Ayran unter der Lupe: ZDF-Sendung erregt Gemüter
Als das ZDF in seiner Reihe „besseresser“ kürzlich die neue Folge „Ayran – Aroma statt Tradition“ ausstrahlte, ahnte wohl kaum jemand, dass der Beitrag mehr Staub aufwirbeln würde als die gezeigten Joghurt-Mischungen. Lebensmitteltechniker Sebastian Lege, bekannt für seine Enthüllungen über die Tricks der Lebensmittelindustrie, nahm sich diesmal das wohl bekannteste Getränk der türkischen Küche vor – und stieß dabei auf geteilte Reaktionen.
Lege zeigte in gewohnter Manier, wie die Industrie aus wenigen Grundzutaten ein Massenprodukt macht. Seine Kernkritik: Fertig-Ayran werde häufig mit Wasser gestreckt, mit Verdickungsmitteln wie Pektin oder modifizierter Stärke wieder cremig gemacht und durch künstliche Aromen oder Farbstoffe geschmacklich optimiert. Selbst Zucker finde sich in so manchem Becher – ein klarer Bruch mit dem ursprünglichen Rezept aus Joghurt, Wasser und Salz.
Der Ayran hierzulande hat wenig mit dem in Anatolien zu tun
Damit trifft Lege durchaus einen Punkt: Der industrielle Ayran im deutschen Supermarktregal ist oft weit entfernt von dem, was in Anatolien frisch angerührt wird. Doch während er das Prinzip industrieller Vereinheitlichung entlarvt, entsteht zugleich der Eindruck, als sei jeder Fertig-Ayran ein minderwertiges Produkt. Genau das sorgt für Kritik – nicht nur unter Produzenten, sondern auch in Teilen der deutsch-türkischen Community.
Selim Öztürk aus Mainz kritisiert den Fokus von Lege auf Ayran: „Als würde in so einem Produkt wie Actimel wirklich Erdbeer drin sein, wenn da die Geschmacksrichtung draufsteht. Der soll sich nicht auf ein respektables Ethno-Produkt konzentrieren.“
Auch Yasemin Göl aus Berlin, die den Traditions-Ayran „7Gün“ aus Berlin in ein schlechtes Licht gerückt sieht, äußert sich empört: „Damit bin ich nicht einverstanden. Wir Berliner lieben unseren Ayran, den es schon seit meiner Kindheit gibt. Ein wenig mehr Respekt wäre angebracht gewesen“, so die junge Berlinerin.
Yayla und 7Gün im Fokus
In der Sendung standen vor allem zwei Marken im Mittelpunkt: Yayla und 7Gün. Beides Namen, die in Deutschland für die türkische Lebensmittelkultur stehen. Yayla ist Sponsor von Fortuna Düsseldorf und ein Symbol wirtschaftlicher Integration. 7Gün wiederum gilt als Pionier der Ayran-Produktion in Deutschland, die das Getränk schon in den neunziger Jahren in Berliner Kühlregale brachte.
Genau diese Marken jedoch präsentierte Lege als Beispiele für seine Kritik – offen, mit sichtbarem Logo. Damit verlagerte sich der Fokus von einer allgemeinen Aufklärung hin zu einer konkreten Markenbewertung. Für viele Zuschauer aus der türkischen Diaspora wirkte das wie eine ungerechte Verkürzung: Warum werden ausgerechnet die bekanntesten Vertreter einer respektablen Branche vorgeführt, während die wirklichen Billigprodukte unberücksichtigt bleiben?
Ein Schlag ins Gesicht für Traditionsmarken
Ayran mit 55 Prozent Joghurtanteil – so lautete eines der zentralen Themen. Lege bezeichnete den hohen Wasseranteil als Zeichen von Streckung, doch Kenner wissen: In der Türkei wird Ayran traditionell dünn getrunken, mal cremig, mal wässriger, je nach Region und Geschmack. Ein Mischverhältnis von etwa fünfzig zu fünfzig ist vollkommen üblich.
Dass diese Variante nun als Beispiel für „Trickserei“ dargestellt wird, empfinden viele als respektlos gegenüber einer jahrhundertealten Kulturtechnik. Hinzu kommt: Marken wie 7Gün oder Yayla investieren seit Jahren in Qualität, Hygienestandards und Vertrieb – sie stehen für ein Produkt, das kulturelle Identität und wirtschaftlichen Erfolg verbindet.
Schwache Recherche, starker Effekt
Wer eine solche Sendung produziert und dabei den öffentlich-rechtlichen Anspruch des ZDF im Rücken hat, sollte professionelle Redaktionsarbeit erwarten lassen. Diese hätte dazu führen müssen, dass die wirklichen schwarzen Schafe des Sektors herausgepickt werden – und nicht gerade die besten Player des Marktes, die sich qualitativ große Mühe geben.
Ayran-Marken, die den Wettbewerb über extrem niedrige Preise steuern und dabei eher in Verdacht geraten, mit Zusatzstoffen zu panschen oder den Joghurtanteil drastisch zu senken, hätten in eine solche Sendung gehört. Namen wie Kapıkule Ayran, Lydia Ayran, Çeşmeli Ayran, Tat Ayran, Mis Ayran und andere gelten in der Branche als problematisch – nicht aber jene, die das Produkt mit Stolz und Qualität vertreten.
Dass ausgerechnet diese in der ZDF-Sendung im negativen Kontext gezeigt wurden, hinterlässt bei vielen den Eindruck, dass hier nicht journalistische Präzision, sondern Dramaturgie im Vordergrund stand.
Ayran ein Stück Türkei im deutschen Alltag
Ayran ist längst mehr als ein Getränk. Er ist ein Symbol kultureller Verbindung – ein Stück Türkei im deutschen Alltag, ob im Supermarkt, Imbiss oder Stadionkiosk. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender dieses Symbol aufgreift, trägt er Verantwortung, differenziert und sensibel zu berichten.
Sebastian Lege will aufklären – doch in diesem Fall bleibt der Nachgeschmack einer einseitigen Darstellung. Denn wer Aufklärung betreibt, sollte nicht nur die Inhaltsstoffe prüfen, sondern auch den Kontext: Geschichte, Identität und die Menschen, die hinter dem Produkt stehen.



