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Gesellschaft

Alevitische Gemeinde erlangt Körperschaftsstatus

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Die Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF) war bereits als Religionsgemeinschaft anerkannt. Mit einer Entscheidung vom Donnerstag wird die Gemeinde in Nordrhein-Westfalen nun rechtlich den beiden großen christlichen Kirchen gleichgestellt.

Die Alevitische Gemeinde Deutschlands (AABF) hat in Nordrhein-Westfalen die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt. Das hat der Hauptausschuss des Landtags NRW am Donnerstag nach einer Anhörung beschlossen. Dem war ein Entwurf einer Verordnung der Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vorausgegangen. Mit diesem Status wird die Gemeinschaft den beiden großen christlichen Kirchen gleichgestellt. So erhält die Gemeinde unter anderem das Recht auf Steuereinzug bei ihren Mitgliedern und Vergünstigungen bei Steuern, Abgaben und Gebühren. Zudem erhält sie ein Mitspracherecht in unterschiedlichen Gremien.

Bundesweit 160 Mitgliedsgemeinden und 24.000 Mitglieder

Die Alevitische Gemeinde mit Sitz in Köln wurde 1989 gegründet. Heute gehören ihr bundesweit 160 Mitgliedsgemeinden sowie etwa 24.000 Mitglieder an. Das Bundesinnenministerium schätzt die Zahl der in Deutschland lebenden Aleviten auf 500.000 – 600.000. Als Dachverband war die Gemeinde bereits als Religionsgemeinschaft anerkannt. Seit dem Schuljahr 2011/12 koordiniert die Gemeinde den an NRW-Schulen angebotenen alevitischen Religionsunterricht. Die Landesregierung begründet die Entscheidung unter anderem mit ihrer „verbindlichen Lehrautorität in Bezug auf alle den Glaubensinhalt betreffenden Fragen, die Lehren und Grundsätze gegenüber den in den Mitgliedsgemeinden tätigen geistlichen inne“ habe. Außerdem sei die innere Struktur, ihre Organe, Vertretungsregelungen sowie die Mitgliedschaft in ihrer Satzung klar geregelt.

Das Alevitentum ist eine vorwiegend in der Türkei beheimatete Glaubensrichtung, die sich im 13. und 14. Jahrhundert unter den zugewanderten oghusisch-turkmenischen Stämmen in Anatolien und Aserbaidschan verbreitete. In der Forschung und auch innerhalb der Aleviten ist umstritten, ob es sich um eine eigene Religion handelt oder um eine separate Konfession. Eine besondere Nähe besteht zum sufischen Bektaschi-Orden und dessen Gründer Hacı Bektaşi Veli. Er gilt als Lehrmeister, seine Grabstätte in Nevşehir ist ein Wallfahrtsort für die Aleviten.

Zusammengefasst u.a. aus „Lutz Berger: Islamische Theologie. Facultas wuv / UTB, Wien 2010, S. 120“.

AABF: „Historischer Tag und Novum für Aleviten“

Die AABF bezeichnete die Entscheidung in einer Presseerklärung als „historischen Tag“. Sie sei in der Geschichte der Aleviten ein Novum und ein großer Ansporn: „Sie ist uns eine Verpflichtung. Die Verpflichtung, auch zukünftig unser ganzes Tun und Engagement dafür einzusetzen, dass wir die Vielfalt der Gesellschaft gegen die Einfalt des Denkens schützen und noch intensiver dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft frei und offen bleibt“, heißt es weiter.

Elisabeth Müller-Witt, Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW, zeigte sich über die Entscheidung des Hauptausschusses erfreut: „Ihre Ziele, also unter anderem die Integration und Partizipation ihrer Mitglieder in der deutschen Gesellschaft und die Erteilung eines eigenen Religionsunterrichts, sind von unschätzbarem Wert“, so Witt.

Wie sieht es bei anderen muslimischen Gemeinden aus?

Witt ermutigte in ihrer Erklärung auch andere Religionsgemeinschaften, sich anerkennen zu lassen. Der Schritt sei auch als ein „Signal an alle anderen“ zu verstehen. Doch tatsächlich warten andere muslimische Religionsgemeinschaften schon lange auf eine Anerkennung. So läuft beispielsweise ein Rechtsprozess zwischen dem Land NRW und einigen Gemeinschaften. 2017 hatte das Oberverwaltungsgericht NRW entschieden, dass die beiden muslimischen Dachverbände „Islamrat“ und „Zentralrat der Muslime“ keinen Anspruch auf die Gestaltung des Islamunterrichts hätten, da sie nicht als Religionsgemeinschaften angesehen würden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden, dass das Oberverwaltungsgericht in NRW seine Entscheidung überprüfen müsse.

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