Politik
Deutschland: Strafanzeige wegen NSA-Tätigkeit
Mit einer Strafanzeige gegen eine noch nicht konkretisierte Anzahl an Personen möchte die „Internationale Liga für Menschenrechte“ eine gerichtliche Aufarbeitung der NSA-Affäre erzwingen. Die Erfolgsaussichten sind überschaubar. (Foto: reuters)
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Die im letzten Sommer im Mittelpunkt der Medienberichterstattung stehende Geheimdienstaffäre rund um die Enthüllungen über die Zusammenarbeit der NSA und befreundeter Dienste bei der Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation auch in mit den USA verbündeten Staaten ist in den letzten Wochen zunehmend aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit verschwunden.
Nun möchte die der Partei „Die Linke“ nahe stehende „Internationale Liga für Menschenrechte“ zusammen mit ihrem Vizepräsidenten Dr. Rolf Gössner, dem Chaos Computer Club e.V. Hamburg und dem Datenschutzverein digitalcourage e.V. das Thema wieder aus der Vergessenheit reißen und hat dazu eine „Strafanzeige gegen Geheimdienste und Bundesregierung wegen geheimdienstlicher Massenüberwachung und –ausforschung durch NSA & Co.“ beim Generalbundesanwalt erstattet.
Die Strafanzeige richte sich, so die Initiatoren, gegen US-amerikanische, britische und auch deutsche Geheimdienste (Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) und namentlich gegen die jeweils zuständigen Leiter, die „über enge Kooperationen in diese flächendeckenden Geheimdienstaktivitäten verstrickt und mit uferlosen Datenübermittlungen an diesem globalen Ausforschungssystem und den Datenexzessen unmittelbar und mittelbar beteiligt sind“.
Im Fall einer Abweisung soll der EGMR ermitteln
Die Anzeige richte sich zudem gegen „die Bundeskanzlerin und den Bundesinnenminister als Verantwortliche für die mutmaßliche Mittäter- und Gehilfenschaft bundesdeutscher Geheimdienste“ sowie schließlich „gegen die gesamte Bundesregierung sowie gegen alle zuständigen Amtsvorgänger während der letzten beiden Jahrzehnte“.
Die anlasslose Massenüberwachung und Ausforschung der Bevölkerung, die systematische Digitalspionage durch den US-Geheimdienst NSA und andere Geheimdienste und die damit mutmaßlich verbundenen Bürgerrechts- und Strafrechtsverstöße müssten, so die Initiatoren der Anzeige, endlich gerichtlich überprüft und gegebenenfalls geahndet werden. In diesem Zusammenhang seien die Straftatbestände der verbotenen Geheimdiensttätigkeit, der Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, das Ausspähen von Daten und der Strafvereitelung erfüllt.
Das Ergebnis allfälliger Untersuchungen wollen die Initiatoren auch bereits kennen – bzw. was hinter einem allfälligen Scheitern der Strafverfolgung stehen muss. Die „geheimdienstlichen Übergriffe auf die Grundrechte“ sollen in den jeweils unterschiedlich verfassten Staaten „zunächst getrennt vor nationale Justizinstanzen und im Falle der Abweisung hier als Verstoß gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gemeinsam zur Anzeige gebracht werden“ – wobei Letzterer für die Bearbeitung von Strafanzeigen allerdings gar nicht zuständig ist.
US-Bundesgericht: „Kein Verstoß gegen das Verbot unverhältnismäßiger Durchsuchungen“
In der Strafanzeige wird unter anderem die Ladung und Vernehmung des in den USA und mehreren Staaten der Welt wegen Geheimnisverrats gesuchten und nach Russland geflohenen ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden als sachverständiger Zeuge verlangt – „unter der Voraussetzung, dass ihm der notwendige Schutz vor Auslieferung in die USA bzw. vor Kidnapping durch US-Spezial-Kommandos gewährleistet wird.“ Letzteres dürfte nicht erforderlich sein, da bereits durch mehrere Staaten ein EU-Haftbefehl gegen Snowden in Kraft gesetzt worden sein dürfte.
Die Erfolgsaussichten des Unterfangens könnten sich indes als überschaubar erweisen. Erst im Dezember 2013 hat ein US-Bundesgericht das massenhafte Sammeln von Telefondaten durch den Geheimdienst NSA für rechtmäßig erklärt. Das Programm „sauge zwar Informationen über so ziemlich alle Telefongespräche“ in den USA auf, so die Richter. Es verstoße aber nicht gegen das Verbot unverhältnismäßiger Durchsuchungen. Es gebe zudem keine Beweise dafür, dass die Regierung die Daten für etwas anderes als zur Abwehr von Terroranschlägen genutzt habe.
Auch in Deutschland hatte die Tätigkeit der inländischen Geheimdienste und jener der Dienste verbündeter Staaten gesetzliche und vertragliche Grundlagen. Das heute noch gültige Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (im Bundesgesetzblatt 1961) sichert den Amerikanern das Recht zu, eigene Informationen in Deutschland zu sammeln, um das Bündnis vor Bedrohungen zu schützen.
Viele Geheimdienstbefugnisse bereits seit den 50er-Jahren geregelt
Bereits 1950 hatte Bundeskanzler Adenauer den Verbündeten erlaubt, die Postkontrolle auszuweiten. Das G10-Gesetz aus dem Jahr 1968 erlaubt den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern, dem Bundesnachrichtendienst (BND) sowie dem Militärischen Abschirmdienst (MAD), Telekommunikation zu überwachen und Postsendungen zu öffnen. Voraussetzung dafür ist allerdings die schriftliche Genehmigung des Bundesinnenministeriums oder eines Landesinnenministeriums.
Darüber hinaus gibt es auf der Basis der gesetzlichen und vertraglichen Vereinbarungen noch informelle Vereinbarungen, etwa eine Verbalnote zum G-10-Gesetz seitens der Bundesregierung, wonach jeder alliierte Militärbefehlshaber bei einer unmittelbaren Bedrohung das Recht habe, „Schutzmaßnahmen“ zu ergreifen. Auf dieser Basis installierten die Vereinigten Staaten beispielsweise ihr bis 2004 in Verwendung befindliches Spionage-System „Echelon“.
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