Gesellschaft
Erdoğan gegen eine 16-Jährige: Ein einzelnes Wort könnte ihr zum Verhängnis werden
In der Türkei reicht mittlerweile ein Wort, um mit der Justiz in Konflikt zu geraten – vor allem, wenn es als Beleidigung des Präsidenten Erdoğan gewertet wird. Ein 16-jähriges Mädchen könnte nun dafür mit Gefängnis bestraft werden.
In Istanbul, auf einer belebten Hauptstraße, ärgert sich im Mai eine 16-jährige Schülerin über die Auswirkungen einer Straßensperrung. Als ein Konvoi schwarzer Limousinen mit Blaulicht an ihr vorbeirauscht, fühlt sie sich offenbar bedroht und ruft etwas – möglicherweise „verdammt“. Was sie nicht wusste: In einem der Wagen saß der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Und das hat nun Folgen für sie.
Obwohl der Machthaber das Mädchen nicht hätte hören können, reagierte ein Polizist dienstbeflissen und meldete den Vorfall. Prompt wurde die Schülerin, die eigenen Angaben nach vor wenigen Monaten einen Unfall hatte und deswegen traumatisiert gewesen sei, festgenommen und musste eine Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. Mittlerweile ist sie wieder auf freiem Fuß. Allerdings muss sie sich wöchentlich bei der Polizei melden. Und noch schlimmer: Ihr droht eine Verurteilung. Denn die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Anklage wegen Beleidigung des Präsidenten erhoben.
2023 wurden 6.879 Menschen wegen Beleidigung des Präsidenten angeklagt
Das Vergehen, das nach Paragraf 299 des türkischen Strafgesetzbuches mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden kann, wird immer häufiger geahndet. Allein im Jahr 2023 wurden in der Türkei 6.879 Menschen wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt, darunter viele Minderjährige, berichtet die Berliner Morgenpost. Seit 2019 seien mehr als 52.000 Ermittlungen eingeleitet worden.
Der Druck auf die Bevölkerung wächst weiter. Die türkische Justiz geht rigoros gegen Kritiker:innen vor. So warnt auch das Auswärtige Amt Reisende vor den möglichen Konsequenzen regierungskritischer Äußerungen – einschließlich Festnahmen und Ausreisesperren.
Frau nach Kritik bei Straßenumfrage in der Türkei verurteilt
Erst kürzlich machte der Fall einer Frau Schlagzeilen. Die Mitzwanzigerin kritisierte bei einer Straßenumfrage unter anderem die Sperre von Instagram und den Präsidenten. Auch ihre Aussagen werden ihr zum Verhängnis. Mittlerweile wurde Dilruba Y. zu mehr als sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Ein Gerichte verurteilte sie wegen „Herabwürdigung eines Teils des Volkes“ (DTJ-Online berichtete).
In Erdoğans Türkei ist es gefährlich geworden, den Mund aufzumachen – egal, ob auf der Straße oder im Internet.