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Papst Leo XIV. reist erstmals ins Ausland – sein Weg führt ihn in die Türkei

  • Oktober 16, 2025
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Papst Leo XIV. reist erstmals ins Ausland – sein Weg führt ihn in die Türkei

Papst Leo XIV. wird im kommenden Monat seine erste Auslandsreise antreten – und sie führt ihn in die Türkei. Der neue Pontifex besucht damit ein Land, das wie kaum ein anderes für die Begegnung zwischen Christentum und Islam steht. Seine Reise nach İznik, dem historischen Nicäa, knüpft an die Ursprünge des Christentums an – und setzt zugleich ein starkes Signal für den interreligiösen Dialog.

Seit dem 8. Mai 2025 ist Papst Leo XIV. im Amt und bis dato hat er noch keine Auslandsreise unternommen. Umso überraschender ist es, dass gleich die erste davon ihn in die Türkei führen wird. Dies hat das vatikanische Presseamt letzte Woche Dienstag mitgeteilt. Vom 27. bis 30. November will er voraussichtlich dort bleiben und sich schwerpunktmäßig in İznik (Provinz Bursa) aufhalten – dem alten Nicäa.

Dort fand vor exakt 1.700 Jahren, im Jahr 325, das erste Konzil der Katholischen Kirche statt. Ein Jahr nach Erlangung der Alleinherrschaft Kaiser Konstantins im Römischen Reich stand dieses im Zeichen des Arianismus-Streits. Das Ergebnis des Konzils ist heute die Grundlage der Glaubensbekenntnisse der meisten christlichen Gemeinschaften. Nicäa war aber auch ein frühes Symbol für den universellen Anspruch des Christentums – und könnte nun zum Schauplatz eines Bekenntnisses zur Verständigung werden.

Im Anschluss an den Besuch in der Türkei will der Papst in den Libanon weiterreisen. Ein genaueres Programm für den dreitägigen Aufenthalt dort gibt es noch nicht. Der Besuch dürfte jedoch im Zeichen von Friedensinitiativen und interreligiösem Dialog stehen.

Erste Papstbesuche in der Türkei gerieten zu heiklen Angelegenheiten

Die Türkei mit ihrer reichen christlichen Geschichte war mehrfach Ziel päpstlicher Besuche. 1967 reiste Paul VI. als erstes katholisches Kirchenoberhaupt offiziell ins Land, besuchte u.a. Ephesus und betete in der Hagia Sophia, die seit ein paar Jahren wieder als Moschee dient. 1979 folgte Johannes Paul II., ebenfalls mit Stationen in Ephesus, Istanbul und Ankara. Sein Besuch war von rechtsextremer Kritik begleitet; zwei Jahre später verübte ein Angehöriger der Grauen Wölfe ein Attentat auf ihn.

Ein weiterer bedeutsamer Termin von Johannes Paul II. mit Türkei-Bezug war der 9. Februar 1998. An diesem Tag empfing er den im letzten Jahr verstorbenen Fethullah Gülen, der einen Großteil seines Lebens dem Interreligiösen Dialog gewidmet hatte.

2006 besuchte Benedikt XVI. das Marienhaus bei Ephesus und die Blaue Moschee, sein Besuch war von Kontroversen um eine Regensburger Rede überschattet. Papst Franziskus reiste im November 2014 in die Türkei. Er war von Beginn seiner Amtszeit an unmissverständlich für den Interreligiösen Dialog eingetreten. Franziskus traf  unter anderem den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I.

Leo XIV. will Weg des Interreligiösen Dialogs im Sinne seines Vorgängers fortsetzen

Auch Papst Leo XIV. hat sich bereits bei mehreren Gelegenheiten für den Interreligiösen Dialog und insbesondere den Dialog mit Muslimen ausgesprochen. Der Aufbau von Brücken und das Streben nach Frieden, so betonte er, seien zentrale Aufgaben aller Religionsgemeinschaften. Leo benannte Papst Franziskus als Vorbild, da dieser den interreligiösen Weg besonders durch menschliche Begegnung und gegenseitige Wertschätzung gefördert habe.

In Botschaften an internationale Religionskongresse rief er dazu auf, Synergien für Frieden und Brüderlichkeit zu schaffen. Religion solle „als Quelle von Heilung und Versöhnung dienen – und nicht als Ursache für Konflikte“. Im Zusammenhang mit dem Dialog mit dem Islam und anderen abrahamitischen Religionen nahm Leo XIV. insbesondere auf das Konzilsdokument „Nostra aetate“ Bezug, das von der Bedeutsamkeit gegenseitiger Wertschätzung und Zusammenarbeit für das Gemeinwohl kündet.

Ein Statement für Religionsfreiheit – und gegen politische Instrumentalisierung

Dass Papst Leo XIV. bereits im Rahmen seiner ersten Reise die Türkei besucht, ist aus mehreren Gründen bedeutsam. Ein frühzeitiger Besuch in einem mehrheitlich muslimischen Land ist ein deutliches und wichtiges Statement für den Interreligiösen Dialog – insbesondere in einer Zeit, in der die politische und ideologische Instrumentalisierung von Religion zunimmt.

Der bevorstehende Papstbesuch zeigt jedoch auch, dass man im Vatikan ein waches Auge auf die Situation der religiösen Minderheiten in der Türkei hat. Gerade in einer Zeit, in der Meinungs- und Religionsfreiheit in der Türkei immer stärker eingeschränkt werden, hat der Besuch eine moralische Bedeutung weit über das Protokoll hinaus. Auch wenn sich die Führung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan gerade anlässlich solcher prestigeträchtigen Termine gerne als Muster-Gemeinwesen und Hort der religiösen Toleranz inszeniert, wird der Papst einen kritischen Blick auf die Realität hinter der Fassade werfen.

Leo XIV. erklärte, die katholische Kirche sei mit Muslimen durch ein wachsendes Engagement für Dialog und Geschwisterlichkeit verbunden. Dieses basiere auf gegenseitigem Respekt und Gewissensfreiheit. Vor allem mit Letztgenannter hatten die Machthaber in der Türkei zuletzt so ihre Schwierigkeiten. Es ist zu wünschen, dass der Papstbesuch auch denjenigen, die in der Türkei politisch verfolgt werden, Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben kann.

Ercan Karakoyun ist Soziologe, Publizist und Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung in Berlin. Seit vielen Jahren engagiert er sich für interreligiösen Dialog, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration in Deutschland. Er ist Mitgründer des interreligiösen Bet- und Lehrhauses House of One.

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Ercan Karakoyun