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Panorama

„Mundlos und ich holten uns so einen Döner”

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Mundlos, der Döner aß? Terroristen beim Kochen und Salat schnibbeln? Kein schlechter Scherz: Die Aussagen von Urlaubsbekanntschaften im NSU-Prozess haben der Staatsanwaltschaft zufolge durchaus prozessuale Bedeutung. (Foto: reuters)

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Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt - reuters
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Sie machten Urlaub mit den mutmaßlichen Terroristen des NSU, immer wieder trafen sie die drei an der Ostsee – ohne zu ahnen, mit wem sie es in Wirklichkeit zu tun hatten: Am Dienstag sagten im NSU-Prozess Urlaubsbekannte von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe als Zeugen aus. Sie beschrieben Zschäpe als die „Hauswirtschafterin“ der drei, die auch das Geld der Gruppe verwaltete. Für die Bundesanwaltschaft ist dies ein Indiz für die wichtige Rolle der Hauptangeklagten innerhalb der Gruppe.

Es fing damit an, dass die drei eines Abends vorbeikamen, weil sie Partner beim Doppelkopf suchten, im Sommerurlaub 2007 auf einem Campingplatz auf der Insel Fehmarn. „Wir haben nebeneinander gewohnt, Wohnwagen an Wohnwagen“, berichtete Zeugin Karin M. vor Gericht. Es entwickelte sich eine rege Bekanntschaft. „Wir hatten jeden Tag Kontakt“, sagte M.s Ehemann Christian. „Irgendetwas hat man schon zusammen gemacht.“

In den folgenden Jahren trafen sie die drei jeden Sommer, immer auf demselben Campingplatz: „Gerry“, „Max“ und „Lise“, wie sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nannten. „Sehr freundschaftlich“ sei der Kontakt gewesen, sagt Karin M., auch ihre Kinder hätten sich gut mit den dreien verstanden. „Mit Kindern konnten die unheimlich gut umgehen, egal welcher Altersklasse, weil die immer mal ’nen Joke gemacht haben, oder sie mit den Boot mitgenommen“.

Vor allem mit der Familie S. aus Peine entstand ein enger Kontakt. Die Tochter lud die drei sogar zu ihrem 17. Geburtstag ein – „da waren sie übers Wochenende bei uns“, berichtet Wolfgang S.. Der Diplom-Informatiker und seine Frau – auch sie Informatikerin – unterhielten sich mit Mundlos öfter über Computer. „Max war sehr agil und wenn es um die ganze Computerwelt ging, sehr wissend“, sagte Ursula S.

Immer nur bar bezahlt und an der kurzen Leine gehalten

Das ist eine Erkenntnis dieses Verhandlungstags: In welchen unterschiedlichen Milieus sich die drei offenbar problemlos bewegen konnten. Einerseits die Akademiker-Familien an der Ostsee – andererseits die dumpfe Nachbarschaftsrunde in Zwickau, mit der Beate Zschäpe regelmäßig im Partykeller saß, und wo sich keiner über ein Hitler-Porträt auf dem Fernseher wunderte, wie ein anderer Zeuge am Dienstag berichtete.

Aufgefallen ist den Urlaubsfreunden nur, dass die drei immer in bar zahlten. Einmal habe „Max“ – Uwe Mundlos – mehrere hundert Euro für ein Surfbrett und Segel hingelegt. Das Geld habe Zschäpe verwaltet, berichteten die Zeugen. Sie habe ihr einmal gesagt, „dass die Jungs in die Urlaubskasse einzahlen und sie es dann verwaltete“, sagte Karin M.. „Frau Zschäpe war immer die Hauswirtschafterin, hat Essen bereitet, Salat geschnibbelt, Schaschlik aufgespießt.“ Kurz: „Sie hat die beiden bemuttert.“

„Max und Gerry hatten höchstens mal ’nen Zehner in der Tasche“, sagte Wolfgang S. Dazu fällt ihm ein Beispiel ein, das die Zuschauer im Saal stutzig machte: „Ich war mit Max mal in der Stadt an der Bude und wir haben so einen Döner geholt.“ Uwe Mundlos? Döner? So sagte es der Zeuge.

Für die Anklage sind die Aussagen der Urlaubsfreunde wichtig, weil es um Zschäpes Rolle innerhalb der Gruppe geht – die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mittäterschaft an sämtlichen Attentaten des NSU vor, darunter zehn Morde.

Ob es jemanden gab, der in der Gruppe den Ton angab, wollte der psychiatrische Sachverständige Henning Saß wissen. „Es war ausgeglichen“, meinte Karin M.. „Max“ habe den Ton angegeben, wenn es um Sport ging, „Gerry“, wenn es um Handwerkliches ging, „Lise“ beim Essen und Kochen. „Jeder hat das eingebracht, was er am besten konnte.“ Alle vier Zeugen beschreiben den Umgang der drei miteinander als sehr harmonisch, freundschaftlich, fürsorglich. Wenn es abends kühl wurde, holten die „Jungs“ eine Decke für Zschäpe.

Umso größer sei der Schock gewesen, als im November 2011 der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) aufflog und die Bilder der drei in den Medien waren, sagte Karin M.. „Ich war platt, ich hätte es im Leben nicht geglaubt, und ich glaube es noch immer nicht. Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie man sich so täuschen kann.“

Heute soll Zschäpes Mutter gehört werden

Zu Verhandlungsbeginn hatte Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer beantragt, der psychiatrische Sachverständige Saß solle sich im Gerichtssaal weiter von der Angeklagten weg setzen. Er äußerte die Befürchtung, Saß könne ansonsten vertrauliche Gespräche zwischen Zschäpe und ihren Anwälten mithören. „Durch die Sitzordnung darf eine effektive Verteidigung nicht beschränkt werden.“

Saß soll unter anderem begutachten, ob Zschäpe möglicherweise in Sicherungsverwahrung muss. Der emeritierte Psychiatrieprofessor saß im Gerichtssaal etwa zwei Meter von der Hauptangeklagten entfernt. Er rückte nach dem Antrag einen Platz weiter. Zschäpe hatte es vor Prozessbeginn abgelehnt, mit dem Psychiater zu sprechen. Auch im Prozess schweigt sie bislang. Am Mittwoch soll unter anderem die Mutter von Beate Zschäpe gehört werden. (dpa)