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Muslimische Kulturwoche: „Wir zeigen die Vielfalt, ohne sie auf Klischees zu reduzieren“

  • September 23, 2025
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Muslimische Kulturwoche: „Wir zeigen die Vielfalt, ohne sie auf Klischees zu reduzieren“

Am vergangenen Freitag wurde die 5. Muslimische Kulturwoche mit einem Konzert offiziell eröffnet. Der Projektleiter spricht von einem „Labor, in dem man die Kunst des friedlichen Zusammenlebens“ erlerne. Doch so richtig los geht es erst am kommenden Montag.

In der Zeit von 29. September bis zum 5. Oktober wird Berlin zur Bühne für über 60 Veranstaltungen, getragen von 50 Institutionen und 80 Ehrenamtlichen, die seit Monaten an dem Gelingen der Muslimischen Kulturwoche arbeiten. Auf dem Programm stehen Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge und interaktive Workshops. Doch die Muslimische Kulturwoche – kurz MKW – ist weit mehr als ein bunter Reigen kultureller Angebote. Sie ist, so formuliert der Projektleiter Levent Kılıçoğlu, „ein Labor, in dem man die Kunst des friedlichen Zusammenlebens“ erlerne.

Die Veranstaltungen sollen zeigen, wie Dialog gelingen kann, Vorurteile abgebaut und Brücken zwischen unterschiedlichen Milieus gebaut werden können. Das Ziel: ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe. „Egal ob man selbst Muslim ist oder nicht – diese Woche richtet sich an alle Berlinerinnen und Berliner“, sagt Kübra Dalkılıç vom Projektteam. „Wir wollen sichtbar machen, wie vielfältig muslimisches Leben in dieser Stadt ist. Und wir laden alle ein, gemeinsam mit uns die Vielfalt zu feiern.“

Zwischen Tradition und Moderne

Besonders spannend ist die Mischung aus traditionellen und modernen Formaten. In einem Workshop begegnen sich arabische, lateinische und hebräische Kalligraphiekunst. Neben klassischem Musikrepertoire werden zeitgenössische Theaterstücke aufgeführt. Auch ein Podcast gehört zum Programm: Hier sprechen junge Menschen über das muslimische Leben Berlin und über den Dialog. „Das Besondere an dieser Woche ist, dass wir nicht in Stereotypen denken“, sagt Kılıçoğlu. „Wir zeigen die Vielfalt, ohne sie auf Klischees zu reduzieren.“

Flankiert wird das Programm von einer Podiumsdiskussion, die bereits vor der eigentlichen MKW stattfindet: „Bildung und Belonging: Muslimische Menschen in der Migrationsgesellschaft“ heißt es am 27. September. Schon die Begriffe machen deutlich, worum es geht: um Zugehörigkeit, Teilhabe und die Frage, welche Rolle Bildung dabei spielt. Die Eröffnungsrede der Diskussion wird die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, Stefanie Remlinger, halten. Über die Wichtigkeit der Veranstaltung sagt sie: „Bildung ist der Schlüssel zu sozialem Aufstieg, Selbstverwirklichung und individueller Freiheit.“ Vor allem Sprachbildung sei entscheidend, um sich selbst auszudrücken und an gesellschaftlichen Debatten teilzunehmen.

Neben Remlinger diskutieren auf dem Podium die Diplom-Pädagogin Amal Benchakroun, die ugandisch-schwedische Musikerin Jaqee Nakiri und Lehrer Enes Bağ. Die zentrale Frage der Diskussion lautet: Entsteht Zugehörigkeit durch individuelle Anpassung oder durch kollektive Aushandlung?

