Seit Beginn des Ukraine-Krieges ist der Export aus der EU nach Russland eingebrochen. Die kurz nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine verhängten Sanktionen sorgen dafür, dass das Handelsvolumen um zwei Drittel zurückging. Eine Analyse des Ifo-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt nun aber, dass vielfach sanktionierte EU-Waren über Drittstatten nach Russland gelangen.
Laut Ifo-Institut stammt die überwiegende Mehrheit der unrechtmäßigen Lieferungen nun aus China, das mittlerweile 61 Prozent der sanktionierten Produkte nach Russland exportiert – fast doppelt so viel wie im Jahr 2021. Allerdings gelangten auch 13 Prozent der sanktionierten Produkte über die Türkei nach Russland. 2021 waren das lediglich knapp 3 Prozent. Und das ist kein Zufall.
Russische Industrie baut auf türkische Technologie
Die Türkei ist Nutznießerin der europäischen Isolation Russlands. Ankara profitiert davon, dass das System der Exportkontrolle ein bürokratisches Monster ist. Besonders Drittstaaten sind kaum zu regulieren. So schaffen es sogar deutsche Werkzeugmaschinen immer wieder am europäischen Zoll vorbei nach Russland. Dort könnten sie in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden, wie Recherchen der „Zeit“ ergaben.
Wie die Türkei von den Russland-Sanktionen profitiert
Der Export sanktionierter EU-Waren ist indes für die kriselnde Wirtschaft am Bosporus nicht die einzige zusätzliche Einnahmequelle des Krieges in der Ukraine. So ergab eine im August durchgeführte Umfrage des Gaidar-Instituts für Wirtschaftspolitik, dass 77 Prozent der russischen Industrieunternehmen planen, Ausrüstungen aus Ländern wie der Türkei zu kaufen – verglichen mit 59 Prozent im Vorjahr.
Schlupfloch Bosporus
Warum der Handel zwischen der Türkei und Russland boomt, ist angesichts der ökonomischen Krise im Land fast offensichtlich. Die Türkei ist auf fremdes Kapital und Investitionen angewiesen. Und besonders an der türkischen Mittelmeerküste finden sich immer mehr russische Unternehmen. Zeitweise sorgte das für einen echten Immobilienboom an der türkischen Riviera.
Warum Russen massenweise Immobilien in der Türkei kaufen
Bei der Wahl der Partner ist man in Ankara traditionell nicht zimperlich. Und so wird die Türkei immer mehr zum Hauptumschlagplatz für den Warenverkehr von und nach Russland in Europa. Der Bosporus fungiert dabei für Russland als Schlupfloch, das es zu nutzen gilt. In den dortigen Häfen werden Güter umgeladen, um sie dann – unter anderer Flagge – in die russischen Schwarzmeerhäfen zu bringen.
Moskau freut sich über anders nicht zu bekommende Ware, und die Türkei vergoldet sich ihr flexibles Rückgrat. Ein gefährlicher, aber lukrativer Pakt zweier Partner, die mit dem Rücken zur Wand stehen.