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Politik

Erdoğans neues Kabinett: Şimşek für die Rettung und Fidan als Nachfolger?

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Fünf weitere Jahre Erdoğan sind spätestens seit den Abendstunden des 28. Mai sicher. Der türkische Staatschef wurde am Wochenende nach 20 Jahren an der Macht nun erneut als Präsident vereidigt. Die Bekämpfung der Währungskrise wird mit die größte Herausforderung. Dafür holt er sich nun prominente Unterstützung ins Boot. 

Nach seiner Wiederwahl ist der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan für weitere fünf Jahre als Präsident vereidigt worden. Der 69-Jährige stellte am Samstag zudem sein Kabinett zum Großteil neu auf und ernannte den angesehenen Ökonomen Mehmet Şimşek zum Finanzminister. Das wurde als Zeichen gewertet, dass Erdoğan von seiner umstrittenen Niedrigzinspolitik abkehren könnte. Er ernannte zudem seinen langjährigen Vertrauten, Geheimdienstchef Hakan Fidan, zum neuen Außenminister. Dieser gilt als ein potenzieller Nachfolger.

Die Türkei kämpft mit einer Währungskrise und einer massiven Inflation von offiziell rund 44 Prozent. Entgegen der gängigen Praxis, einer hohen Inflation mit einer Anhebung des Leitzinses zu begegnen, drängt Erdoğan immer wieder auf Zinssenkungen. Kritiker werfen dem Präsidenten vor, Einfluss auf die Notenbank zu nehmen. Schon mehrmals setzte er deren Chef ab.

Şimşek gilt als konventioneller, westlich orientierter Ökonom. Er war schon einmal Finanzminister und kehrt nun nach fünf Jahren Pause in die türkische Politik zurück. Der Kampf gegen die Inflation habe Priorität, sagte Şimşek am Sonntag. Er kündigte eine rationale Politik an. Inwieweit Erdoğan ihm die Führung der Wirtschaft überlassen wird, bleibt abzuwarten. Ein Konflikt scheint vorprogrammiert, es sei denn, der Präsident weicht von seiner bisherigen Linie ab.

Seit 2014 Staatspräsident

Seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat Erdoğan weitreichende Befugnisse. Nach dem Wahlsieg seiner islamisch-konservativen AKP im Jahr 2002 wurde er ein Jahr später zunächst Ministerpräsident, seit 2014 ist er Staatspräsident.

Erdoğan wurde am vergangenen Sonntag in einer Stichwahl mit gut 52 Prozent der Stimmen als Präsident bestätigt. Am 14. Mai hatten die AKP und ihre Partner bereits die Mehrheit im Parlament gewonnen. Die Wahlen galten zwar als frei, wegen der Kontrolle Erdoğans über staatliche Ressourcen und die Medien im Land allerdings als unfair.

Çavuşoğlu übergibt das Amt an einen Ex-Soldaten

Mevlüt Çavuşoğlu, der seit fast zehn Jahren Außenminister der Türkei war, ist unterdessen nicht mehr Teil des neuen Kabinetts. Sein Nachfolger Fidan ist ein ehemaliger Soldat. Er leitete seit 2010 den türkischen Geheimdienst MIT. Zuletzt nahm der 55-Jährige unter anderem an Gesprächen in Moskau teil, bei denen es um eine mögliche Annäherung zwischen der Türkei und Syrien ging. Nach dem niedergeschlagenen Putschversuch 2016 war Fidan in die Kritik geraten, Erdoğan hielt aber an ihm fest.

Zum neuen Verteidigungsminister wurde der bisherige Generalstabschef Yaşar Güler ernannt. Die Personalien deuten darauf hin, dass Erdoğan in den kommenden Jahren eine sicherheitsorientierte Politik verfolgen wird.

Eine Frau im Kabinett

Neuer Innenminister ist der bisherige Istanbuler Gouverneur Ali Yerlikaya. Erdoğan ersetzte damit den Ultranationalisten Süleyman Soylu, der die Opposition immer wieder scharf attackiert hatte und dem Westen Verschwörungen gegen die Türkei vorwarf. Er wird nun Abgeordneter. Einzige Frau im Kabinett ist Familienministerin Mahinur Özdemir Göktaş.

Erdoğan wurde unter dem Applaus seiner Regierungsallianz vereidigt. Mitglieder der Oppositionsparteien missachteten die Regeln und standen aus Protest nicht auf. Die Opposition wirft ihm vor, in seiner 20-jährigen Regierungszeit einen „Ein-Mann-Staat“ errichtet zu haben.

Er werde sich an die Werte der säkularen Republik halten und die Menschenrechte wahren, hieß es in dem Eid, den Erdoğan ablegte. Er kündigte eine neue „integrative“ Verfassung an und sagte, er wolle das Ansehen der Türkei in der Welt steigern. Erdoğan hatte schon in der Vergangenheit angekündigt, eine neue Verfassung durchsetzen zu wollen. Zurzeit hat er dafür aber nicht die nötige Mehrheit im Parlament.

Auch Schröder, Wulff und Özil vor Ort

An der Vereidigungszeremonie nahmen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mehr als 30 Staatsoberhäupter teil, darunter aus Südafrika, Venezuela, Pakistan und Libyen. Auch der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Mesut Özil, der als großer Bewunderer des Präsidenten gilt, und der Chef von Milli Görüş, Kemal Ergün, waren dabei. Deutschland wurde offiziell vom einstigen Bundespräsidenten Christian Wulff vertreten. Gerhard Schröder, von 1998 bis 2005 Bundeskanzler, war ebenfalls dabei.

dpa/dtj