Lange nach ihrem Tod: „Mevlüde Anne“ wird Namensgeberin eines neues Vereins

Als Mevlüde Genç noch lebte, war sie nicht nur die moralische Instanz ihrer Familie, sondern auch eine der wichtigsten Stimmen der Bundesrepublik Deutschland gegen Hass und für Versöhnung. Nach dem rechtsextremen Brandanschlag von Solingen im Mai 1993, bei dem fünf Mitglieder ihrer Familie ums Leben kamen, erhob sie sich nicht zum Racheengel, sondern zur Friedensbotschafterin. Diese Rolle wird ihr auch lange nach ihrem Tod zuteil.
Seit ihrem Tod im Oktober 2022 ist eine Lücke entstanden, die mehr ist als eine familiäre. Es ist eine Lücke im öffentlichen Gedächtnis. Um diesem Verlust aktiv zu begegnen, hat ihre Familie nun den Verein Mevlüde Genç e.V. gegründet. Die Kinder und Enkelkinder von Mevlüde Genç – namentlich ihr ältester Sohn Kamil Genç sowie Özlem Genç-Evran und Cihat Genç – wollen ihr Vermächtnis sichern, weitertragen und neue Räume für Erinnerung, Bildung und Empowerment schaffen.
Die Botschaft weitertragen
Auf der Vereinswebseite formulieren die Mitglieder ein klares Ziel: „Unser Verein wurde gegründet, um die wertvollen Botschaften von Mevlüde Anne weiterzutragen: Botschaften der Versöhnung, des Zusammenhalts und des friedlichen Zusammenlebens.“
Diese Botschaft wird konkret durch verschiedene Projekte. Allen voran durch die jährliche Mevlüde-Genç-Rede, die künftig immer am 29. Mai stattfinden soll – dem Jahrestag des Brandanschlags. Eingeladen werden herausragende Persönlichkeiten, die sich für die Ideale von Genç stark machen. Die erste Mevlüde-Genç-Rede hielt 2024 Ferda Ataman, die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung.
Erinnern heißt handeln
Der Verein will nicht nur für Worte stehen, sondern auch für Taten. In der Bildungsarbeit und Gedenkkultur engagiert er sich mit Schulworkshops, Podiumsdiskussionen und der Mitorganisation des Gedenktags in Solingen. Damit wird die Erinnerung wachgehalten und in konkrete antirassistische Arbeit überführt.
Ein besonderes Symbolprojekt ist der geplante Wiederaufbau des Hauses in der Unteren Wernerstraße, das beim Anschlag 1993 zerstört wurde. Es soll ein Ort des Gedenkens, des Lernens und der Begegnung entstehen. Ein Mahnmal gegen das Vergessen – und für die Zukunft.
Mevlüde Genç Fellowship: Gegen antimuslimischen Rassismus
Mit dem neu gestarteten Mevlüde Genç Fellowship geht der Verein noch einen Schritt weiter: Es ist ein bundesweites Förderprogramm, das gezielt junge Menschen stärkt, die selbst von antimuslimischem Rassismus betroffen sind und aktiv in ihren Communities Veränderung bewirken wollen.
Das Programm wird unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Landeszentrale für politische Bildung NRW im Rahmen von „Demokratie leben!“. In einem intensiven Jahresprogramm erhalten Fellows nicht nur Weiterbildung, sondern auch Mentoring, Coaching und die Möglichkeit, ein eigenes Projekt umzusetzen.
Das Ziel: Junge Vorbilder befähigen, lokal wie bundesweit Wirkung zu entfalten – ganz im Geiste von Mevlüde Genç.
Bewerbungsschluss für das Fellowship ist der 8. Juli 2025.