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Gesellschaft

Interreligiöser Dialog als Schlüssel für Sicherheit von Gebetsstätten

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Im Rahmen des von der EU geförderten Protone-Projekt organisierte die Stiftung Dialog und Bildung ein Symposium, dass sich schwerpunktmäßig mit der Frage befasste, wie die religiösen Gemeinschaften zusammen dazu beitragen können, sichere Orte für Gebet und Glaubensleben zu schaffen. Ein wesentliches Instrument ist dabei der interreligiöse Dialog.
Mit Vorträgen von hochkarätigen Gästen ging am 7. Februar das Protone-Symposium in Berlin vonstatten. Die von der EU geförderte Veranstaltung fand im Hotel Aquino statt, dem Tagungszentrum der Katholischen Akademie. Ihr englischsprachiger Titel lautete: „Security in Prayer: Creating Safe Spaces for Faith and Prayer as Part of Living Religious Freedom”.

Beteiligt an dem Projekt ist auch die Stiftung Dialog und Bildung aus Berlin, die das Symposium organisierte. Weitere Partner des Projekts sind Fedactio (BEL), House of One (DEU), University of Leiden (NEL), Intercultural Dialog Platform (BEL), Istituto Tevere (ITA), Religions for Peace (INT) und das Arco Forum (ESP). Kernanliegen des Projekts ist, den Schutz heiliger Stätten aller drei abrahamitischer Religionen als gemeinsames Anliegen wahrzunehmen und zu optimieren. Um dies erreichen zu können, arbeiten christliche, jüdische und muslimische Organisationen zusammen. Sie tauschen ihre Standpunkte und Erfahrungen bezüglich potenzieller Bedrohungen und gewachsener Sicherheitskulturen aus. Die Förderung des interreligiösen Dialogs soll dabei einen Schlüsselfaktor darstellen, um eine breite Sensibilisierung für das Thema des Schutzes der Gebetsstätten zu erreichen und Best-Practice-Beispiele zu identifizieren.

Hohes Level an Übergriffen gegen religiöse Stätten

Ercan Karakoyun, der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, unterstrich in seinem Eröffnungsvortrag, wie wichtig der Schutz der heiligen Stätten sei. Dies zeigten nicht nur überregional bekanntgewordene Terrorakte der vergangenen Jahre – vom Massaker in Christchurch über den Anschlag auf die Synagoge von Halle bis hin zum jüngsten Terroranschlag auf eine katholische Kirche im philippinischen Marawi.

In Deutschland selbst ist im Jahr 2022 die Zahl der Übergriffe auf Kirchen gegenüber dem Jahr davor von 106 auf 118 und damit um etwa elf Prozent angestiegen. Dies geht aus der Statistik „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022“ des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Bei den meisten davon handelte es sich um Sachbeschädigungen und Propagandadelikte. Erst jüngst hatte es in Berlin-Schöneberg einen versuchten Brandanschlag auf die katholische Sankt-Matthias-Gemeinde gegeben – der nicht der erste seiner Art gewesen war.

Die Zahl der strafbaren Handlungen, die sich gegen Moscheen richteten, stieg demnach um 14 Prozent auf 62, wobei es auch hier meist um Sachbeschädigungen und Propagandadelikte ging. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wurden Rechtsextremisten dafür verantwortlich gemacht.

Im Jahr 2022 gingen zwar die Straftaten gegen Synagogen ebenso wie die antisemitischen Straftaten insgesamt zurück. Allerdings lag das vor allem daran, dass diese in der Corona-Zeit zuvor ein neues Hoch erreicht hatten. Darüber hinaus ist – ohne den Zahlen des BKA vorzugreifen – davon auszugehen, dass es 2023 wieder deutlich mehr Fälle in dieser Rubrik gab. Die offiziellen Statistiken bildeten auch nur jene Vorfälle ab, die am Ende zur Anzeige gelangt sind, die Dunkelziffer könnte deutlich größer sein, so Karakoyun.

