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Politik

Kann Erdoğan den Ukraine-Krieg verhindern?

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Erdoğan
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Die gegenwärtige Ukraine-Krise wird auch in der Türkei mit besonderem Augenmerk verfolgt. Sie könnte dem Land großen Schaden zufügen. Deshalb versucht sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan als Vermittler und könnte damit auf internationaler Bühne punkten.

In den USA und Europa wächst die Sorge vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine. Mehrere Staaten – darunter Deutschland – riefen ihre Bürger am Samstag zur Ausreise aus der Ukraine auf. Die US-Regierung rechnet mit einem möglichen russischen Einmarsch in das Nachbarland noch vor Ende der Woche. Russland bestreitet das und wirft seinerseits den USA vor, mit Warnungen vor einer russischen Aggression die Kriegsgefahr selbst zu erhöhen.

In einem Telefonat warnte US-Präsident Joe Biden Russlands Staatschef Wladimir Putin eindringlich vor einem Einmarsch in die Ukraine. Das Weiße Haus teilte am Samstag nach dem Gespräch mit, Biden habe betont, eine Invasion würde „großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern“. Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Biden habe erneut klargemacht, die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber „ebenso auf andere Szenarien vorbereitet“.

Türkei muss bei NATO-Entscheidung mitziehen

Zu den Verbündeten der USA gehört im Rahmen der Mitgliedschaft in der NATO auch die Türkei. Die Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan steht vor einer schwierigen Situation. Auf der einen Seite ist die Ukraine ein wichtiger Bündnispartner. Allein 2021 flossen türkische Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar in die ukrainische Wirtschaft. Das bilaterale Handelsvolumen lag bei rund 7,4 Milliarden US-Dollar. Somit zählt die Türkei nicht nur zu den wichtigsten fünf Handelspartnern der Ukraine, sondern ist gleichzeitig auch der größte ausländische Investor im Land. Die ukrainische Bevölkerung wiederum zählt als wichtige Touristengruppe für die Türkei.

Große Abhängigkeit zu Russland

Auf der anderen Seite hat die Türkei trotz einer komplizierten geopolitischen Vergangenheit mit Russland eine wichtige wirtschaftliche Abhängigkeit zum Land. Dabei geht es um viel mehr als die mehr als fünf Millionen russischen Touristen. Eine Verschlechterung der türkischen Beziehungen zu Russland könnte beispielsweise bedeuten, dass Moskau den Gashahn zudreht. Satte 40 Prozent des türkischen Gasbedarfs werden mit Importen aus der Russischen Föderation abgedeckt. Ein solches Szenario könnte die ohnehin stark belastete türkische Lira weiter belasten. Experten wie der türkische Journalist Serkan Demirtaş, der im Interview mit BBC Turkish über die möglichen Konsequenzen eines Ukraine-Krieges für die Türkei sprach, erinnert beispielsweise an die Folgen des Abschusses eines russischen Kampfjets durch das türkische Militär an der Grenze zu Syrien. Damals hatte es harte Sanktionen durch Russland gegeben, die vor allem die türkische Tourismusbranche getroffen hatten.

Erdoğan als Friedensstifter?

Schon allein der Verkauf von sechs unbemannten Kampfdrohnen des türkischen Modells „Bayraktar“ an die Ukraine sorgte für Spannungen in den türkisch-russischen Beziehungen. Im Falle einer NATO-Entscheidung, Sanktionen gegen Russland einzuleiten, müsste sich die Türkei als Partnerstaat daran beteiligen.

In jedem Fall wird es extrem kompliziert für die türkische Regierung, eine neutrale Position im Ukraine-Konflikt einzunehmen. Nicht ohne Grund versucht der türkische Staatspräsident in diesem Zusammenhang also eine Vermittlerrolle einzunehmen. Es ist seine einzige Chance, in dieser Krise so wenig Schaden wie möglich zu nehmen. Erdoğan versucht nach wie vor, den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selensky und dessen russischen Gegenüber Wladimir Putin an einen Tisch zu bringen, womöglich in der Türkei.

Das Angebot des türkischen Präsidenten nahm Kiew an, die Reaktion aus Moskau war jedoch eher verhalten ausgefallen. Angenommen diese Haltung der Russen würde sich verändern, könnte Erdoğan international eine besondere Position als „Friedensstifter“ einnehmen. Nach mehreren diplomatischen Krisen mit westeuropäischen Staaten könnte dies das Image des Landes und von ihm mächtig aufpolieren.

Mit Material von dpa
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