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Bildung & Forschung

Russisch-türkische Idee: Experten bezweifeln Nutzen von VR-Brillen für Kühe

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Experten äußern nach Berichten über Virtual-Reality-Brillen (VR) für Kühe Zweifel daran, ob diese Geräte wirklich einen Nutzen für die Milchproduktion haben. Die aus Russland stammende und in der Türkei umgesetzte Idee erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch, erregt aber weiter Aufmerksamkeit.

Ein türkischer Landwirt hatte berichtet, dass die Milchleistung zwei seiner Kühe deutlich gestiegen sei, seit diese täglich für 20 Minuten VR-Brillen trügen. Mehrere Experten halten einen solchen Effekt aber für nicht plausibel: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich 20 Minuten VR-Brille-Tragen leistungssteigernd auswirken“, sagt etwa Benito Weise, der für die niedersächsische Landwirtschaftskammer zu Kühen und Virtual-Reality-Brillen forscht.

Bauer İzzet Koçak hatte berichtet, den Kühen werde vor einem Auge ein Video einer grünen Wiese abgespielt, das andere Auge sei abgedunkelt. Dafür nutze er handelsübliche VR-Brillen. Zusätzlich spiele er den Tieren Musik von Beethoven und Mozart vor. Die tägliche Milchproduktion der beiden Kühe, an denen er die Brillen teste, sei innerhalb einer Woche von 22 auf 27 Liter gestiegen.

Anstieg um mehr als 20 Prozent?

Das wäre ein Anstieg um mehr als 20 Prozent. Koçak erhebt dabei keinen wissenschaftlichen Anspruch: „Das ist keine wissenschaftliche Studie. Das ist amateurhaft. Dessen sind wir uns bewusst“, sagt er. Medien in aller Welt hatten über Koçak berichtet, darunter sogar die New York Times.

Experten bezweifeln jedoch, dass Videos, die auf für Menschen gemachten VR-Geräten abgespielt werden, sich auf Rinder und ihre Milchleistung positiv auswirken. Agraringenieur Weise sagte dazu auf dpa-Anfrage, dass Kühe mehr Einzelbilder pro Sekunde unterscheiden könnten als Menschen.

Sehen Kühe nur Flackern?

Ein wie von Koçak beschriebenes und auf einem Smartphone abgespieltes Video würden Kühe deshalb nicht wie Menschen als entspannendes Naturbild wahrnehmen – sondern wohl als Flackern und es vermutlich sogar als unangenehm oder stressig empfinden. Stress wirke sich aber negativ auf die Milchleistung aus.

Weise vermutet, dass Kühe, die solche VR-Brillen aufgesetzt bekommen, ihre Augen gar nicht dauerhaft offen halten. Auch das würde gegen eine Milchsteigerung durch VR-Brillen-Einsatz sprechen. Darauf, dass die verwendeten Brillen auf Menschen ausgelegt sind, verweist Volker Röttgen vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN).

Bislang kein Beweis für Nutzen von VR-Brillen

Rinder könnten in einem deutlich kleineren Bereich scharf sehen als Menschen und im Nahbereich sehr schlecht. „Es ist stark zu bezweifeln, dass das Rind, selbst wenn es mit einem Auge sehr detailliert wahrnehmen könnte, ein Bild von einer grünen Weide in der VR-Brille erkennen würde“, sagte Röttgen. Das Abgespielte könnten sie zumindest als unangenehm empfinden.

Es sei zwar nicht ungewöhnlich, dass eine Kuh an einem Tag 20 Prozent mehr Milch gebe als die Herde im Durchschnitt. Dies könne aber etwa damit zu tun haben, in welchem Abschnitt der Laktation (milchgebenden Periode) sich das Tier befinde. Viele Faktoren spielten eine Rolle.

Zum Versuch in der Türkei seien nur wenige Informationen bekannt und die Stichprobe sehr gering, sagte Röttgen: „Nach derzeitigem Forschungsstand halte ich eine solche Steigerung der Milchmenge durch eine 20-minütige „Behandlung“ mittels VR Brille für nicht möglich.“

dpa/dtj

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