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Menschenrechte

Erdoğan feuert gegen Westen – Bundesregierung stellt sich auf schwierigen Besuch ein

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16.11.2022, Indonesien, Nusa Dua: Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, traf vor rund einem Jahr Bundeskanzler Scholz bei einem bilateralen Gespräch beim G20-Gipfel. Foto: Christoph Soeder/dpa
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Besuche des türkischen Präsidenten in Deutschland waren in jüngster Zeit nie einfach. Jetzt erschwert seine Haltung zu Israel die Gespräche am Freitag. Die Erwartungen an den Kanzler steigen.

Angesichts der israelkritischen Haltung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan stellt sich die Bundesregierung bei dessen Besuch am kommenden Freitag auf schwierige Gespräche ein. Unter den aktuellen Umständen werde der Besuch auch „herausfordernd“ sein, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin in der Bundespressekonferenz. Die Türkei sei bei einer ganzen Reihe von Themen ein wichtiger Faktor. Es gehe darum, in diesen Fragen voranzukommen. Daher bleibe es auch bei den Planungen für den Besuch. „Wir haben immer wieder auch schwierige Partner, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.“

Erdoğan: „Eine Schande, dass Länder, die immer von Menschenrechten sprechen, nun schweigen“

Erdoğan wird außer mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammentreffen. Nach dem Terrorangriff auf Israel mit rund 1200 Toten hatte Erdoğan die Hamas „eine Befreiungsorganisation“ genannt. Er brach nach eigenen Worten den Kontakt zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ab. Angesichts der seit 36 Tagen anhaltenden Bombardierung des Gazastreifens durch Israel sprach Erdoğan von „Faschismus“.

Auf einer Zusammenkunft der Organisation für islamische Zusammenarbeit verurteilte der türkische Präsident am Samstag auch die Haltung vieler westlicher Länder: „Es ist eine Schande, dass westliche Länder, die immer von Menschenrechten und Freiheiten sprechen, angesichts der anhaltenden Massaker in Palästina schweigen. Fast 12.000 Menschen starben in Gaza, fast der gesamte Gazastreifen wurde zerstört, aber diese Länder sind nicht mal dazu in der Lage, einen Waffenstillstand zu fordern.“ Einen solchen hatte Deutschland mit der Begründung abgelehnt, dass die Hamas ihn nutzen könnte, um sich neu zu formieren.

Lang: „Wichtig, diplomatische Kanäle aufrecht zu erhalten“

SPD-Chef Lars Klingbeil verteidigte den Besuch. Scholz habe die „volle Unterstützung“ der SPD, „dass dieser Besuch stattfindet“, sagte Klingbeil am Montag in Berlin. „Es gibt viele Äußerungen von Erdoğan aus den letzten Tagen, die ich aufs Schärfste verurteile.“ Aber es sei wichtig, mit denen zu reden, die internationale Verantwortung trügen, auch wenn man selbst anderer Meinung sei.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, die deutsche Position gegenüber Israel sei felsenfest. Der Kanzler werde diese auch im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten „sehr deutlich machen“. Dies forderten auch die Grünen ein. Ihre Vorsitzende Ricarda Lang sagte am Montag, es sei wichtig, diplomatische Kanäle aufrecht zu erhalten und im Gespräch zu bleiben, auch um sich für die Belange und die Sicherheit Israels einzusetzen. Und gleichzeitig habe man von Erdoğan abscheuliche Worte zu Israel und eine Relativierung des Terrors der Hamas erlebt. „Ich erwarte hier von Olaf Scholz und auch vom Bundespräsidenten ganz klare Worte in Richtung dieser unausstehlichen Auslassungen von Erdoğan.“

Linke: „Erdoğan darf für Deutschland kein normaler Staatsgast sein“

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder schraubte ebenfalls die Erwartungen hoch, indem er ein neues Abkommen mit der Türkei zur Senkung der Flüchtlingszahlen verlangte. Man erwarte „Klartext in der Sache, aber auch klare Ergebnisse“, sagte der bayerische Ministerpräsident in München. Scholz müsse mit Erdoğan auch über seine Äußerungen zur Hamas sprechen. „Es braucht einen neuen Türkei-Deal, aber auch nicht einfach um jeden Preis, sondern auch mit einem klaren Bekenntnis zu den Positionen, die für uns wichtig sind“, betonte Söder.

Die Linke kritisierte den Besuch generell. Erdoğan habe „eine Geschichte als Terror-Unterstützer“ in Syrien und im Nahen Osten und unterdrücke zu Hause die demokratische Opposition, sagte Parteichef Martin Schirdewan in Berlin. „Erdoğan darf für Deutschland kein normaler Staatsgast sein.“ Zu befürchten seien neue „schmutzige Deals“ der Bundesregierung mit dem türkischen Präsidenten.

dpa/dtj