Politik
Erdoğan: Selbst wenn es einen Deal gab – wichtig ist doch das Ergebnis
Präsident Recep Tayyip Erdoğan verrät weiterhin keine Details darüber, wie es gelungen ist, die 49 Geiseln nach mehr als drei Monaten aus der Gewalt des IS zu befreien. Ein stärkeres Engagement Ankaras gegen den IS ist weiter fraglich.
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Genaue Details über das Zustandekommen der Befreiung von 49 Geiseln aus der Hand der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS; ehem. ISIS) im Irak sind auch am zweiten Tag nach der Freilassung noch nicht bekannt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bestreitet nach wie vor, dass Lösegeld bezahlt worden sei, er deutete aber an, dass es doch ein Tauschgeschäft gegeben habe.
„Ich weiß nicht, was mit ‚Handel‘ gemeint sein soll“, erklärte Erdoğan auf einer Pressekonferenz am Sonntag vor seiner USA-Reise gegenüber Reportern. „Wenn man damit einen materialistischen Begriff davon ansprechen will, dann stand das nie zur Debatte. Aber Verhandlungen im diplomatischen Sinne hat es sehr wohl gegeben. Und am Ende stand ein diplomatischer Erfolg, das Resultat eines politischen Handels.“
Am Samstagmorgen waren die Geiseln nach 101-tägiger Gefangenschaft freigekommen und nach Gaziantep gebracht worden.
„Natürlich wird jeder etwas darüber schreiben, unabhängig davon, ob es tatsächlich einen Tauschhandel gegeben hat oder nicht“, äußerte Erdoğan gegenüber Journalisten. „Was aber hier einzig relevant ist: Ob Deal oder nicht; unsere 49 Bürger sind wieder in der Türkei. Selbst wenn es einen Tausch gegeben haben sollte: Als Präsident achte ich immer zuerst auf meine 49 Bürger. Nichts kann mehr wert sein als meine Bürger. Sie sind jetzt zurück in meinem Land.“
Erdoğan wiederholte, dass mit Ausnahme der Nationalen Geheimdienstorganisation der Türkei (MİT) kein anderer Nachrichtendienst an der Befreiung der Geiseln beteiligt gewesen wäre.
Schicksal der Geiseln als Grund für Verweigerung
Nach der Freilassung dürfte der Druck auf die Türkei wachsen, sich einer internationalen Koalition gegen IS anzuschließen. Die türkische Regierung hatte die Geiseln immer wieder als Hauptgrund dafür angeführt, dass sie sich nicht stärker im internationalen Kampf gegen die sunnitischen Extremisten engagieren könne. Nach der Geiselnahme hatte Ankara eine Nachrichtensperre verhängt.
Bislang hat die Türkei nur humanitäre Hilfe zugesagt. US-Medienberichten zufolge verweigert der Nato-Partner Türkei auch die Nutzung der Luftwaffenbasis İncirlik nahe der syrischen Grenze für US-Luftangriffe auf den IS.
Das „Wall Street Journal“ hatte kürzlich kritisiert, die Türkei sei zwar Nato-Mitglied, verhalte sich aber nicht wie ein Verbündeter der USA. Die „New York Times“ nannte die Türkei „eine der größten Quellen für Rekruten“ für den IS. Erdoğan hatte die Vorwürfe als Teil einer Kampagne gegen die Türkei zurückgewiesen und auf die Sicherheit der 49 Geiseln verwiesen. Diese habe Priorität.
Davutoğlu begleitete Geiseln nach Ankara
Unklar ist, ob die Türkei nun – wie von den USA erwünscht – engagierter gegen den IS vorgehen wird. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Daily Sabah“ hatte kürzlich geschrieben, selbst wenn die Geiseln frei kämen, arbeiteten weitere 80 000 Türken im Irak. „Niemand kann garantieren, dass sie nicht zum Ziel vom IS werden.“
Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sagte, die Befreiung sei das Ergebnis „tagelanger, wochenlanger harter Arbeit“. Er brach eine Auslandsreise ab und flog von Baku aus in die südtürkische Grenzstadt Şanlıurfa. Dort nahm er die Geiseln in Empfang und flog mit ihnen weiter nach Ankara.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich „sehr erleichtert“ über die Befreiung der Geiseln. „Der Türkei gilt heute neben unserer Freude über die Geiselbefreiung vor allem auch unser Dank für die Bereitschaft, die großen Lasten im Zusammenhang mit den Flüchtlingsströmen aus Irak und Syrien zu schultern.“ (dpa/dtj)