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Kita „Elele“ vor dem Aus: Ein Symbol der Verständigung droht zu verschwinden

  • Juli 16, 2025
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Kita „Elele“ vor dem Aus: Ein Symbol der Verständigung droht zu verschwinden

Zwei Wochen vor Beginn des neuen Kita-Jahres steht die interkulturelle Kindertagesstätte „Elele“ in Solingen-Höhscheid vor dem Aus. Gespräche mit der AWO als potenziellem Träger sind gescheitert. Für rund 40 Kinder, ihre Familien und das engagierte Team der Kita beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Und das ausgerechnet in einer Stadt, die mit dieser Kita seit 1993 ein Zeichen gegen Rassismus und für Verständigung setzen wollte.

Wie die Rheinische Post berichtet, ist die AWO Solingen nach monatelangen Gesprächen als möglicher neuer Träger der Kita „Elele“ (zu deutsch „Hand in Hand“) abgesprungen. Die Enttäuschung ist groß – nicht nur wegen der kurzfristigen Wendung, sondern auch wegen des Umgangs mit dem Kita-Team. Mitarbeitende berichten von einem respektlosen Auftreten seitens des AWO Kreisverbands Solingen und dem Vorhaben, Mitarbeitende nach der Übernahme in andere Einrichtungen der AWO zu versetzen.

Dabei hat die Belegschaft in einem konstruktiven Brief, der DTJ-Online vorliegt, gefordert, die Bindung der Erziehenden und Kinder zu bewahren und das Team in der Einrichtung zu behalten. Der Wunsch ist pädagogisch plausibel und eine Forderung, die umsetzbar ist. Dies zum Anlass zu nehmen, um so zeitkritisch auszusteigen, ist für die AWO ein Armutszeugnis.

AWO ohne Feingefühl – ausgerechnet in einer interkulturellen Einrichtung

Dass ein sozialer Träger wie die AWO, der sich selbst auf die Fahne schreibt, Vielfalt und Teilhabe zu fördern, so grob mit einem interkulturellen Team umgeht, stößt vielen bitter auf. Denn die Erziehenden der Kita Elele sind nicht nur Personal – sie sind Vertrauenspersonen, emotionale Anker für Kinder und Brückenbauer für Familien mit und ohne Migrationshintergrund.

Eltern, mit denen das DTJ gesprochen hat, äußern sich fassungslos: „Unsere Kinder lieben das Team. Sie fühlen sich geborgen, verstanden – und jetzt soll das einfach auseinandergerissen werden?“ Die AWO habe, so der Vorwurf, keinen echten Willen zur Übernahme gezeigt, sondern Bedingungen gestellt, die auf eine schleichende Abwicklung hinausliefen.

Stadt Solingen schon im Urlaubsmodus

Doch mindestens ebenso kritisch wiegt das Verhalten der Stadt Solingen. Weder in der öffentlichen Kommunikation noch im Handeln ist erkennbar, dass die Verwaltung die besondere Verantwortung erkannt hat, die sie gegenüber dieser Kita trägt. Seit dem rassistischen Brandanschlag von 1993 ist Elele ein Ort gelebter Erinnerung und aktiven Miteinanders. Die Einrichtung entstand als direkte Reaktion auf das damalige Trauma der Stadt – mit dem Ziel, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.

Diese Brücke droht nun einzustürzen – und die Stadt schaut zu. Wie die RP schreibt, gibt es durchaus Interessenten für eine Übernahme, darunter auch Träger mit kultursensiblem Konzept. Doch anstatt den Weg für eine transparente, faire Lösung freizumachen, wurde bislang auf eine einzige Karte gesetzt: die AWO. Und die zieht in dieser kritischen Phase den Stecker.

De facto „Staatsräson“: Stadt muss das Unmögliche möglich machen

Dass noch Alternativen möglich sind, wie in dem Bericht der RP deutlich wird, entzieht der Stadt Solingen die Argumentationsgrundlage, es gäbe keinen anderen Weg. Außerdem müsste gerade die Klingenstadt aufgrund des sensiblen Kontextes das Unmögliche möglich machen und alle Hebel in Bewegung setzen.

Denn was hier auf dem Spiel steht, sind nicht nur Kita-Plätze. Es geht um Vertrauen. Um ein Stück interkulturelle Geschichte dieser Stadt. Und um die Frage, ob aus dem „Nie wieder“ von 1993 ein echtes „Jetzt erst recht“ werden kann.

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