Paul Weller: Heilige Stätten bieten Anbindung und Zuhause – Dialog bindet auch andere ein

Dass das Protone-Symposium nicht ohne Grund am 7. Februar stattfand, machte der emeritierte Professor Paul Weller von der University of Derby deutlich. Der Friedensforscher wies darauf hin, dass die erste Februarwoche auch auf UN-Ebene zur „Woche der interreligiösen Harmonie“ erklärt worden sei. Weller machte deutlich, wie vielfältig die Bedeutung heiliger Stätten für die dort betenden Menschen als auch für die Gemeinschaften insgesamt sei. Sie bewahrten nicht nur Quellen, Lehren, Weisheiten oder Traditionen – sie hätten auch eine bedeutsame Funktion als Gemeinschaftsressource innerhalb lokaler Gemeinden und Nachbarschaften.

Mit der Pflege des interreligiösen Dialogs, so Weller, werde jedoch immer mehr Gemeinschaften klar, dass die Sicherheit und das Gefühl des Zuhause-Seins, das die religiösen Stätten gewähren, auch für andere Religionsgemeinschaften von großer Bedeutung seien. Daraus erwachse die Erkenntnisse, dass der Schutz der heiligen Stätten der einen auch jenen der anderen bedeute – und es eine gemeinsame Verantwortung gebe, die Gotteshäuser, Friedhöfe und Gemeinschaftszentren als sichere Orte zu erhalten. Weller nannte unter anderem das „House of One“ in Berlin als Ausdruck einer solchen Erkenntnis.

Der Gelehrte erinnerte auch an seine bereits im Jahr 2000 formulierte Forderung, wonach europäische Selbstverständnisse, die nichtchristliche religiöse Traditionen ausschließen, historisch verzerrt und politisch gefährlich seien. Es sei an der Zeit, ein alternatives Selbstverständnis zu entwickeln, dem zufolge „der muslimische Gebetsruf ebenso zum Klang Europas gehört wie der der christlichen Kirchenglocken“.

Isabell Diekmann: Antimuslimischer Rassismus als Normalität

Die tägliche Realität in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen ist jedoch eine andere. Dies machte auch Dr. Isabell Diekmann von der Universität Bielefeld deutlich, deren Vortrag sich dem antimuslimischen Rassismus in Deutschland widmete. Sie identifizierte die Islamophobie als eine von mehreren verbreiteten Ausdrucksformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die ihre Wurzeln in einer grundlegenden Ideologie der Ungleichheit hätten. In Deutschland zeigt sich ihre Verbreitung als eine verzerrte Wahrnehmung des Islam und weithin akzeptierter Vorurteile über Muslime. So seien 2020 einer Umfrage zufolge 27 Prozent der Bevölkerung der Auffassung gewesen, Muslime würden in ihrer Mehrheit terroristische Anschläge gutheißen. Ein Viertel meinte, Muslimen sollte generell die Einwanderung nach Deutschland untersagt werden.

Dieser Anteil von 25 Prozent sei innerhalb von nur zwei Jahren sogar auf 38 Prozent angestiegen – in Ostdeutschland, wo der Anteil an Muslimen deutlich geringer ist als im Westen, seien es sogar 46,6 Prozent. Ein ähnlich großer Anteil mache Muslime dafür verantwortlich, dass er sich als „fremd im eigenen Land“ fühle. Während die Feindseligkeit gegenüber Muslimen im Westen seit 2014 gesunken sei, sei sie im Osten im gleichen Zeitraum sogar angestiegen.

Es sei zudem auffällig, dass „dem Islam“ als Abstraktum in noch stärkerer Weise negative Eigenschaften zugeschrieben würden als „den Muslimen“ konkret. Allerdings bildet sich diese vermeintliche Differenzierung im alltäglichen Leben nicht unbedingt ab, wo es konkrete Muslime seien, die Diskriminierung erfahren.

Drei Bewerbungen von ein und derselben Frau, drei unterschiedliche Rückläufe

Als Beispiel führte Dr. Diekmann an, dass eine Frau, die drei inhaltsgleiche Bewerbungen mit dem gleichen Ausgangsfoto auf gleichartige Stellen versendet hatte, einen komplett unterschiedlichen Rücklauf erlebte – je nachdem, ob sie sich als „Sandra Bauer“, „Meryem Öztürk“ ohne Kopftuch oder „Meryem Öztürk“ mit Kopftuch vorgestellt hatte. Der Anteil der Rückrufe sank entsprechend von 18,8 über 13,5 auf 4,2 Prozent.

