Gesellschaft
Trotz Solingen, Terror, Hass und Hetze: Nur gemeinsam sind wir stark
Drei Tote, acht Verletzte und ganz viel Hass: Nach der schrecklichen Tat von Solingen heizt sich die Debatte von rechts auf. Und schon ist wieder die Rede von „Messermännern“ und „Asylflut“. Dabei müssten wir es doch eigentlich besser wissen.
Ausgerechnet in Solingen, ausgerechnet in der Stadt der Messer, wie es große Tafeln schon am Ortseingang verkünden, verübte am Wochenende ein abgelehnter Asylbewerber ein schreckliches Attentat. Wahllos stach er während der 650-Jahr-Feier der Stadt auf Unbeteiligte ein. Acht Menschen verletzte er. Drei Weitere kommen nie wieder nach Hause. Sie sind tot. Umgebracht von einem „Messermann“, wie es wenig später in den sozialen Medien heißen wird.
Um das einmal klar festzustellen: Dass ein Mann, der unbeschwert feiernde Menschen auf einem Fest angreift und umbringt, ist mit nichts zu entschuldigen. Doch so tragisch das Geschehene ist, so schwer die Tat auf der Seele der Stadt und ihrer Menschen lastet, die Diskussion in den Tagen danach haben die Opfer nicht verdient. Kurz nach der Tat schwang bereits die Anteilnahme in Hass und Hetze um. Schnell gab die extreme Rechte unter dem Hashtag #Solingen auf X den Ton an.
Echokammer der Hetze, die auch politische Konsequenzen hat
Alte Bekannte, wie der langjährige Chef der österreichischen Identitären Martin Sellner, schlachteten die tragische Tat für ihre Zwecke aus. Ein Nutzer veröffentlichte ein Video, in dem er „Menschen die für Vielfalt stehen“ eine Mitschuld an dem Attentat zuschiebt. Laut dem sozialen Netzwerk erzielte sein Post knapp 150.000 Aufrufe und 12.000 Likes. Widerspruch? Fehlanzeige. Die Diskussion auf X ist keine. Wie so häufig zuletzt dreht sich die Erregungsspirale immer weiter. Eine Echokammer der Hetze, die auch politische Konsequenzen hat.
Denn schon sprechen Politikerinnen und Politiker in Berlin von Asylgesetzen. Auch ein Verbot großer Messer auf öffentlichen Plätzen wird gefordert. Das kann man diskutieren. Aber klar ist: Mehr als Symbolpolitik ist das nicht. Die Wahrheit ist, dass sich Taten wie in Solingen nicht verhindern lassen – absolute Sicherheit wird es nicht geben. Nirgendwo.
Diskussionen bitte ohne die Empörungsmechanismen von AfD und Co
Dabei steht schon lange fest: Wir brauchen keinen rechten Staat, sondern eine starken Rechtsstaat, der sich gegen Extremismus wehren kann. Und ja, selbstverständlich muss auch das Schicksal abgelehnter Asylvbewerberinnen und -bewerber diskutiert und neu geregelt werden. Aber bitte fair und besonnen und ohne die Empörungsmechanismen von AfD und Co. Denn auch nach so einer schrecklichen Tat ist der Kampf gegen den Hass das Gebot der Stunde.
Wer das nicht versteht, sollte unbedingt einmal nach Solingen fahren. Dort lebte jahrezehntelang eine Frau, die Schreckliches erlebte: Mevlüde Genç. Vor 31 Jahren verlor sie in der Solinger Brandnacht zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. Danach setzte sie sich für Verständigung und Versöhnung zwischen Muslim:innen und Christ:innen. Immer ruhig, immer besonnen. Wir sollten uns ein Beispiel an ihr nehmen. Nur so lässt sich der Hass besiegen.