Connect with us

Menschenrechte

Polizeigewalt gegen Kinder in der Türkei? Zwei Schwestern und ihr Leid

Published

on

Die beiden Mädchen Zülal und Zümra sprachen mit Ömer Faruk Gergerlioğlu über ihre traumatischen Erfahrungen mit der türkischen Polizei. Quelle: Zaman Australien
Spread the love

Vergangene Woche nahm die Polizei in Istanbul mehrere Menschen fest, darunter 38 Minderjährige. Zwei Betroffene schilderten nun ihr Martyrium während ihres 16-stündigen Aufenthalts in einer Polizeistation. Die beiden Schwestern berichteten von Misshandlungen, denen sie und andere Kinder während der „Anti-Terror-Operation“ ausgesetzt gewesen seien.

Zülal und Zümra waren am Dienstag zu Gast in der Sendung des Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu. Der DEM-Politiker ist bekannt für seinen Einsatz für Menschenrechte und geriet in der Vergangenheit deswegen mehrfach ins Visier der türkischen Behörden, wurde sogar verhaftet. Die beiden Mädchen schilderten in der Sendung, wie sie kürzlich frühmorgens gegen 5 Uhr bei einer Polizeirazzia in ihrem Zuhause zusammen mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester festgenommen worden seien. Auch ihre kleine Schwester sei durch das Auftreten der Polizisten stark verängstigt worden. „Die Polizisten schrien meine Mutter an und beleidigten sie. Wir alle, besonders meine kleine Schwester, hatten große Angst. Früher dachten wir, Polizisten wären Menschen, die uns schützen“, so Zümra. Zülal gibt die Zahl der Polizisten mit „etwa 15“ an.

Während der Fahrt zur Polizeistation seien die Schwestern bereits im Auto verhört und von ihren Familienmitgliedern getrennt worden. Zümra zufolge sei ihnen bis zum Abend kein Essen angeboten worden. Zülal bestätigt die schlechte Behandlung bei der Festnahme und auf der Station.

Inhaftierte Mutter schwerkrank

Besonders besorgt sind die Schwestern um ihre schwerkranke Mutter, die an Leberzirrhose leide und dringend medizinische Versorgung benötige. Sie bezweifeln, dass sie im Gefängnis die notwendige Behandlung erhält.

Andere schwerkranke Häftlinge in der Türkei waren in der Vergangenheit bereits aufgrund unzureichender Medikation und deren psychischen Auswirkungen gestorben, wie DTJ-Online berichtete. Die Schwestern dürfen ihre Mutter jedenfalls nicht besuchen und haben keine Möglichkeit, anderweitig Kontakt zu ihr aufzunehmen.

Zeuge von weiterer Polizeigewalt gegen Kinder

Die Polizeigewalt habe sich indes nicht nur auf ihre Familie beschränkt. Zülal berichtet in der Sendung, dass sie mitbekommen hätten, wie viele andere Familien ähnlich schlecht behandelt worden seien. In der Polizeistation seien auch jüngere Mädchen anwesend gewesen, die ebenfalls stundenlang verhört und psychisch unter Druck gesetzt worden seien. „Sie fragten die kleinen, kopftuchtragenden Mädchen, ob sie bestimmte religiöse Praktiken ausübten, als wäre dies ein Verbrechen“, so Zülal. Die „Anti-Terror-Operation“ richtete sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Anhänger und Mitglieder der Gülen-Bewegung. Ihr wird vorgeworfen, hinter dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 zu stecken. Die türkische Regierung geht seit Jahren gegen die Bewegung, die sich selbst als „Hizmet“ bezeichnet, vor. Dabei spielen rechtsstaatliche Prinzipien kaum eine Rolle. Dass nun auch Minderjährige verhört oder verhaftet werden, stellt eine neue Eskalationsstufe dar.

Die Schwestern beschreiben die Bedingungen in der Polizeistation als äußerst bedrückend. Zülal habe sich nicht einmal bewegen dürfen und keine Erlaubnis erhalten, Zümra zu umarmen, was ihre Angst und ihr Unwohlsein noch verstärkt habe. „Wir sind alle Kinder, aber sie behandelten uns nicht entsprechend“, so Zümra. „Wir konnten nicht einmal unseren Familien zuwinken.“ Bestätigen lassen sich die Schilderungen nicht. Die Behörden äußern sich sehr selten zu einzelnen Fällen. Obwohl die türkische Regierung stets beteuert, dass es in der Polizei und in den Gefängnissen keine Folter und Misshandlungen gebe, zeichnen Berichte von Betroffenen ein anderes Bild.

Ältere Schwester verpasste Abschlussprüfung

Zülal und Zümra äußern auch ihre Besorgnis über die Zukunft ihrer älteren, ebenfalls festgenommenen Schwester, die im ersten Jahr ihres Jurastudiums sei und aufgrund der Inhaftierung ihre Abschlussprüfungen verpasst habe. „Das hat ihr Leben zerstört“, ist sich Zülal sicher.

Die beiden Schwestern rufen Menschenrechtsorganisationen und die internationale Gemeinschaft dazu auf, auf diese Missstände aufmerksam zu machen und sich für die Rechte der Kinder einzusetzen. „Wir sind nur Kinder und wollen, dass unsere Rechte respektiert werden“, lautet ihr Appell.