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Politik

Russland kündigt Abkommen auf: Erdoğan will Putin umstimmen

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17.07.2023, Istanbul: Eine UN-Beamtin des Gemeinsamen Koordinierungszentrums führt eine Inspektion an Bord des mit Getreide beladenen Massengutfrachters "TQ Samsun" aus Odessa durch, während er im Schwarzen Meer in der Nähe der Einfahrt zum Bosporus vor Anker liegt. Foto: Uncredited/United Nations/AP/dpa
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Appelle an Russland und Verhandlungen haben nichts gebracht. Die Vereinbarung zur Ausfuhr ukrainischen Getreides wird vorerst nicht verlängert. Der türkische Präsident will seinen russischen Amtskollegen umstimmen.

Russland hat am Montag das Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gestoppt. Sobald alle Forderungen für die Ausfuhr russischen Getreides erfüllt seien, kehre Moskau wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurück, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Das Abkommen mit Russland und der Ukraine hatte nach mehreren Verlängerungen offiziell bis zum späten Montagabend (23.00 Uhr MESZ) gegolten.

Peskow dementierte, dass die Attacke auf die Krim-Brücke vom Montag Auswirkungen auf die Zukunft des Getreideabkommens habe. „Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse. Sie wissen, dass noch vor dem Terroranschlag, die Position von Präsident Putin geäußert wurde“, sagte er am Montag. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass die Grundlagen fehlten für eine Verlängerung der Vereinbarung.

Damit kommt der Transport von Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über den Seeweg zum Erliegen, obwohl die Ausfuhren vor allem für ärmere Länder wichtig sind. Kremlchef Putin hatte sich bis zuletzt gegen eine Verlängerung gesperrt. Aus seiner Sicht wurden Versprechen, die Russland im Zuge der Vereinbarung gemacht wurden, nicht erfüllt. Am Donnerstag hatte Putin von der Möglichkeit gesprochen, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Zusagen erfüllt seien.

Moskau will mehr Erleichterungen für Düngemittelexporte

Als Gegenleistung forderte Moskau Erleichterungen bei den Sanktionen für seine Dünge- und Lebensmittelexporte, etwa bei Versicherungen, Fracht und auch der Finanzierung. Konkret hatte Russland gefordert, dass seine staatliche Landwirtschaftsbank von den Sanktionen des Westens befreit wird, um Geschäfte abwickeln zu können.

Russland hatte nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Da die Ukraine ein wichtiger Agrarexporteur ist, wuchs weltweit die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Hungerkrisen in den ärmsten Ländern. Im vergangenen Sommer wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei das sogenannte Getreideabkommen ausgehandelt. Das ermöglichte der Ukraine eine Ausfuhr über das Schwarze Meer, allerdings nur in beschränktem Umfang. Vertreter der UN, Russlands, der Ukraine und der Türkei kontrollierten die Schiffsladungen in Istanbul. Das Abkommen wurde mehrfach verlängert, zuletzt Mitte Mai um zwei Monate.

Getreidekrise: Istanbul soll künftig eine wichtige Rolle spielen

Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens. Vor Kriegsbeginn im Februar 2022 lieferten sie fast ein Viertel der Getreideexporte weltweit. Russland war außerdem der weltweit größte Exporteur von Düngemitteln.

Peskow warnt vor Fortsetzung ohne russische Einwilligung

2022 konnte die Ukraine trotz des Krieges auch dank des Getreidedeals mehr als 38 Millionen Tonnen Getreide exportieren und dabei Erlöse von umgerechnet über 8 Milliarden Euro erzielen. Die Einnahmen sind wichtig für den Staatshaushalt des Landes, das sich gegen den russischen Angriffskrieg zur Wehr setzt. Knapp 75 Prozent der Exporte gingen über die Häfen am Schwarzen Meer und der Donau ins Ausland. Gegenüber 2021 ging der Seeexport damit um etwa 23 Prozent zurück.

Eine Fortsetzung ohne russische Beteiligung wäre riskant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. „Es handelt sich um eine Zone, die unmittelbar an das Kampfgebiet grenzt und in der ohne entsprechende Sicherheitsgarantien gewisse Risiken entstehen.“

Der Präsident der von Russland angegriffenen Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hatte zuvor gefordert, die Exporte übers Schwarze Meer auch ohne russische Zustimmung fortzusetzen. Das solle in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Türkei erfolgen. Auch der Landweg soll künftig wieder stärker genutzt werden.

Erdoğan zuversichtlich

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht trotz der festgefahrenen Situation von einer Verlängerung des Abkommens aus. „Ich denke, dass der russische Präsident trotz der heutigen Mitteilung für eine Fortsetzung dieser humanitären Brücke ist“, sagte Erdoğan am Montag vor Journalisten. Er kündigte Gespräche mit Putin an, der in diesen Tagen nicht besonders gut auf ihn anzusprechen sein dürfte. Eine Verlängerung des Abkommens könne noch vor dem für August geplanten Besuch des russischen Präsidenten in der Türkei möglich sein, so der türkische Machthaber weiter. Verhandlungen diesbezüglich seien bereits im Gange.

Am Dienstag verteidigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow das Vorgehen seines Landes gegen die massive internationale Kritik. In einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan beschwerte Lawrow sich einmal mehr über nicht erfüllte russische Forderungen in Bezug auf eigene Exporte, wie das Außenministerium in Moskau am Dienstag mitteilte. Von türkischer Seite gab es zunächst keine Details zum Gesprächsinhalt.

dpa/dtj

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