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Politik

Erdoğans Rachefeldzug

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Premierminister Erdoğan hatte noch am Abend der Kommunalwahl am 30. März eine große Abrechnung mit der Hizmet-Bewegung angekündigt. Dieses Vorhaben scheint er nun mit der Verhaftung Dutzender führender Polizeibeamter in die Tat umzusetzen.

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Ein türkischer Polizist wird während der Verhaftungswelle am 22.07.2014 abgeführt.
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Sofort nach den Korruptionsermittlungen vom 17. Dezember vergangenen Jahres hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die Verantwortlichen für die Ermittlung, die auch sein Umfeld betrafen, festgemacht: Die Hizmet-Bewegung um den türkischen Prediger Fethullah Gülen. Seit Monaten betreiben er und die regierungsnahen Medien eine Diffamierungs- und Verleumdungskampagne gegen Gülen und die Hizmet-Bewegung, die Erdoğan als „illegale Parallelstruktur“ politisch bekämpft. Konkretisiert hat Erdoğan seine Anschuldigungen nie. Er sprach immer wieder lediglich von „Agententätigkeit und Zusammenarbeit mit dunklen ausländischen Mächten“.

Nun lässt Erdoğan Worten Taten folgen. In einer gesetzeswidrigen Nacht- und Nebelaktion ließ er in der Nacht von Montag auf Dienstag Polizeibeamte verhaften, die am 17. und 25. Dezember 2013 lediglich die Anweisungen der zuständigen Staatsanwaltschaften umgesetzt hatten. Dem Nachrichtensender CNN Türk zufolge sind Haftbefehle gegen insgesamt 134 Verdächtige erlassen worden. Die meisten der Verdächtigen befanden sich in verantwortlichen Positionen, als im letzten Dezember Ermittlungen wegen Korruptions- und Bestechungsfälle im Umfeld der Regierung bekannt und Razzien durchgeführt wurden. Nach den Razzien mussten vier Kabinettsmitglieder zurücktreten. Prominente Geschäftsleute und Beamte saßen mehrere Wochen in U-Haft. Nach mehreren Zwangsversetzungswellen, bei denen mehrere tausend Polizisten, Staatsanwälte und Richter ihre Posten räumen mussten, wurden die Verdächtigen freigelassen. Mit diesen Maßnahmen hat die AKP-Regierung eine juristische Aufarbeitung der Korruptionsvorwürfe verhindert.

Kommunalwahlsieg als Auftrag zur „Säuberung“ interpretiert

Das türkische Parlament hat zudem einen Untersuchungsausschuss gebildet, die den Vorwürfen gegen die Minister nachgehen soll. Die Arbeit des Ausschusses wird jedoch von der AKP-Regierung blockiert.

Seit dem 17. Dezember wird auch über Ermittlungen gegen die Hizmet-Bewegung spekuliert. Erdoğan hat seinen Wahlerfolg bei den Kommunalwahlen am 30. März auch als Auftrag interpretiert, die Hizmet-Bewegung zu bekämpfen. Was der Bewegung und Personen, die ihr nahe stehen, jedoch genau vorgeworfen wird und ob die Vorwürfe auf juristisch tragfähigen Beweise basieren, ist schwer zu beurteilen, da die AKP-Regierung durch Gesetzesänderungen in den vergangenen Monaten das Recht von Angeklagten und ihren Anwälten, sich über Ermittlungsinhalte zu informieren, stark eingeschränkt hat. Viele Beobachter befürchten, dass zu einem politischen Schuldspruch nun die nötigen Belege geliefert werden. Es laufen zwar mehrere Ermittlungen gegen Fethullah Gülen und Personen, bei denen eine Nähe zur Hizmet-Bewegung angenommen wird, jedoch erfahren weder der Anwalt noch der Angeklagte selbst, was ihm die Staatsanwaltschaft genau vorwirft, bis es zu einem Gerichtsverfahren kommt.

Über die aktuelle Verhaftungswelle sagt der Chefredakteur der auflagenstärksten politischen Wochenzeitschrift „Aksiyon“, Bülent Korucu , dass sie gesetzwidrig seien, da die Polizeibeamten lediglich die Anweisungen der Staatsanwaltschaft ausgeführt hätten. Auch wenn der Schwerpunkt der Verhaftungswelle in Istanbul liegt, sind weitere 21 Provinzen von der landesweiten Aktion betroffen.

Es ist von Spionage und illegalen Abhöraktionen die Rede

Unter den Festgenommenen befinden sich unter anderem der frühere Chef der Istanbuler Anti-Terror-Einheit, Yurt Atayün, der Chef der landesweiten Antiterrorabteilung zum Zeitpunkt der Razzien vom 17. Dezember 2013, Ömer Köse, sowie die früheren stellvertretenden Polizeichefs Kazım Aksoy, Ramazan Candan und Gafur Ataç. Aksoy war am 17. Dezember noch in der Abteilung für Finanzkriminalität beschäftigt, Köse wurde unmittelbar nach den damaligen Operationen suspendiert. Ihnen wird vorgeworfen, Teil eines „Parallelstaates“ zu sein, dessen Ziel es gewesen sei, die Regierung zu unterminieren. Mindestens 40 weiteren Personen wird vorgeworfen, in Spionage, illegale Abhöraktionen und Fälschung öffentlicher Dokumente involviert zu sein. Mindestens 12 Personen wurden im Zuge einer weiteren Operation festgenommen, die sich gegen frühere Geheimdienstmitarbeiter richtete, die illegale Observationen durchgeführt haben sollen. Erdoğan betonte in einem Fernsehinterview noch am gestrigen Montag, er werde nicht von seinem Versprechen abrücken und „den Staat säubern“. Mehrfach hatte er in den vergangenen Wochen dafür den Begriff „Hexenjagd“ verwendet.