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Gesellschaft

Iran sorgt mit neuer Hinrichtung für Entsetzen

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Mit der Hinrichtung eines zweiten Demonstranten spitzt sich die Lage im Iran weiter zu. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, heißt es von Systemgegnern. In Brüssel werden unterdessen weitere Sanktionen verhängt – auch, aber nicht nur wegen Menschenrechtsverletzungen.

Die erneute Hinrichtung eines Demonstranten im Iran hat in Europa für Entsetzen und Empörung gesorgt. Die Außenminister der EU-Staaten verurteilten am Montag geschlossen die Exekution des wegen „Kriegsführung gegen Gott“ angeklagten Madschid-Resa R. und forderten die sofortige Annullierung aller noch nicht vollstreckten Todesurteile. Zudem wurden weitere Sanktionen verhängt – einerseits wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen rund um die seit bald drei Monate andauernden Proteste im Iran, andererseits wegen der iranischen Unterstützung des russischen Krieges gegen die Ukraine.

Die Sanktionen wegen der Menschenrechtsverletzungen treffen nach dem Beschluss der Außenminister 20 Personen sowie die staatliche Rundfunkgesellschaft IRIB. Letzterer wird von der EU vorgeworfen, aktiv an der Organisation und Ausstrahlung von durch Einschüchterung und schwere Gewalt erzwungenen „Geständnissen“ von Regimekritikern beteiligt zu sein. Diese „Geständnisse“ werden demnach häufig im Anschluss an öffentliche Proteste oder vor einer Hinrichtung ausgestrahlt, um ein Aufbegehren der Öffentlichkeit gering zu halten.

Revolutionsgarden werden sanktioniert

Unter den betroffenen Personen sind laut EU-Amtsblatt unter anderem Befehlshaber des Korps der Iranischen Revolutionsgarden. „Wir haben mit dem Sanktionspaket insbesondere diejenigen in den Blick genommen, die für diese Hinrichtungen, die für diese Gewalt gegen unschuldige Menschen verantwortlich sind“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Montag in Brüssel. Die Exekutionen bezeichnete sie als unglaubliche Verbrechen und als unverhohlenen Einschüchterungsversuch gegen Menschen, die ihre Meinung auf die Straße tragen. Sie seien ohne einen fairen Prozess erfolgt.

Kurz vor dem Beginn des Außenministertreffens war bekannt geworden, dass iranische Behörden im Zuge der systemkritischen Proteste einen zweiten Demonstranten hinrichten ließen. Madschid-Resa R. wurde nach Angaben der Justiz am Montag in der Stadt Maschad im Nordosten des Landes öffentlich gehängt. Der Mann soll während der Proteste im November zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer getötet haben.

Systemgegner kündigen Rache an

Zuvor war am vergangenen Donnerstag bereits der Rap-Musiker Mohsen S. hingerichtet worden. Seine Exekution war die erste gewesen, die im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten seit Mitte September bekanntgeworden war. Mohsen S. soll ein Basidsch-Mitglied mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben.

Die Nachricht der Hinrichtung löste im Iran Empörung und Wut aus. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ oder „Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen“ waren Reaktionen der Systemgegner in sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung „Resalat“ schrieb hingegen: „Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger“.

Auslöser der derzeitigen Proteste im Land war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Zehntausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.

Tausende Festnahmen, auch Kinder unter den Toten

Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden bisher mindestens 18.000 Teilnehmer von Demonstrationen festgenommen, mehr als 475 Demonstranten sollen bei den Protesten getötet worden sein. Demonstranten werden von der Staatsführung immer wieder als Terroristen oder Krawallmacher bezeichnet. Die Organisation Amnesty International veröffentlichte am Montag einen Bericht, demzufolge mindestens 44 Kinder und Jugendliche durch „rechtswidrige Gewalt“ der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen seien. Die Angaben können nicht unabhängig verifiziert werden.

Bereits Mitte Oktober und Mitte November hatte die EU erste Sanktionspakete wegen der Geschehnisse im Iran beschlossen. Sie richteten sich unter anderem gegen die iranische Sittenpolizei und den inneren Machtzirkel der Revolutionsgarden. Insbesondere wurden auch Mitglieder der Basidsch-Milizen sanktioniert, die von der EU für den Tod mehrerer Demonstranten verantwortlich gemacht werden.

Moderate Kreise im Land warnen derzeit vor einer weiteren Eskalation und fordern unter anderem Neuwahlen, um die politische Krise friedlich zu beenden. Für sie sind Präsident Ebrahim Raisi, seine Regierung sowie die Hardliner im Parlament und in der Justiz nicht mehr tragbar. Beobachtern zufolge rückt eine derartige Option nach der Hinrichtung des zweiten Demonstranten und der voraussichtlichen Vollstreckung weiterer Todesurteile allerdings in weite Ferne.

dpa/dtj

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