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Politik

Nach zahlreichen „Genozid“-Beschlüssen: Wird die Türkei weitere Botschafter abziehen?

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Derzeit gibt es weltweit sieben Hauptstädte ohne türkischen Botschafter. Die letzten beiden Rückrufe standen im Zusammenhang mit 1915/16. Österreich und der Vatikan hatten in diesem Zusammenhang von einem „Genozid“ gesprochen.

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Mit dem Rückruf des türkischen Botschafters aus Österreich sind es mittlerweile sieben oberste diplomatische Geschäftsträger, die seitens Ankaras im Laufe der letzten Jahre aus unterschiedlichen Gründen aus ihren Zielländern zurückgerufen worden waren. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie reichen von bilateralen politischen Spannungen bis hin zu Sicherheitsbedenken.

Derzeit verfügt die Türkei über keine Botschafter in Syrien, Ägypten, Israel, Libyen, dem Jemen und dem Vatikan, nun auch in Österreich. Es könnten jedoch im Zusammenhang mit den internationalen Gedenkveranstaltungen zu den Ereignissen von 1915/16 noch weitere dazukommen. So bleibt beispielsweise offen, wie Ankara auf die Situation in der Russischen Föderation reagieren wird, wo Präsident Vladimir Putin im Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen von „Völkermord“ gesprochen hatte. Es ist unklar, ob es eine neuerliche Entschließung der Staatsduma dazu geben wird, nachdem es bereits 1995 zu einer Anerkennung des so genannten „armenischen Genozids“ gekommen war. Armenien ist ein wichtiger außenpolitischer Verbündeter der Russischen Föderation.

Bereits im Jahre 2010 hatte die Türkei ihren Botschafter in Israel, Oğuz Çelikkol, zurückbeordert, nachdem israelische Sicherheitskräfte mit dem Schiff „Mavi Marmara“ einen Teil einer Hilfsflotte gestürmt hatte, die im Begriff war, die Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen. Seit dieser Eskalation in den ohnehin schon zuvor angespannten Beziehungen wurden die diplomatischen Kontakte zwischen beiden Ländern auf ein sekundäres Level herabgestuft.

Vier Länder des „Arabischen Frühlings“ ohne türkische Botschafter

Im Jahre 2012 wurde der türkische Botschafter in Syrien, Ömer Önhon, infolge der sich zuspitzenden Situation zurückgerufen und die Botschaft geschlossen. Dies vollzog sich zwei Tage, nachdem der damalige Premierminister Recep Tayyip Erdoğan diesen Schritt erstmals öffentlich ins Spiel gebracht hatte. Wenig später erklärte Ankara, man erkenne den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad nicht mehr als legitimen Präsidenten an.

Im Jahre 2013 folgte der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Ägypten. Kairo hatte den türkischen Botschafter damals infolge von Spannungen zwischen beiden Ländern zur „persona non grata“ erklärt. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten hatten sich damals massiv verschlechtert, nachdem die Türkei scharfe Kritik am Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Muhammad Mursi am 3. Juli 2013 geübt hatte. Seit dieser Zeit hat die Türkei keinen neuen Botschafter mehr nach Kairo geschickt.

Der Botschafter in Libyen wurde abgezogen, nachdem nach dem Putsch gegen den langjährigen Staatschef Muammar al-Gaddafi Differenzen zwischen beiden Ländern aufgetreten waren. So verweigerte Tripolis die Akkreditierung des von der Türkei benannten Botschafters Ahmet Doğan. Bis heute hat die Türkei keinen Botschafter mehr in dem seither gespaltenen und bürgerkriegsgeschüttelten Land. Libyen selbst hat seinen Botschafter 2014 aus der Türkei zurückgezogen.

Nur im Jemen waren Sicherheitsgründe entscheidend

In diesem Jahr gab es bereits mehrere Fälle, in denen die Türkei ihre Botschafter nach Hause geholt hat. Im Februar waren Sicherheitserwägungen dafür Ausschlag gebend, dass alle Diplomaten, darunter auch Botschafter Fazlı Çorman, aus der Botschaft in Sanaa abgezogen wurden, nachdem im Jemen die Kämpfe zwischen den schiitischen Huthi-Milizen und radikal sunnitischen Verbänden auch in der Hauptstadt eskaliert waren.

Am 12. April rief Ankara seinen Botschafter aus dem Vatikan zurück, nachdem Papst Franziskus im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1915/16 den Begriff „Genozid“ benutzt und damit den Reigen der diesbezüglichen Bewertungen durch Drittstaaten eröffnet hatte.

Aus dem gleichen Grund wurde zuletzt am 22. April der türkische Botschafter in Wien zurückbeordert, nachdem dort das Parlament die Massaker von vor hundert Jahren als „Genozid“ bezeichnet hatte.