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Flucht/Migration

Brisanter Vorstoß: EU-Länder werben für Kontakte zu Syrien

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Ein Flüchtlingslager im Norden Syriens nahe der syrisch-türkischen Grenze. Foto: Anas Alkharboutli/dpa
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Mit dem Syrien von Staatschef Bashar al-Assad wollte in der EU jahrelang niemand etwas zu tun haben. Die anhaltende Situation um die Flüchtlinge führt nun jedoch zu einem Umdenken – zumindest bei einigen.

Da Menschen aus Syrien immer noch Schutz in Europa suchen, wirbt eine Gruppe von EU-Staaten für engere Kontakte zur Regierung unter Staatschef Bashar al-Assad. Konkret schlägt das Bündnis mit Ländern wie Italien und Österreich unter anderem die Ernennung eines Syrien-Beauftragten vor. Dieser könnte die diplomatischen Beziehungen zu allen syrischen Parteien stärken, heißt es in einem Diskussionspapier, das bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel vorgestellt wurde.

Neben Italien und Österreich stehen Kroatien, Tschechien, Zypern, Griechenland, Slowenien und die Slowakei dahinter. Deutschland hat sich nicht angeschlossen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich nach der Vorstellung des Papiers zurückhaltend. Er schloss pragmatisches Handeln zugunsten des syrischen Volkes nicht aus, erinnerte aber daran, dass das syrische Regime enge Verbindungen zu Russland und dem Iran unterhalte.

EU will starke Migration nach Europa stoppen

In dem Papier heißt es unter anderem, die anhaltende humanitäre Krise in dem Bürgerkriegsland verschärfe die Migration nach Europa. Die EU müsse dazu beitragen, menschenwürdige Lebensbedingungen in Syrien zu schaffen, um eine freiwillige und sichere Rückkehr von Flüchtlingen zu gewährleisten. Das zehn Punkte umfassende Papier soll ein Vorschlag für „realistische, proaktive und wirksame europäische Syrienpolitik“ sein.

Zu in der Vergangenheit verhängten EU-Sanktionen schreiben die Autoren, diese hätten nicht den erwünschten Erfolg gebracht und sich eher negativ auf die breite Bevölkerung als auf die Entscheidungsträger ausgewirkt. Aus ihrer Sicht könnte unter anderem eine Unterstützung der privaten Wirtschaft neue Arbeitsplätze und Perspektiven für Menschen schaffen, die nach Syrien zurückkehren wollen.

EU-Staaten planen, Situation in Syrien neu zu bewerten

In den vergangenen Monaten kamen vor allem syrische Flüchtlinge verstärkt auf Zypern und damit in der EU an. Mit oft kaum fahrtauglichen Booten setzten die Menschen vom Libanon aus auf die östliche Mittelmeerinsel Zypern über, manche kamen dabei ums Leben. Bereits im Mai hatten Zypern und sieben weitere EU-Staaten bei einer Migrationskonferenz eine Neubewertung der Situation in Syrien gefordert.

Eskalation in Syrien: Türkische Angriffe und das Wiedererstarken des IS

Nicht alle Regionen dort seien Kriegsregionen, es gebe auch sichere Gegenden, in die Geflüchtete zurückkehren könnten, hieß es. Nach der Zusage von EU-Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarde Euro an den Libanon gingen die Neuankünfte von Syrern auf Zypern zunächst zurück. In Deutschland gilt für Syrien aufgrund der Situation im Land seit Jahren ein Abschiebestopp.

Menschen im Land hungern

Der Krieg in Syrien hatte im Frühjahr 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Staatschef Assad begonnen. Die Regierung ging mit Gewalt dagegen vor. Es entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. Das Land versank in Chaos und Elend. Eine politische Lösung des Konflikts ist auch viele Jahre später noch immer nicht in Sicht. Assad sitzt weiter fest im Sattel, auch dank russischer und iranischer Unterstützung. International erzielte er zuletzt wieder Achtungserfolge. So gelang es ihm, dass die Arabische Liga die im Zuge des Bürgerkriegs beschlossene Suspendierung seines Landes im vergangenen Jahr wieder aufhob. Selbst Ankara hat zuletzt eine Abkehr von seiner bisherigen Haltung angedeutet und sich offen für ein Treffen mit Assad gezeigt. Dieser wiederum fordert die Türkei auf, ihre Truppen aus Nordsyrien abzuziehen. Erst dann könne es Verhandlungen geben.

Trotz dieser Entwicklung werden nach früheren Schätzungen der Vereinten Nationen in dem Land in diesem Jahr 12,9 Millionen Menschen Hunger leiden. Jedes dritte Schulkind sei zuletzt ohne Frühstück zur Schule gegangen und acht von neun Schulkindern hätten ihren Mindesternährungsbedarf nicht decken können.

dpa/dtj