Hass überwinden: Von Feinden zu Brüdern

Die wohl emotionalste Veranstaltung der MKW findet am 30. September statt. Gezeigt wird dann der preisgekrönte Dokumentarfilm „The Imam and the Pastor“. Er erzählt die Geschichte von Imam Muhammad Ashafa und Pastor James Wuye aus der nigerianischen Stadt Kaduna. In den 1990er Jahren kämpften beide auf verfeindeten Seiten. Ashafa verlor Angehörige, Wuye seine rechte Hand. Doch 1995 entschieden sie sich, den Hass hinter sich zu lassen. Heute leiten sie gemeinsam das Interfaith Mediation Centre, eine weltweit anerkannte Einrichtung für Friedensarbeit.

Vor der Filmvorführung wird Emine Demirbüken-Wegner, Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, eine Rede halten. Über die MKW sagt sie: „Die Muslimischen Kulturwochen sind ein starkes Signal für Zusammenhalt und gegenseitigen Respekt. Sie zeigen, dass Vielfalt keine Herausforderung, sondern die tragende Kraft unserer Gesellschaft ist.“

Über zehn Veranstaltungen im Forschungszentrum Dahlem

In diesem Jahr finden zum ersten Mal über zehn Programmpunkte zentral im Forschungszentrum Dahlem statt. Eine Ausstellung zeigt die Werke des Meisters des Sini-Stils, Haji Noor Deen Mi Guangjiang. Er ist ein chinesischer Kalligraph der Hui-Minderheit, geboren im Jahre 1963 in der Provinz Shandong. Er verbindet traditionelle arabische Kalligraphie mit chinesischer Pinselkunst. Seine Werke werden weltweit ausgestellt, unter anderem im British Museum, und er ist der erste Chinese, der ein offizielles Zertifikat für arabische Kalligraphie erhielt.

Hier geht es zum Programmheft der MKW.

Islam in Berlin (neu) entdecken

Nicht alle Programmpunkte sind gesellschaftspolitisch aufgeladen. Manche wollen einfach neugierig machen, den Blick öffnen. So führt eine Stadtführung zu „111 Orten in Berlin, die vom Islam erzählen“. Ein Lyrikabend mit dem Titel „Stimmen der Sehnsucht“ lässt Dichterinnen und Dichter in Arabisch, Persisch, Türkisch, Kurdisch und Deutsch auftreten – begleitet von Musik.

Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit und jenem der offenen Moschee, öffnen im Rahmen der MKW zehn Moscheegemeinden in Berlin ihre Türen. Besonders hervorzuheben ist die Veranstaltung „Die Ästhetik des Gebetsrufs“ in der Ar-Resalah-Moschee, bei der der Ruf zum Gebet als musikalisch-spirituelles Erbe vorgestellt wird.

Ehrenamt im Fokus

Am 5. Oktober schließt die Woche mit einem Abendkonzert, es treten zehn Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen religiösen Traditionen gemeinsam auf – ein symbolischer Schlusspunkt. Vormittags findet ein Seminar zum Thema „Islam und Ehrenamt“ statt. Hier treffen sich Vereine, Ehrenamtliche und Initiativen, um über die Rolle des Glaubens im freiwilligen Engagement zu sprechen.

Ziel ist es, ehrenamtliche Arbeit sichtbarer zu machen und Netzwerke zu knüpfen. Gerade in einer Stadt wie Berlin, so die Organisatoren, sei freiwilliges Engagement der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhalte.

Ein starkes Signal aus Berlin

Die Muslimische Kulturwoche hat sich in den vergangenen Jahren von einem kleinen Projekt zu einem Ereignis entwickelt, das weit über Berlin hinausstrahlt. Der Tagesspiegel begleitet sie als Medienpartner, die rbb und lokale Medien berichten und Berliner Vereine und Stiftungen unterstützen das Projekt mit Ideen und in der Umsetzung.

In einer Zeit, in der gesellschaftliche Gräben tiefer zu werden scheinen, setzt die MKW auf das einfache, aber anspruchsvolle Mittel des Dialogs. Berlin eignet sich dafür bestens als Ort, an dem viele Kulturen und Religionen zusammenkommen.

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