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Film/Kultur/Religion

Alle Jahre wieder: Falsche Propheten in der Türkei

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Falsche Propheten treten immer wieder auf. In der Türkei gibt es dieses Phänomen erstaunlich oft. Bildquelle: KI-generiertes Image
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​In den vergangenen Jahren haben in der Türkei mehrere Persönlichkeiten für Aufsehen gesorgt, indem sie sich als Propheten oder Messiasfiguren ausgaben. Dieses Phänomen ist nicht neu und findet sich auch in anderen religiös geprägten Gesellschaften. Im Folgenden werden einige dieser Figuren und ihre Beweggründe beleuchtet.​

Eine der jüngsten Persönlichkeiten, die in der Türkei mit ihrer „Erhellung“ für Aufsehen sorgte, ist Gönül Derman Aytimur. Sie ist die erste Frau in der Kategorie, die öffentlich ihre Prophetenschaft erklärte und daraufhin festgenommen wurde. Details über ihre Lehren oder die Größe ihrer Anhängerschaft sind spärlich, jedoch verdeutlicht ihr Fall die Sensibilität der türkischen Behörden gegenüber solchen Selbsternennungen.​ Nach ersten Meldungen türkischer Medien handelt es sich bei Aytimur jedoch um eine „büyücü“.

Erste „Prophetin“ als „büyücü“ festgenommen

In der Türkei gibt es eine tief verwurzelte Tradition von Volksglauben und spirituellen Praktiken, in denen Büyücüs (Beschwörer, Zauberer, Magier) eine besondere Rolle spielen. Sie werden oft mit Magie, Flüchen und übernatürlichen Fähigkeiten in Verbindung gebracht. Ihre Arbeit wird in der Gesellschaft kontrovers gesehen – manche suchen sie aktiv auf, während andere sie als Betrüger oder gar als gefährlich betrachten. Aytimur soll in ihrem Haus zahlreiche Utensilien für Hexerei bzw. dunkle Magie aufbewahrt haben.

Hasan Mezarcı: Vom Politiker zum Messias

Hasan Mezarcı war einst ein angesehener Vertreter des politischen Islam in der Türkei. Mit der Zeit begann er jedoch, sich selbst als Jesus zu bezeichnen. Heute lebt er zurückgezogen in Istanbul mit einer kleinen Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern, die er als seine Apostel bezeichnet. In einem Interview mit dem Psychologie-Podcast „Katarsis“ auf YouTube erläuterte Mezarcı die Hintergründe seines Messianismus.

Ein virales Video zeigt ihn, wie er vor Jahrzehnten einen Witz erzählt, über den niemand lacht. Dieses Video wird bis heute als Meme verbreitet, oft mit dem humorvollen Kommentar: „Ihr hättet über den Witz lachen sollen. Danach ist er verrückt geworden.“​ Tatsächlich kennen die meisten den türkischen Jesus als den Mann, über dessen Witz keiner lacht.

Adnan Oktar: Vom Prediger zum Sektenführer

Adnan Oktar, auch bekannt unter dem Pseudonym Harun Yahya, war eine der schillerndsten Figuren der jüngeren türkischen Geschichte. Er gründete eine Sekte, die Frauen und junge Mädchen systematisch missbrauchte und Einfluss in Behörden ausübte. Oktar wurde zu mehrfacher lebenslanger Haft verurteilt. Seine Gemeinschaft hatte auch Mitglieder in Deutschland und galt als eine der gefährlichsten Indoktrinationsbewegungen der Türkei. In seinem eigenen TV-Sender gab Oktar immer wieder bildhafte Beschreibungen des Mahdi, die in Wahrheit seine eigene Physiognomie beschrieben. ​

Oktar hat nach Angaben von türkischen Journalisten mittels seiner Sekte Hunderte Frauen systematisch vergewaltigt, ihnen durch systematische Folter und Tortur regelrecht die Seele ausgetrieben und sie durch plastische Chirurgie verunstaltet. Dadurch können die heute befreiten Frauen dennoch nicht zu ihrer alten Identität zurückkehren und müssen mit dem Hohn der Gesellschaft leben.

İskender Erol Evrenosoğlu: Der selbsternannte Prophet

Ein weiterer bemerkenswerter Fall ist İskender Erol Evrenosoğlu. Über Jahre hinweg betrieb er in der Türkei seinen eigenen Fernsehsender Nur TV, in dem er regelmäßig vor der Kamera saß und Fragen von Anrufern beantwortete. Schließlich begann Evrenosoğlu, auf Fragen mit inszenierten Pausen zu reagieren, gefolgt von vermeintlichen göttlichen Botschaften als Antworten. Auch er behauptete, ein Prophet zu sein.​

Der unermüdliche Fake-Botschafter göttlicher Neuigkeiten trat auch in TV-Interviews mit kritischen Journalisten wie Mehmet Ali Birand auf, wo er auf seinen Behauptungen beharrte. In Erinnerung bleibt Evrenosoğlu damit, dass er gelegentlich in stundenlangen Sendungen seines eigenen Senders vor laufender Kamera einschlief. Das hing vermutlich mit seinem fortgeschrittenen Alter zusammen.

Ursachen und Hintergründe des Phänomens

Die Türkei, ein Land mit tief verwurzelter religiöser Tradition, bietet einen fruchtbaren Boden für solche selbsternannten Propheten. In Zeiten politischer oder sozialer Unsicherheit suchen Menschen oft nach spiritueller Führung. Charismatische Persönlichkeiten mit wohlklingenden Botschaften können in solchen Zeiten leicht Anhänger gewinnen. Dieses Phänomen ist nicht auf die Türkei beschränkt und findet sich in vielen Teilen der Welt, insbesondere in Gesellschaften mit starkem religiösem Einfluss.​

Die Fälle von Gönül Derman Aytimur, Hasan Mezarcı, Adnan Oktar und İskender Erol Evrenosoğlu verdeutlichen die Anfälligkeit von Gesellschaften für charismatische Führer, die spirituelle Unsicherheiten ausnutzen. Es bleibt eine Herausforderung für die Gesellschaft und die Behörden, zwischen echter religiöser Führung und ausbeuterischem Verhalten zu unterscheiden.