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Panorama

Neue Erdbeben in Hatay: Panische Angst bei Überlebenden

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Den Menschen in der Südosttürkei steckt die Katastrophe vor zwei Wochen noch in den Knochen. Während manche Opfer noch nicht einmal beerdigt sind, bebt erneut die Erde. Wieder rennen Menschen panisch auf die Straße und retten sich aus einstürzenden Gebäuden.

Zwei Wochen nach der Erdbebenkatastrophe in der Region hat ein weiteres Beben der Stärke 6,4 den Südosten der Türkei und Norden Syriens erschüttert. Das Epizentrum lag in der türkischen Provinz Hatay bei Samandağ, wie die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul am Montagabend mitteilte. Mindestens drei Menschen seien gestorben, 213 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Montagabend. Am Dienstag wurde die Zahl auf sechs Tote und 294 Verletzt korrigiert. In Syrien stürzten erneut Häuser ein, Verletzte wurden gemeldet.

Nach Angaben der türkische Katastrophenschutzbehörde Afad erschütterten zwei Beben der Stärke 6,4 und 5,8 im Abstand von drei Minuten die Region. Es habe mindestens 20 Nachbeben gegeben, sagte der türkische Vize-Präsident Fuat Oktay. Am Wochenende war vor einem möglichen Erdbeben jenseits der Stärke 6 gewarnt worden.

Der Sender CNN Türk berichtete, die Menschen seien in Panik auf die Straße gelaufen, zudem sei in Hatay der Strom ausgefallen. Rettungskräfte in der Stadt Antakya arbeiten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu daran, drei unter Trümmern eingeschlossene Menschen zu befreien.

Krankenhaus wird evakuiert

Der Bürgermeister von Hatay warnte, die Erdbebenserie sei noch nicht vorbei. Via Twitter rief er dazu auf, sich von einsturzgefährdeten Gebäuden fernzuhalten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, das staatliche Krankenhaus in der Küstenstadt Iskenderun werde evakuiert.

Das Beben war Medienberichten zufolge auch in den umliegenden Provinzen der Türkei sowie im Norden Syriens, in Israel, im Irak und im Libanon zu spüren. Die Rettungsorganisation Weißhelme teilte mit, im Nordwesten Syriens seien mehrere Städte und Dörfer betroffen. In mehreren Gebieten seien Hauswände und Balkone eingestürzt. 125 Menschen seien verletzt worden, die meisten davon durch „Angst und Panik“, weil Menschen von Häusern gesprungen oder ohnmächtig geworden seien. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zählte am Montagabend 470 Verletzte in Syrien, die meisten davon im Raum Aleppo.

In mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei die Kleinstadt Dschindiris, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde. Fünf Kliniken der Organisation hätten mindestens 30 Verletzte aufgenommen – darunter ein Kind mit Herzstillstand, das reanimiert werden konnte. Ob in der Türkei Häuser einstürzten, war zunächst unklar.

Vorsicht vor Infektionskrankheiten

Ein Aktivist aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo sagte, das Beben sei so stark gewesen wie das vor zwei Wochen, aber kürzer. „Es hat die Menschen verängstigt und auf die Straße rennen lassen“, sagte Abdel Kafi. „Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen und ziehen durch die Straßen in Angst, dass weitere (Erdbeben) folgen werden“, darunter auch in der syrischen Hauptstadt Damaskus, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) für die Region über Twitter mit.

Am 6. Februar hatte frühmorgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaraş. Mehr als 47.000 Menschen starben, davon mehr als 41.000 in der Türkei. In vielen Provinzen in der Türkei wurden die Sucharbeiten nach Verschütteten inzwischen beendet.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte am Montag davor, dass sich Infektionskrankheiten in der Region ausbreiten und in den kommenden zwei bis vier Wochen etliche Ansteckungen zur Folge haben könnten. Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein besonderes Risiko dar.

Baerbock reist nach Gaziantep

Derweil sagten Unternehmen und Verbände in Deutschland am Montag dringend benötige Materialien wie Arzneimittel, medizinische Geräte und weitere Hilfsgüter im Millionenwert zu, wie das Bundesgesundheitsministerium in Berlin nach einem „Spendengipfel“ mitteilte. Die Lieferungen sollen schnell in die Krisengebiete gebracht werden – von den Firmen selbst oder in Kooperation mit der türkischen Regierung sowie mit Helfern.

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Am Dienstag reisen Außenministerin derweil Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in das von den Erdbeben vor zwei Wochen betroffene Gebiet. Die Ministerinnen wollen sich in der Region um das Epizentrum nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien ein Bild der Lage machen, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin mitteilte.

Erdoğan will „Hatay in all seinen Farben wiederbeleben“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Montag von einer Jahrhundertkatastrophe und bat die Menschen in Deutschland, langfristig zu helfen. „Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität“, sagte er bei einer Gedenkveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am Brandenburger Tor in Berlin. Das Ausmaß der Zerstörung lasse erahnen, dass es lange dauern werde, bis die Überlebenden regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt seien.

US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich am Montag in Ankara fassungslos angesichts der Zerstörungen in der türkisch-syrischen Erdbebenregion. Er hatte sich am Sonntag gemeinsam mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu ein Bild von der Situation in der besonders schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay gemacht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte am Montag bei einem erneuten Besuch in Hatay an, die Städte in der Provinz zügig wieder aufzubauen. Man wolle Hatay „in all seinen Farben wiederbeleben“, sagte er. Zuvor hatte Erdoğan den US-Außenminister am Flughafen in Ankara getroffen.

dpa/dtj

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