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Wie sich in Deutschland Rassismus vor Gericht zeigt

  • Oktober 15, 2025
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Wie sich in Deutschland Rassismus vor Gericht zeigt

Routinen und unbewusste Vorurteile können in juristischen Institutionen rassistische Wirkungen entfalten – betroffen sind potenziell Millionen Menschen mit internationaler Familiengeschichte in Deutschland.

Ein Forschungsteam der Universität zu Köln unter Leitung von Soziologin Nicole Bögelein hat über 300 Gerichtsverhandlungen beobachtet. Ziel war es, die Entstehung von Ungleichbehandlung besser zu verstehen. Die Forscherinnen und Forscher dokumentierten, wie sich stereotype Bilder aus Medien und Gesellschaft in der Urteilsfindung widerspiegeln.

So zeigte sich etwa, dass Schwarze Personen ein höheres Risiko für negative Urteile haben, da Richterinnen und Richter unbewusste Vorurteile in ihre Entscheidungen einfließen lassen. Menschen, denen sich Richter sozial näher fühlen – etwa bei Suchterkrankungen oder familiären Problemen – erhalten häufiger mildernde Umstände. Sozialpsychologische Studien bestätigen: Menschen neigen dazu, Angehörige ihrer eigenen sozialen Gruppe zu entschuldigen und anderen weniger zu glauben. Internationale Forschung zeigt sogar, dass weiße Täter geringere Strafen erhalten, wenn ihre Opfer Schwarze sind.

Rechtsexpertin: Rassismus als Problem zu erkennen reicht nicht aus

Einige Bundesländer wie Brandenburg und Hamburg haben Konzepte und Schulungen entwickelt, um Justizmitarbeitende für Diskriminierung zu sensibilisieren. Nordrhein-Westfalen betreibt ein Zentrum für Interkulturelle Kompetenz, das Fortbildungen zu Rassismus und Antisemitismus koordiniert. Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg setzen ebenfalls auf Weiterbildung und Fachtagungen.

Die Bundesregierung erkennt institutionellen Rassismus inzwischen offiziell als Problem an, etwa durch eine neue Definition für die öffentliche Verwaltung. Auch die Mehrheit der Landesjustizministerien sieht laut NDR-Anfragen institutionellen Rassismus grundsätzlich als Herausforderung. Drei Länder – Niedersachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern – sehen hingegen keinen Handlungsbedarf.

Rechtsexpertin Doris Liebscher fordert einen tiefgreifenden Kulturwandel in der Justiz. Institutionellen Rassismus als Problem zu erkennen sei ein erster Schritt – entscheidend sei jedoch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit unbewussten Vorurteilen und Machtverhältnissen.

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