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Politik

Meral Akşener und die ganze Wahrheit zum Eklat am Sechser-Tisch

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Kaum eine Frau prägte die türkische Politik so sehr wie sie: Meral Akşener. Bereits als Innenministerin stand sie Mitte der 1990er-Jahre im Rampenlicht. Heute ist sie die große Hoffnung vieler, die sich eine Türkei ohne Recep Tayyip Erdoğan wünschen. Ein Talkshow-Auftritt ließ jüngst tief blicken.

Endlich spricht die Vorsitzende der İyi-Partei selbst. Nachdem mehrere Tage lang das ganze Land den Atem anhielt und das Sechser-Bündnis der türkischen Oppositionsparteien auf der Kippe stand, weil Meral Akşener mit einer Brandrede diese Union zu zerschlagen schien, trat die charismatische Politikerin beim renommierten Journalisten und Anchorman Fatih Altaylı auf.

Dieser hatte ehrliche Fragen für eine ehrliche Politikerin vorbereitet. Die Sendung wurde allein auf YouTube innerhalb weniger Stunden hunderttausende Male gestreamt. Um ein Vielfaches fand das Zwei-Stunden-Interview über die sozialen Medien Verbreitung.

Erdoğan zeigte sich von Zerwürfnis amüsiert

Dabei schien es nach den Turbulenzen der vergangenen Tage so, als wäre das Projekt „Alle gegen Erdoğan“ beendet. Plötzlich herrschte ausgelassene Partystimmung im Regierungslager. Erdoğan selbst zeigte sich von der Misere amüsiert. „Sie haben sich zusammengesetzt, gesprochen und sind wieder auseinander gegangen“, kommentierte der AKP-Chef und Staatspräsident die Krise.

Die Forderungen von Akşener waren deutlich und zeichneten tatsächlich das Bild einer irreparablen Krise. Die meisten Experten waren sich einig, dass es nichts mehr werde mit dem Bündnis. Nur wenige – wie beispielsweise Fatih Altaylı – wollten sich noch nicht festlegen.

Wie war das mit dem Dritten, wenn zwei sich streiten?

Der erfahrene Journalist sollte Recht behalten. Trotz extremer Differenzen ereignete sich eine wundersame Wendung. Zugleich wurde an der spaltenden Politik der vergangenen Jahre ein Exempel statuiert. Um das gemeinsame Ziel nicht zu gefährden, das Versprechen an die Bevölkerung zu halten, aber auch, um zu zeigen, dass eine andere Politik in der Türkei möglich ist, kehrte Akşener an den Sechser-Tisch zurück.

Dem türkischen Präsidenten dürfte das, gemessen an den aktuellen Umfragewerten, so gar nicht in die Karten spielen. Insbesondere in Umfragen in den sozialen Medien verliert Erdoğan drastisch. Bei Cüneyt Özdemir liegt er bei rund 20 Prozent. Fast 80 Prozent seien demnach für den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Kemal Kılıçdaroğlu (CHP).

Akşener: „Heute bin ich glücklich“

Um alle Diskussionen endgültig zu beenden, beantwortete die Politikerin der İyi-Partei in der Sendung „TekeTek“ kritische Fragen. „Heute bin ich sehr glücklich“, sagte Akşener dort. Es fühle sich nun so an, als habe sie bereits den 13. Staatspräsidenten der Türkei gewählt. Die eiserne Lady zeigte sich siegessicher.

Die CHP vor den Türkei-Wahlen 2023: Gelingt der Überraschungscoup?

Akşener gewährte aber auch tiefe Einblicke in ihre persönliche Gedankenwelt. „Ich habe mich gesteinigt gefühlt, wie der Teufel bei der Hadsch“, berichtete die Politikerin über den Shitstorm gegen ihre Person nach dem Austritt aus dem Bündnis.

„Ersan Şen hat sich für uns ins Feuer geworfen“

Einen Präsidentschaftskandidaten mit dem Namen Kemal Kılıçdaroğlu wollte Akşener eigentlich nicht unterstützen. So schien die İyi-Partei auf der Suche nach einem eigenen Kandidaten. In dieser Situation kam es plötzlich zur Offensive aus einer unvermuteten Ecke.

Der Jura-Professor und Talk-Show-Dauergast Ersan Şen bot sich vor laufender Kamera als Kandidat für die Präsidentschaftswahl an. Im Nachhinein zeigt sich: Dieser riskante Vorstoß zahlte sich für Şen nicht aus. Akşener ruderte schließlich zurück: Kılıçdaroğlu wurde Präsidentschaftskandidat und Şen in höchstem Maße blamiert.