Diese Erfahrung decke sich auch mit den Ergebnissen repräsentativer Umfragen und Studien aus angelsächsischen Staaten. Es dürfte sich um ein Muster handeln, das in allen westlichen Staaten auftritt, aber in Deutschland in einem überdurchschnittlichen Maße, obwohl Einwanderung aus mehrheitlich muslimischen Staaten immerhin bereits seit mehr als sechs Jahrzehnten in größerem Maße stattfindet.

Dass die Islamophobie weiterhin auf dem Vormarsch ist, zeigt sich nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Zahl der Übergriffe auf islamische Einrichtungen im Schnitt der letzten zehn Jahre bei etwa 100 pro Jahr lag – und zuletzt wieder eine steigende Tendenz aufwies. Dr. Diekmann zitierte auch eine erst jüngst erschienene Studie der „CLAIM-Allianz“, die sich gegen antimuslimischen Rassismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit einsetzt. Demnach hat es nicht nur im Vorjahr bereits bis Ende November 187 Fälle gewalttätiger Übergriffe, Beleidigungen und Drohungen gegen mehr als 149 Einzelpersonen und Gruppen, unter anderem Familien, gegeben. Auch muslimische Einrichtungen wie Moscheen oder Friedhöfe wurden erneut zum Ziel von Übergriffen.

Gleichzeitig gaben in der von CLAIM durchgeführten Erhebung von 740 befragten Muslimen 78 Prozent an, zumindest einmal in ihrem Leben zum Ziel islamfeindlicher Übergriffe oder Diskriminierungen geworden zu sein. Von den Betroffenen sagten 56 Prozent, sie wären für das Verhalten anderer Muslime in Haftung genommen worden. Mehr als 50 Prozent gaben an, für ihre religiöse Zugehörigkeit beleidigt oder beschimpft beziehungsweise für religiöse Handlungen kritisiert worden zu sein. Nur zehn Prozent der Betroffenen hätten entsprechende Vorfälle zur Anzeige gebracht oder eine Beratungsstelle aufgesucht. Da 56 Prozent nicht auf die Übergriffe reagiert hätten, sei es eindeutig, dass es bezüglich islamfeindlicher Vorfälle eine erhebliche Dunkelziffer gebe.

Gegenstrategien brauchen unterschiedliche Stoßrichtungen

Als Gegenstrategien gegen den antimuslimischen Rassismus empfiehlt Dr. Diekmann das Veranlassen von Maßnahmen zum Schutz im eigenen Bereich, das Organisieren von Moscheebesuchen für Schulen zum frühzeitigen Abbau von Vorurteilen und die Arbeit an einem Gegendiskurs zu verbreiteten antimuslimischen Denkmustern.

Der Gegendiskurs ändere demnach zwar erfahrungsgemäß wenig an islamfeindlichen Einstellungen, beeinflusse jedoch die Bereitschaft, diesen in einer feindseligen Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Sein Wert liege zum einen in der Schärfung des eigenen Differenzierungsvermögens, zum anderen könne er Aufmerksamkeit und Sensibilität bezüglich der Art und Weise schaffen, wie Muslime dargestellt würden. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, über den Gegendiskurs darauf aufmerksam zu machen, in welchem Ausmaß Muslime Objekt von Rassismus und Diskriminierung seien.

Moscheebesuche veränderten konkret bei Schülergruppen auch feindselige Einstellungen als solche, da die reale Begegnung mit Muslimen die häufig durch Einflüsse Dritter erworbenen oder medial konstruierten Vorurteile herausfordere.

Die Organisation von Schutzmaßnahmen stelle wiederum einen bedeutsamen Weg dar, mit der Realität eines bestehenden und verbreiteten antimuslimischen Rassismus umzugehen. Er setze das Eingeständnis voraus, dass Schutz – egal ob der Einrichtungen, Moscheen usw. selbst oder ihrer Mitglieder – einen Weg darstelle, um zumindest gewalttätigen Erscheinungsformen des antimuslimischen Rassismus gegenzusteuern und von einer passiven in eine aktive Rolle einzutreten.

