Politik
Istanbul-Wahl: Wer sind die beiden Kandidaten Kurum und Imamoğlu?
Am 31. März finden in der Türkei wieder einmal wichtige Abstimmungen statt. Diesmal stehen Kommunalwahlen an. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den großen Städten. Wir schauen uns einige davon an. Den ersten Blick richten wir nach Istanbul.
2019 war ein Jahr, in dem die AK-Partei um den Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan die größte Wahlniederlage überhaupt erlitt – und das ausgerechnet in Istanbil. Seit 2004 wurde die Metropolregion von keiner anderen Partei regiert. Erdoğan selbst hatte hier von 1994 bis 1998 regiert – damals unter einer anderen Parteiflagge.
Istanbul ist wichtig. Die Metropole gilt als das wirtschaftliche Zentrum der Türkei. Hier leben 16 Millionen Menschen. Das sind fast ein Fünftel aller Türkinnen und Türken. Präsident Erdoğans Aussage über die Stadt sagt viel aus: „wer auch immer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“.
Ekrem Imamoğlu (CHP) schockte AKP
So war die Wahlniederlage für die AKP ein Schock. Für die Opposition hingegen galt sie als ein erstes Hoffnungssignal. Doch das Wahlergebnis wurde schnell annulliert, wegen angeblicher Regelwidrigkeiten, wie es die Wahlbehörde YSK damals begründete. Doch auch die Neuwahlen konnte die AKP mit Kandidat Binali Yıldırım nicht gewinnen. Der Oppositionsführer Ekrem Imamoğlu (CHP) schaffte es, mehr als acht Prozentpunkte als sein Konkurrent einzuholen.
Nun stehen in Istanbul erneut Kommunalwahlen an. Am 31. März 2024 wird in der Türkei gewählt. Dem amtierenden Bürgermeister Ekrem Imamoğlu, der nach seinem Wahlsieg 2019 sogar als möglicher Kandidat für das Präsidentenamt gehandelt wurde, steht mit Murat Kurum ein bekanntes Gesicht aus den AKP-Reihen gegenüber. Kurum, der ehemals als Bauminister des Landes amtiert hat, soll sich die Millionenstadt wieder zurückholen.
Murat Kurum vs. Ekrem Imamoğlu
Er leitete von 2018 bis 2023 das Ministerium für Umwelt, Stadtplanung und Klimawandel. Seine enge Arbeit mit Social-Media-Influencern machten ihn besonders innerhalb der jungen Generation beliebt. Die größte Aufmerksamkeit erzielte er aber durch seinen Einsatz im Erdbebengebiet, im Februar 2023 in der Südosttürkei, wo er persönlich den Bau der Notunterkünfte betreute.
DTJ-Online vergleicht die beiden Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt in Istanbul. Bei beiden handelt es sich um beliebte Politiker. Imamoğlu erlangte 2019 mit seiner Wahl zum Istanbuler Oberbürgermeister landesweit Bekanntschaft. Kurum wurde 2018 zum Minister ernannt, erlangte seine Popularität allerdings erst nach dem Erdbeben im Südosten der Türkei Anfang 2023. Kurum gilt als enger Gefährte des türkischen Präsidenten, Imamoğlu als sein größter Konkurrent.
Beziehungen zu Istanbul
Der 48-jährige Kurum hat langjährige Erfahrung im Bereich Immobilienbau. Von 2009 bis 2018 leitete er eine der wichtigsten Abteilungen innerhalb der Wohnungsbaubehörde der Türkei (TOKI). Der in Ankara gebürtige Kurum arbeitete auch in Istanbul. Von 2006 bis 2009 war er ebenfalls für die TOKI in Istanbul tätig.
Allerdings ist das die einzige Erfahrung von Kurum in Istanbul. Wohingegen der amtierende Bürgermeister Imamoğlu schon seit 1987 in Istanbul lebt und hier auch schon als Bezirksbürgermeister im wichtigen Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü tätig war. Damit kennt er die Probleme der Stadt aus eigener Erfahrung und versucht als Bürgermeister diese Probleme anzugehen.
Welche Projekte die Kandidaten vorantreiben
Auf seiner Webseite ekremimamoglu.com zeigt er wenig Bescheidenheit. Mehr Parkplätze, Kanalsanierungen, finanzielle Unterstützung für Studierende: Jedes kleinste Projekt, das unter seiner Leitung in Istanbul verwirklicht wird, erscheint dort in allen Details.
