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Politik

Seit 25 Jahren im Exil gewesen: Fethullah Gülen gestorben

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An Fethullah Gülen, hier zu sehen in einer Aufnahme aus dem Jahr 2014, schieden sich zeit seines Lebens die Geister. Für seine Anhänger war er ein gemäßigter Geistlicher und Meinungsführer, seine Gegner hielten ihn für einen gefährlichen Widersacher der türkischen Regierung mit einer eigenen Agenda. Foto: Selahattin Sevi
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Fethullah Gülen gründete eine weltweit aktive Bewegung und galt als Staatsfeind Nummer eins in der Türkei. Präsident Erdoğan machte ihn für den Putschversuch 2016 verantwortlich und erklärte dessen Bewegung zu einer Terrororganisation. Nun starb Gülen, der eine Verwicklung in den Putschversuch stets bestritt, im US-Exil.

Der 83-jährige Fethullah Gülen ist tot. Der Geistliche sei am Sonntagabend um 21:21 Uhr Ortszeit in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Pennsylvania gestorben, erklärte der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun. Die Stiftung ist der deutsche Ableger der transnationalen Gülen-Bewegung, die in Deutschland unter anderem Schulen, Nachhilfezentren und Kindergärten betreibt.

Gülen sei ein einflussreicher muslimischer Gelehrter gewesen, dessen Vision den Anstoß zur globalen Hizmet-Bewegung gegeben habe, teilte die Stiftung mit. Ziel der Bewegung ist es, Muslime über Bildungseinrichtungen, Medien und Vereinsarbeit für eine fromme Lebensweise zu gewinnen. Aus der Bewegung hieß es, Gülen sei schon seit einigen Jahren gesundheitlich angeschlagen gewesen.

Gülen für Erdoğan Staatsfeind Nummer eins

Die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan betrachtet Gülen als Staatsfeind Nummer eins. Erdoğan hält ihn nach wie vor für den Drahtzieher des Putschversuchs von 2016 in der Türkei und hat immer wieder dessen Auslieferung gefordert. Gülen hatte seine Beteiligung stets abgestritten. Seit 1999 lebte er im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Am 15. Juli 2016 hatten in der Türkei Teile des Militärs gegen die Regierung von Präsident Erdoğan geputscht. In Istanbul und der Hauptstadt Ankara gab es schwere Gefechte zwischen Putschsoldaten und regierungstreuen Sicherheitskräften. Der Aufstand wurde schließlich niedergeschlagen. Mehr als 250 Menschen starben und mehr als 2.000 wurden verletzt. Bis heute ist nicht ganz klar, wer hinter dem Putschversuch steckt. Gülen-Anhänger und andere Kritiker bezichtigen die Regierung, den Putschversuch inszeniert zu haben, um das Land noch autoritärer regieren zu können und die Bewegung komplett zu kriminalisieren.

Sánchez Amor: „Wann sind aus Gülenisten Terroristen geworden?“

Unter dem Ausnahmezustand, den Erdoğan anschließend ausrief und der erst im Juli 2018 endete, ging die Regierung gegen mutmaßliche Putschisten und Anhänger von Gülens Bewegung, aber auch gegen Oppositionelle vor. Per Dekret wurden mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen und Zehntausende Menschen verhaftet. In der Türkei ist die Gülen-Bewegung seither als Terrororganisation eingestuft. Viele andere Staaten folgen dieser Einordnung nicht. So auch Bruno Kahl, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND): „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen. Die Gülen-Bewegung ist eine zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung.“

Karakoyun: Bewegung wird fortbestehen

Der Stiftung Dialog und Bildung zufolge basiert Gülens Lehre auf einer zeitgemäßen Interpretation islamischer Traditionen und fördert universelle Werte wie Mitgefühl, Gleichheit und Gerechtigkeit. Gülen habe sich für den Dialog zwischen unterschiedlichen religiösen, ethnischen und kulturellen Gruppen eingesetzt und viele Menschen dazu ermutigt, diesem Beispiel zu folgen. Die Bewegung sei bekannt für ihren Einsatz zur Förderung von Wissenschaft, Bildung, sozialem Empowerment und gemeinnützigem Engagement. Gülen selbst sei ein entschiedener Kritiker von Radikalismus, Terrorismus und Gewalt im Namen der Religion gewesen und habe sich unermüdlich für Frieden und gegenseitiges Verständnis in einer konfliktreichen Welt eingesetzt.

Karakoyun ist sich sicher, dass Gülens Vermächtnis durch die vielen Bildungs- und humanitären Initiativen der Bewegung fortbestehen werde. „Sein Einsatz für ein friedliches Miteinander und den Dienst an der Menschheit wird auch künftige Generationen inspirieren“, so der Vorsitzende. Die Bewegung, deren Zukunft Gegenstand vieler Diskussionen ist, werde weiter existieren. Sie habe sich stets durch ihre dezentralisierte Struktur und ihre Prinzipien der Konsultation, Zusammenarbeit und gemeinsamen Verantwortung ausgezeichnet.

Gülen soll in Pennsylvania bestattet werden.

dtj/dpa