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Politik

Wie Lira-Krise und Inflation Erdoğan unter Druck setzen

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Schwächelnde Lira, steigende Inflation: Sein Bemühen, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln, lässt den türkischen Präsidenten als gewieften Manager dastehen. Daheim setzen wirtschaftliche Schwierigkeiten seinem Volk zu.


Im Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat er erfolgreich vermittelt, die Sorgen vor (noch) schlimmerem Hunger in der Welt dürfte er beruhigt haben, und auch der Dank der Weltgemeinschaft gebührt ihm. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat es wieder einmal geschafft, sein Image in der Welt aufzupolieren.

Sein Bemühen um den Export von Weizen und Mais aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen hat ihm Respekt eingebracht. Außenpolitisch. Innenpolitisch sieht es anders aus. Vielerorts geht es der türkischen Bevölkerung schlecht. Eine schwächelnde Wirtschaft, niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit – Krisen überall.

Krise wird für viele Türken zum Überlebenskampf

Nur ein paar Fakten zur aktuellen Wirtschaftslage in der Türkei: Die Inflationsrate steigt und steigt. Die türkische Lira wertet zugleich immer mehr ab. 60 Prozent der Beschäftigten verdienen nur einige Hundert Euro im Monat. Und der Anteil der Arbeiterinnen und Arbeiter, die im Niedriglohnsektor tätig sind, steigt unaufhaltsam.

Gerade für sie wird die Inflation, die zuletzt mit 80,5 Prozent einen historischen Höchststand erreichte, zum Überlebenskampf. Den Schub der Preissteigerungsrate befeuert die anhaltende Abwertung der türkischen Lira sowie die damit verbundene Verteuerung der Importe. Hinzu kommen steigende Öl- und Rohstoffpreise infolge des Krieges.

Erdoğan wird sich rechtfertigen müssen

Die Menschen in der Türkei werden wohl auch in Zukunft immer mehr Geld für Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben müssen. Für viele ist selbst das unerschwinglich geworden. Die Folge: In Großstädten wie Istanbul eröffnen nun städtische Suppenküchen. In der Bosporus-Metropole sollen bis Ende des Jahres zehn kostenlose Essenausgabestellen entstehen.

Türkische Inflation höher als bei der historisch schwersten Krise 2001

Und immer häufiger müssen auch Angehörige der Mittelschicht auf die Angebote zurückgreifen. Für Erdoğan birgt die miserable Wirtschaftslage sozialen und politischen Zündstoff, auch wenn er kürzlich zum 21. Jahrestag der AKP sich selbst und seine Partei mit Lob überschüttete. Recht zynisch klang es, als er sagte: „Die heutige Türkei ist demokratischer als noch vor 21 Jahren“. Sicher ist: Er wird sich für die Krise im eigenen Land rechtfertigen müssen. Und im Juni 2023 stehen Wahlen an.

Muss der Präsident um seine Macht fürchten?

Gerade bei ärmeren Haushalten hatte der türkische Präsident bei den vergangenen Wahlen punkten können. Sie trifft die hausgemachte Krise aber am meisten. Und mittlerweile formieren sich vielerorts Protestgruppen. Initiativen wie „Wir können nicht überleben“ werden zum Sprachrohr der Armen. Und es könnte noch schlimmer kommen. Für den Herbst und Winter 2022 analysierte der Deutsche-Bank-Ökonom Fatih Akcelik für das Handelsblatt, „dass der Druck auf die Lira in den letzten Monaten des Jahres am größten sein wird.“

Für Erdoğan, der es in den letzten Jahren immer wieder geschafft hat, eine Wahl nach der anderen zu gewinnen, bedeutet das: Er muss zusehends um seine Macht fürchten. Nicht von ungefähr kommt es, dass er sein Wahlteam vor wenigen Tagen zusammengetrommelt und dazu angehalten haben soll, in die Offensive zu gehen noch mehr für den Wahlsieg im kommenden Sommer zu tun als in den Jahren zuvor. Sein größter Vorteil: Nach wie vor versteht es die Opposition kaum, die Lage für sich zu nutzen.

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