Es sei jedoch wichtig zu beachten, dass Sicherheit sich nicht allein auf technische Aspekte reduzieren lasse. Auch sollten religiöse Stätten nicht den Eindruck erwecken, unzugängliche Festungen zu sein. Entscheidend sei, dass die religiösen Freiheiten, die das Grundgesetz gewähre, mit Leben gefüllt und in Präsenz und Interesse auch der Gemeinden untereinander ihren Ausdruck finden.

Ein erstes wegweisendes Beispiel für eine solche Ausdrucksform des Interesses und der Anteilnahme in Deutschland war das Gebet mehrerer hundert muslimischer Gastarbeiter im nördlichen Seitenschiff des Kölner Doms in den 1960er Jahren. Damit habe damals die Katholische Kirche ein Ausrufezeichen setzen wollen, dass mit den Menschen, die als Arbeitskräfte nach Deutschland gekommen waren, auch ihre religiöse Prägung ins Land gekommen und der Islam zur deutschen Realität geworden sei.

Das „House of One“ als Leuchtturmprojekt für den Dialog

Die Offenheit zum Dialog bietet die Chance, über die Grenzen der eigenen Gemeinde und religiösen Überzeugung hinaus offene Menschen anzusprechen und wechselseitige Einblicke in das religiöse und gemeinschaftliche Leben zu ermöglichen. Wie Ercan Karakoyun in der abschließenden Podiumsdiskussion anmerkte, stellen multireligiöse Glaubenszentren Best-Practice-Modelle dar und nehmen perspektivisch eine Vorreiterrolle ein: Das Haus der Religionen in Bern, das Multi-Faith-Center an der Universität von Derby, aber auch das House of One in Berlin.

Das in Deutschland bislang einzigartige House of One verbindet eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee über einen Kuppelsaal, der als Ort der Begegnung dessen Mittelpunkt bildet. Christen, Juden und Muslime können die Einrichtung nutzen, um gemäß ihren Lehren, Riten und ihrer jeweils gewachsenen Praxis zu beten, Feste zu feiern, Lehrveranstaltungen durchzuführen oder interreligiöse Veranstaltungen zum Zwecke des Dialogs abzuhalten. Außerdem gibt es offene Veranstaltungen, die sich auch an nichtreligiöse Menschen richten. Eine interkonfessionelle Stiftung ist Trägerin des Projekts.

Das House of One verfügt über ein gemeinsam erarbeitetes technisches Sicherheitskonzept. Der Kern des Sicherheitskonzepts ist jedoch der interreligiöse Charakter der Einrichtung als solcher, der dazu führt, dass jede unter seinem Dach vereinte Gemeinschaft ein Verantwortungsgefühl nicht nur für sich, sondern auch für die jeweils anderen entwickelt. Die interkonfessionelle Begegnung, das wechselseitige Kennenlernen und ein Band der Empathie, das aus dem wechselseitigen Interesse erwächst, macht das House of One zu mehr als der bloßen Summe der einzelnen religiösen Gemeinschaften, die sich unter diesem versammeln.

Kai Hafez über das Medienbild vom Islam: Stereotypische Projektionen und „aufgeklärte Islamophobie“

Diese Empathie ist in einem Großteil der auflagenstarken Medien in Deutschland nach wie vor nur bestenfalls rudimentär vorhanden. Dies arbeitete Kommunikationswissenschaftler Dr. Kai Hafez in seinem Vortrag im Rahmen des Protone-Symposiums heraus. Er verortet den Beginn des vorherrschenden Islamdiskurses allerdings nicht erst in der Zeit nach dem 11. September 2001 oder in den späteren 2000er-Jahren mit ihrem „islamkritischen“ Konfrontationsjournalismus.

