Connect with us

Gesellschaft

Adnan Oktar: Eine Sekte wie aus dem Bilderbuch

Published

on

Einst war Adnan Oktar für die türkische High Society ein gern gesehener Gast. Heute soll er für über 1000 Jahre im Gefängnis bleiben.
Spread the love

Adnan Oktar, auch unter dem Pseudonym Harun Yahya bekannt, ist ein türkischer Sektenführer, der jahrelang eine Gruppe von Frauen und Männern unter seiner Kontrolle hielt. Seine Organisation wurde als „gefährlicher Kult“ bezeichnet, in dem Frauen ausgebeutet und missbraucht wurden. Im Jahr 2018 wurde Oktar schließlich verhaftet und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Was hat es mit seiner Sekte, die noch immer aktiv sein soll, auf sich?

Oktar wurde 1956 in Ankara geboren. In den 1980er Jahren begann er, seine eigenen Ansichten über den Islam und die Wissenschaft zu verbreiten. Er gründete eine Organisation namens „Science Research Foundation“ und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Pamphlete unter dem Pseudonym Harun Yahya. Neben seinen Büchern waren auch seine extrem pathetischen und manipulativen Animationen bekannt, die als CDs und DVDs in deutschen Haushalten verbreitet waren.

In seinen Schriften vertrat er kreationistische Thesen und leugnete die Evolutionstheorie. Man könnte behaupten, dass er sich innerhalb der islamischen Gemeinschaft über diesen Ansatz  profilierte. Auch in anderen Gemeinschaften und Orden waren die Bücher und Werke von Harun Yahya zu diesem Thema anerkannt und galten als Referenz gegen die Lehren des Biologie-Unterrichts an deutschen Schulen.

Politisch gut vernetzt: Necmettin Erbakan, Recep Tayyip Erdoğan, Adnan Oktar

Vor einigen Monaten trat Fatih Erbakan, Sohn von Necmettin Erbakan und Koalitionspartner von Recep Tayyip Erdoğan, in der beliebten Talk-Sendung von Candaş Tolga Işık auf und nahm Adnan Oktar in Schutz. Es sei überhaupt nicht bewiesen, dass Oktar Missbrauch begehe. „Ich sage, dass seine Bücher wirklich gut und angebracht sind, Themen behandeln wie die Evolutionstheorie, das Freimaurertum und den Zionismus, das Groß-Israel-Projekt“, so Erbakan.

Diese Bücher hätten zudem auf dem Arbeitstisch seines Vaters, dem Gründer der Milli-Görüş-Bewegung und geistigen Vater von Präsident Erdoğan, gestanden. Über Erdoğans Nähe zu Oktar ist wenig bekannt. Vor Gericht sagte Oktar einst über den türkischen Machthaber: „Tayyip kam in unser Haus, er kennt mich gut. Er mag mich. Wir haben gegessen, Zeit auf unserer Yacht verbracht“.

Die Gründung der Sekte

Wie kam es zur Gründung der Sekte? Oktar umgab sich mit einer Gruppe von jungen Frauen, die er als „Kätzchen“ bezeichnete. Auf seinem eigenen Sender A9 TV kam es zu einigen „cringe“ Szenen, wie die Jugend heute sagen würde, die in den sozialen Medien viral gingen. Nicht nur die bedingungslose Zuneigung der „Kätzchen“ gegenüber dem selbsternannten heiligen Führer in der Pre-Apokalypse wurden verbreitet. Auch seine schlechten Witze, die die „Kätzchen“ zwangsweise belächelten, oder seine fatalen Tänze wurden vielfach gestreamt.

Dass die ästhetisch stark modellierten und einander ähnelnden Frauen alles mitgemacht, über schlechte Witze gelacht haben, sei aus Eigenschutz geschehen, wie inzwischen bekannt wurde. Denn wer mit der bereits kleinsten Geste die Missgunst Oktars erntete, musste offenbar sexuellen Missbrauch, Demütigung und schwere Gewalt fürchten.

140Journos bringt mit zwei Folgen über die Sekte Licht ins Dunkel

Diese Frauen sollen gezwungen worden sein, sich seinen Regeln zu unterwerfen und seinen Lebensstil zu übernehmen. Sie mussten sich freizügig kleiden, durften keine anderen Männer treffen und wurden ständig von Oktars Anhängern überwacht. Oktar wurde jahrelang beschuldigt, seine Anhängerinnen sexuell zu missbrauchen. Es gab Berichte über Gehirnwäsche, psychische und physische Gewalt.

Ein mutiger Vater aus Österreich, der zwischenzeitlich seine Ehefrau sowie seine beiden Töchter an Oktar verlor, setzte mit seinem Kampf gegen den gefährlichen Baron ein Zeichen. Seine Versuche, um zumindest seine Töchter zu retten, habe sogar die verdeckt ermittelnden Behörden in die Bredouille gebracht. „Unsere Ermittlungen drohten aufzufliegen“, gibt ein Polizist in der Doku „Adnan“ zu.

