der gute Beziehungen zur islamistischen Hamas unterhält, sagte bei seiner Rede weiter, Hanija sei ein „Märtyrer“. Nach dessen Tod war in der Türkei eine eintägige Staatstrauer ausgerufen worden, was teils auf Unverständnis stieß. Er teilte zudem erneut gegen den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus und bezeichnete ihn einmal mehr als Hitler.

Gespräche mit Instagram-Vertretern dauern an – CHP-Chef: „Bei mir geht’s selbst in Paris nicht“

In der Türkei nutzen Medienberichten zufolge rund 57 Millionen Menschen Instagram. Infrastrukturminister Abdulkadir Uraloğlu schrieb am Montag auf der Plattform X, er habe sich bereits vergangene Woche mit Vertretern von Instagram getroffen und gemahnt, dass sich das Unternehmen an türkisches Recht halten müsse. Er wolle sich nun erneut mit den Vertretern beraten. Am Freitag hatte Uraloğlu dem Sender CNN Türk gesagt, die Plattform müsse sich an Regeln und einige „gesellschaftliche Befindlichkeiten“ halten, dann werde sie wieder freigegeben.

Die größte Oppositionspartei CHP kritisiert die Sperre als verfassungswidrig. Ihr Chef Özgür Özel, der am Dienstag in Paris das Viertelfinalspiel der türkischen Volleyballerinnen verfolgte, verriet, dass Instagram auf seinem Smartphone angeblich sogar in Frankreich nicht funktioniere. „Ich habe erfahren, dass hier nur das Instagram türkischer Nutzer nicht funktioniert. Das ist wirklich peinlich. Vielen Dank an Herrn Erdoğan, er hat scheinbar unsere Geräte verflucht. Die Jugend ist über diese Verbotspolitik sehr verärgert. Diejenigen, die Festivals und Konzerte verbieten oder Journalisten und Künstler zensieren, stoßen auf wachsenden Widerstand. Bei der letzten Wahl erhielten sie bereits eine Lektion von jungen Wählern, die sie nicht verstanden haben. Die Hoffnung besteht, dass junge Menschen bei der nächsten Wahl Erdoğan und die AKP endgültig abstrafen werden.“

dpa/dtj