Gesellschaft
Kindheit zerstört durch Missbrauch: Gefängnis für Zwangsheirat in der Türkei
Ein sechsjähriges Mädchen wird an einen Mann in einer einflussreichen religiösen türkischen Sekte verheiratet. Erst Jahre später kommt es zum Prozess. Das Urteil nun gibt einen Einblick in ihr Leid.
Das Bekanntwerden der Verheiratung eines Mädchens in der Türkei im Kindesalter schockierte vor rund zwei Jahren Menschen über das Land hinaus. Nun sind ihr Vater und der damalige Ehemann zu langen Haftstrafen verurteilt worden.
Der Mann muss wegen wiederholten sexuellen Kindesmissbrauchs und sexueller Nötigung 36 Jahre ins Gefängnis, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Der Vater des Mädchens wurde wegen wiederholten sexuellen Missbrauchs zu fast 19 Jahren verurteilt.
Opfer hatte nach Jahren geklagt
Berichten zufolge habe der Vater, Gründer der einflussreichen islamischen Hiranur-Stiftung, 2004 seine Tochter mit einem 29-Jährigen islamisch trauen lassen. Ende 2020 hatte das mittlerweile erwachsene Opfer Klage eingereicht. Ein erstes Urteil in dem Fall war auf Anregung eines Istanbuler Gerichts revidiert worden.
Mit sechs Jahren Ehefrau: Abermals Kindesmissbrauch in der Türkei
Es hatte argumentiert, die Strafen von 30 und 20 Jahren seien zu niedrig. Tatsächlich wurde das Strafmaß nun erhöht, zumindest in einem Fall. Gegen die ebenfalls angeklagte Mutter des Mädchens wurde Haftbefehl erlassen. Sie ist jedoch auf der Flucht.
Ärztlicher Hinweis ignoriert
Ein Journalist der oppositionellen Zeitung „Birgün“ hatte den Fall öffentlich gemacht. Er befeuerte auch die Diskussion um den Einfluss islamischer Orden in der Türkei.
Der Zeitung zufolge sei bereits im Jahr 2012 ein Arzt auf den mutmaßlichen Missbrauch aufmerksam geworden und habe die Behörden verständigt. Zu einer Strafverfolgung sei es aber nicht gekommen.
dpa/dtj