Unnachgiebig aus Liebe zu den eigenen Kindern

Jener Vater Elvan Koçak ist in den türkischen Medien einst belächelt worden. Auf der Suche nach seinen Töchtern sei der verbitterte Vater behindert worden. Was einst unerklärlich schien, entpuppte sich als ein Teil des Systems Adnan Oktar. Denn der psychosomatische Sektenführer soll Behörden unterwandert und Schlüsselstellen mit Komplizen oder gar Jüngern besetzt haben.

So gelang es Oktar wohl, die beiden, damals noch minderjährigen Töchter Koçaks, immer zu verstecken. Immer, wenn Koçak ihnen näher kam, wurden sie verschleppt. Doch sein unermüdlicher Einsatz und der allmähliche Erfolg der verdeckten Ermittlungen mündeten schließlich in einem Happy End.

Die Verhaftung von Adnan Oktar

Im Jahr 2018 wurde Adnan Oktar verhaftet, was für die breite Öffentlichkeit einer Überraschung gleich kam. Ihm wurden unter anderem die Gründung einer kriminellen Vereinigung, sexuelle Nötigung und Freiheitsberaubung vorgeworfen. In einem monatelangen Prozess wurde er zu einer 1075-jährigen Haftstrafe verurteilt. Die Dokumentationen „Kedicik“ und „Adnan“ erläutern eindrucksvoll, warum diese absurde Strafe doch gerechtfertigt ist.

Denn diese Frauen, die in der Bevölkerung meistens ausgelacht wurden, waren in Wahrheit seine größten Opfer. Ihr Aussehen war keine Gier nach plastischer Schönheit, sondern eine Manipulation nach dem perversen Geschmack Adnan Oktars, mit der Absicht, die alte Identität dieser Personen aus ihrem Leib, ihrem Gesicht und schließlich aus ihrer Seele herauszureißen.

Das System von Adnan Oktar

Der Doku und den Ermittlungen zufolge basierte Oktars System auf Kontrolle und Manipulation. Er nutzte seine charismatische Persönlichkeit und seine scheinbare Gelehrsamkeit, um seine Anhänger zu gewinnen. Er isolierte sie von ihren Familien und Freunden und ersetzte ihre eigene Identität mit seiner Ideologie. Doch bevor diese Frauen in die Hände von Oktar fielen, waren seine männlichen Jünger die Jäger für „frische Beute“.

Sie näherten sich mit Tarnidentitäten jungen Mädchen, die sich in sie ahnungslos verliebten. Nach und nach wurden sie in den religiösen Bann Oktars gezogen, wurden liebestrunken blind gegenüber der lauernden Gefahr. Sie wurden Schritt für Schritt vergiftet und am Ende ihrer Seele beraubt. Letzteres geschah wohl auf grausame Weise: durch systematische Vergewaltigung.

Analverkehr als religiös legitimer Akt?

In einer Liebesbeziehung ist Intimität möglich, in vielen Beziehungen das Zeichen echter Verbindung. Die jungen Frauen dürften in ihre Scheinprinzen völlig verliebt und mit teuren Geschenken geblendet worden sein. Das Verlangen nach Sex ist dann kaum abzulehnen. Dies nutzten die „religiösen“ Jünger aus. Das islamische Verbot von Sex vor der Ehe soll durch Analverkehr umgangen worden sein. Die Lehren Oktars würden behaupten, dass dies der Verdauungstrakt sei und somit kein Weg der Fortpflanzung, somit religiös unbedenklich.

Doch nach dem ersten Mal begann das Grauen. Ins Bett stiegen mehrere Freunde des Mannes, in den die Frau verliebt war. Die Orgien sollen aufgezeichnet und schließlich als größtes Druckmittel gegen die zerstörten Frauen eingesetzt worden sein, damit sie den Mund halten. Diese Tortur ging so lange weiter, bis die Frauen akzeptierten, sich Adnan Oktar zu opfern. In der Doku sagte eine anonyme Aussteigerin, dass Oktars Impotenz bekannt gewesen sei und eine Beziehung zu ihm zwar die endgültige Haft, jedoch das Ende der Vergewaltigungen bedeutet habe.

Das Leben nach der Verhaftung

Diesem Vorwurf widersprach Oktar vor Gericht. Er habe aufgrund von Leistenbrüchen einen verunstalteten Schritt und Genitalbereich, sodass ihm ein sexueller Akt nicht möglich sei. „Ich bin wie ein Geißbock, so Gott will!“, ließ Oktar wissen. Seine „Kätzchen“ behaupten indes, er habe die Frauen mit dem Finger missbraucht und sie gezwungen, sexuelle Lust zu demonstrieren, sodass die anderen zu hören bekommen, welch ein „Hengst“ Oktar doch ist.

Nun ist das Grauen zu Ende. Zumindest für die „Kätzchen“ sowie für Väter wie Elvan Koçak. Seit Oktars Verhaftung gilt seine Organisation zwar offiziell als zerschlagen, sie soll aber nach wie vor aktiv sein.

Der Prozess gegen Oktar hat ein Schlaglicht auf die Gefahren von Sekten und die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen geworfen. Sollten Sie oder jemand, den Sie kennen, mit der Sekte um Adnan Oktar in Kontakt gekommen sein, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle oder an polizeiliche Behörden.