Murat Kurum wirbt damit, die Stadt erneut mit der beliebten Art der AKP zu verwalten. Auf einer Präsentation in dem Ausmaß, wie man sie nur aus den Vereinigten Staaten kennt, stellte Kurum konkrete Pläne vor. Ein großer Fokus lag dabei auf dem Verkehrsproblem der Stadt. Dem Problem will er mit unterschiedlichen Maßnahmen entgegenwirken.
So soll bis Ende 2029 soll die Metrolinie in Istanbul insgesamt 650 Kilometer umfassen, bis 2034 sogar 1004 Kilometer. Aktuell umfasst die Metrolinie rund 328 Kilometer. Zudem sollen zwei neue Tunnel in Istanbul gebaut werden. Zudem wolle er die Stadt zu einer Fahrradstadt umwandeln. Seine Projekte verdeutlichte Kurum bei der Präsentation mit Animationen.
Prominente Unterstützung für Kurum
Zwar haben Kommunalwahlen in der Türkei mittlerweile ihre eigenen Dynamiken. Dennoch könnte die prominente Unterstützung für die Kandidaten einiges am Wahlergebnis ändern. Kurum kann sich beispielsweise auf den türkischen Präsidenten Erdoğan verlassen, der ihm sicherlich einige Punkte einbringen wird. Das schafft er auch besonders durch die Instrumentalisierung vieler islamischer und türkischer Werte.
So bezeichnete Erdoğan den amtierenden Bürgermeister Imamoğlu abwertend als „Teilzeit-Bürgermeister“ und verglich die derzeitige Situation Istanbuls mit der Zeit des osmanischen Interregnum (Fetret Devri). „Insbesondere werden wir unsere schöne Stadt Istanbul, die ein Vermächtnis von Fatih, dem Eroberer, ist, wiederherstellen und die Stadtverwaltung so umgestalten, dass sie ausschließlich für die Bürger von Istanbul dient“, so Erdoğan.
Galatasaray-Präsident wird wegen Kurum-Aussage kritisiert
Imamoğlu hingegen wird vermutlich überwiegend mit seiner eigenen Persönlichkeit ins Rennen gehen. Über die Stadtgrenzen hinweg hat der CHP-Kandidat einen großen Beliebtheitswert. Viele sehen in ihm sogar den direkten Konkurrenten von Erdoğan. Seine Art und Weise, auf der Bühne zu sprechen, erinnert viele an Erdoğan. Sein neuer Parteichef Özgür Özel muss sich noch innerhalb der Bevölkerung profilieren, um eine große Wahlkampfunterstützung zu leisten.
Kurum zog kürzlich die Aufmerksamkeit auf sich, als er die drei großen Istanbuler Klubs besuchte. Einige Fans kritisierten ihre Vereinsführungen für die Art und Weise. Inbesondere Dursun Özbek, Präsident von Galatasaray, musste die größte Kritik einstecken. Dieser sagte, dass „Murat Kurum eine Chance für Istanbul sei“. Fans kritisierten, dass er damit Partei ergriffen habe und dies einer Vereinsführung nicht würdig sei.
Politikverbot für Imamoğlu noch nicht vom Tisch
Imamoğlu hat derzeit allerdings ein großes Problem. Ihm droht ein Politikverbot. 2022 Politikverbot für Imamoğlu noch nicht vom TischImamoğlu hat derzeit allerdings ein großes Problem. Ihm droht ein Politikverbot. 2022 hatte ein Gericht den Politiker zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Er soll die Mitglieder des türkischen Wahlvorstands als „Idioten“ bezeichnet haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und liegt dem Berufungsgericht vor.
Auch wenn Kritiker dahinter politisches Kalkül der Regierung sehen, um ihn auszuschalten, könnte dieses Thema dem 53-jährigen Stimmen kosten. Erste Umfrageergebnisse zeigen den amtierenden Bürgermeisterkandidaten leicht vorn. Doch für repräsentative Aussagen ist es noch zu früh. Die heiße Wahlkampfphase startet in den nächsten Wochen erst noch. Eins ist aber klar: Diese Kommunalwahl in Istanbul wird so spannend werden, wie lange nicht mehr.