„Kılıçdaroğlu als Kandidat war schon klar“

Vor der Kamera sieht das Akşener zwar anders. Dennoch: Brüskierende Szenen des fragwürdigen Juristen gingen im Netz viral. Sie selbst habe das Angebot nie ernst genommen, sagte Akşener. Schließlich habe Şen es selbst nicht ernst gemeint. Auf Kosten seines eigenen Rufes habe er sich für die Partei ins Feuer geworfen.

Dafür sei sie ihm dankbar und wolle ihn zu sich einladen. Außerdem, so die gewiefte Rhetorikerin, sei die Kandidatur von Kılıçdaroğlu eigentlich bereits klar gewesen. Doch die Art, wie Akşener ihren Rücktritt vom Tisch angekündigt hatte, war so radikal, dass keiner mehr an ein Zurück geglaubt hatte.

„Warum waren Sie dann so hart in ihren Aussagen?“

„Das musste so sein“, ist sich die Politikerin auch nach ihrer Rückkehr an den „Sechser-Tisch“ sicher. Dabei sei das Problem weniger die Härte, sondern wohl eher ihre klare und direkte Art. Für sich selbst habe die seit 28 Jahren aktive Politikerin nichts herausschlagen wollen. Eine Kandidatur als Präsidentin lehnt sie seit Längerem ab.

Sie habe mit dieser harschen Wortwahl ihre Wünsche durchgesetzt. Nun sei Kılıçdaroğlu zum Kandidaten gekürt worden. Er steige aber gemeinsam mit seinen beiden Oberbürgermeistern (Ekrem İmamoğlu aus Istanbul und Mansur Yavaş aus Ankara, beide CHP) in den Ring, um gegen das Schwergewicht Erdoğan zu gewinnen. „Sie werden diesen Weg zusammen gehen“, so Akşener. Das habe sie bewirkt.

„Dann höre ich hier und heute mit der Politik auf“

Kritiker:innen hätten ihr vorgeworfen, aus eigenem Interesse die Querulantin gespielt zu haben. Sie wolle sich so die erste Beraterposition des neuen Präsidenten reservieren. Das sei eine billige Lüge, bekräftigte die 67-Jährige. Sie fügte hinzu: „Es braucht keine Belege: Wenn einer der Personen am Tisch sagt, dass ich nur einen bloßen Buchstaben in dieser Angelegenheit von mir gegeben habe, dann höre ich hier und heute mit der Politik auf.“

Alles klar nach Akşener-Wende: Kılıçdaroğlu kandidiert gegen Erdoğan

Dass sie die beteiligten Kleinstparteien im Oppositionsbündnis nicht auf ihre Kosten ins Parlament tragen wolle, ist indes klar. Über diesen Punkt musste Akşener bei Altaylı schmunzeln. „Wissen Sie, das ist absolut sinnlos“, zeigte sich Akşener irritiert. Schließlich sei es das oberste Ziel, zu gewinnen. Nur wenn man diese Wahlen in dieser geschlossenen Gemeinschaft gewinnt, wird man überhaupt ins Parlament einziehen.

Bekommt die HDP einen Platz am Tisch?

Angesprochen auf die Frage, ob die pro-kurdische HDP nicht auch dieses Bündnis gegen die AKP-Koalition bereichern könnte, reagierte Akşener wie gewohnt deutlich. Niemals habe die HDP einen Platz an einem Tisch, an dem sie sitze.

Doch wenn andere Parteien am Tisch mit ihr in Dialog treten, habe sie nichts dagegen. Voraussetzung sei, dass der HDP keinerlei Versprechen gemacht würden. Auf diese Worte gab es vonseiten der HDP bereits Reaktionen. Der inhaftierte Selahattin Demirtaş schrieb einen offenen Brief an Akşener.

Letztes großes Fragezeichen: Was macht Kılıçdaroğlu mit der HDP?

„Wenn Sie die Regierung bilden, die HDP aber nicht an Ihren Tisch lassen, welchen Tisch würden Sie uns dann empfehlen?“, fragte Demirtaş aus seiner Zelle in Edirne heraus. Die Enttäuschung spricht den Wählerinnen und Wählern der HDP wohl aus der Seele. Die HDP sei lediglich bereit für einen politischen Diskurs auf Augenhöhe.

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