Hafez nennt die „islamische Revolution“ im Iran als Ausgangspunkt. Dass diese primär eine Minderheitengruppe innerhalb einer Minderheitengruppe innerhalb des Islam insgesamt darstelle, sei dabei nicht grundsätzlich von Belang. Das Wissen über die religiösen Grundlagen des Islam sei in Deutschland generell – ähnlich wie im Fall des Judentums – gering. Gerade das mache jedoch ein Islambild wie jenes eines dominanten Mainstreams innerhalb der deutschen Medienlandschaft möglich. Die eigene Projektion ersetze das fehlende Tiefenwissen – Hafez spricht von einer „aufgeklärten Islamophobie“.

Politische und soziale Unwägbarkeiten würden einseitig und reflexartig auf mögliche religiös-kulturelle Ursachen reduziert. Ähnlich wie das Medienbild vom afrikanischen Kontinent seit langer Zeit vor allem von Kriegen, Krisen, Seuchen und bestenfalls ab den 1980er-Jahren noch von Fußball geprägt sei, gebe es auch mit Blick auf den Islam zwei Themen, auf die sich die Berichterstattung mit Islambezug weitgehend reduziere: Gewalt und Repression.

Ausnahmen, die sich um eine Differenzierung bemühten, bestätigen demnach weitgehend die Regel. Dazu komme der Umstand, dass sich Gewalt und dissoziale Verhaltensweisen im Kontext mit Angehörigen der islamischen Community besser verkauften als Muslime, die in einem Altenheim vorlesen oder musizieren. Im Kontext des Islam sei Krawalljournalismus der Standard.

Die Ausführungen von Dr. Hafez bestätigten im Wesentlichen Erfahrungen, von denen Angehörige der muslimischen Gemeinden regelmäßig berichten. So sei der muslimisch gelesene Täter regelmäßig ein willkommener Thematisierungsanlass, um den Faktor „Islam“ in die Debatte einzubringen, beim muslimischen Opfer von Gewalt und Kriminalität scheine die Religion stattdessen als zu vernachlässigender Faktor zu gelten.

Auch Vorhaben muslimischer Gemeinden würden regelmäßig mit Argwohn betrachtet. So spielten bei der Berichterstattung über die geplante Errichtung einer Moschee oder eines Gemeindezentrums Fragen wie jene eine Rolle, ob alle Auflagen erfüllt seien, ob es Erkenntnisse über mögliche extreme Einflüsse im Trägerverein gebe oder ob islamfeindliche Kräfte sich gestört fühlten. Welchen Nutzen das Vorhaben für die Gemeinde und darüber haben könnte, welche Angebote für Jugendliche, Kinder, Frauen oder alte Menschen dort entstehen sollen – das alles werde regelmäßig nicht thematisiert.

Moscheen werden offener und zugänglicher

Was in der Debatte, die sich an die Vorträge anschloss, deutlich wurde, ist, dass Leuchtturmprojekte wie das „House of One“ noch bei weitem nicht der allgemeine Standard sind. Allerdings ist der Weg dorthin nicht annähernd so weit, wie manch einer denken mag. Längst halten Umfragen zufolge auf kommunaler Ebene 90 Prozent der befragten muslimischen Gemeinden regelmäßig Kontakt zu christlichen oder jüdischen Gemeinschaften, die sich am gleichen Ort befinden.

Taha Sabri, ein Neuköllner Imam, betonte, dass es im Islam ein zwingendes Gebot sei, die Glaubens- und Gewissensfreiheit anderer Menschen zu respektieren. Der Koran sage eindeutig, dass es keinen Zwang im Glauben geben dürfe und es hieße zudem: „Wer will, der soll nun glauben, und wer will, leugnen.“ Außerdem sei es im Islam untersagt, Gottheiten anderer Religionen und Kulturen zu beleidigen oder über sie zu lästern. Selbst im Krieg sei es eine Pflicht der Rechtgeleiteten, religiöse Stätten anderer zu respektieren und zu schonen.

Studien der Deutschen Islam Konferenz aus den Jahren 2006 und 2018 haben auch gezeigt, dass Moscheen sich gegenüber früheren Zeiten, in denen die Gemeinden weitgehend unter sich blieben, in erheblichem Maße geöffnet haben. Der „Tag der offenen Moschee“ ist dafür ein sichtbarer Ausdruck, das Phänomen zeigt sich jedoch auch abseits von diesem alljährlichen Ereignis.

Dies alles sind intakte Voraussetzungen, um die gutnachbarschaftlichen Beziehungen zu den anderen Gemeinden vor Ort auszubauen und über den Weg des Dialogs und des aktiven Austauschs Verbindungen zu pflegen, Netzwerke zu bilden und das „Wir“-Gefühl als Gläubige über die Religionsgemeinschaften hinaus zu stärken. Dies wird auch die Rolle der Religionsgemeinschaften in der Stärkung der aktuell so oft beschworenen Idee des „Zusammenlandes“ stärken.

Dass die Moschee eine Funktion als Zentrum sozialer Aktivitäten hat, ist noch nicht einmal eine neuartige Idee oder Entwicklung, so Ercan Karakoyun. Schon zur Zeit des Propheten sei sie Ort des Gebets, aber auch der Bildung gewesen, dazu kam die Medresse als eine Art früher Universität. In Medina diskutierte er dort mit den Mitgliedern einer Delegation aus Nadschran.

Wenn muslimische Gemeinden diese Tradition noch stärker in ihr alltägliches Gemeindeleben integrieren, wird nicht nur eine Chance zum wechselseitigen Kennenlernen eröffnet. Auch das religiöse Leben, das Gebet und die Glaubenspraxis tritt aus dem Verborgenen und Abgeschlossenen heraus.

Da laut einer Studie der Deutschen Islam Konferenz ein Viertel der derzeit knapp sechs Millionen Muslime in Deutschland mindestens einmal pro Woche eine Moschee besucht, wird das zu einer Gelegenheit, sich über die Grenzen der eigenen Gemeinschaft hinaus ins Gemeinwesen vor Ort einzubringen.

Worauf Gemeinden in besonderer Weise achten sollten

Eine solche Vernetzung habe laut Karakoyun über die eigene Gemeinschaft hinaus, aber auch speziell mit Blick auf die Sicherheit der Gebetsstätten, die das Kernanliegen des Protone-Projekts ist, eine besondere Bedeutung. Sie ermögliche einen leichteren Zugang zu Entscheidungsträgern und verantwortlichen Personen, zu denen eine positive Beziehung hilfreich sei in Zeiten, in denen die Sicherheit der religiösen Stätten zunehmenden Herausforderungen ausgesetzt sei.

Von großer Bedeutung sei es beispielsweise, eine Liste von Anwälten des Vertrauens zu haben, die bereit sind, die Anliegen der muslimischen Gemeinde diskret und mit dem erforderlichen Fingerspitzengefühl zu behandeln. Auch bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sollte es zu jeder Zeit Kontaktpersonen geben, bei denen man sicher sein könne, dass sie vertrauensvoll und empathisch mit den Anliegen der muslimischen Gemeinden umgehen.

Jede Gemeinschaft sollte eine Notfallkontaktliste haben, die auch die Kontaktdaten der lokalen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden umfasst. Die Gemeinden sollten sich auch nicht scheuen, an die gewählten Vertreter vor Ort heranzutreten, um Anliegen zu besprechen, welche die Gemeinschaft betreffen. Koalitionen mit interreligiösen Initiativen und Verbänden, die Minderheiten vertreten, seien auch in vielen Fällen hilfreich. Sie hätten meist Erfahrung in der Bildung von Netzwerken zur Unterstützung von Opfern nach Hassverbrechen oder Fällen von Diskriminierung.

In jedem Fall sei gerade in unruhigen Zeiten wie diesen mehr denn je Wachsamkeit geboten. Jede Gemeinschaft sollte sich ihre Verwundbarkeit eingestehen und evaluieren, in welchen Bereichen der größte Handlungsbedarf besteht. Sind diese identifiziert, sei es an der Zeit, ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten, das die Gemeinden auf mögliche Übergriffe vorbereite sowie Pläne zur Risikominimierung und Verhinderung zu erstellen.

Insgesamt 80 internationale Gäste mit unterschiedlichsten, ethnischen und religiösen Hintergründen diskutierten über die Sicherheit von Gebetsstätten. Hilal Akdeniz von der Stiftung Dialog und Bildung, die das Symposium koordinierte, wertete dies als großen Erfolg.