Bildung & Forschung
„Türkei- und Islam-Experte“ Eren Güvercin im Abseits

Der in deutschen Polit-Talkshows gerne eingeladene „Türkei-Experte“ Eren Güvercin ist nach der Enthüllung eines mutmaßlichen Plagiats in seinem neuesten Buch in die Kritik geraten. Sein Werk „DİTİB und der ferngesteuerte Islam in Deutschland“ wurde laut Verlag C.H.Beck aus dem Verkehr gezogen, nachdem bekannt wurde, dass ein Unterkapitel nicht, wie behauptet, vom Autor stammt, sondern auf einen Vortrag von Dr. Aydın Süer zurückzuführen ist.
Hat Eren Güvercin in seinem neuesten Buch „DİTİB und der ferngesteuerte Islam in Deutschland“ abgeschrieben und dies nicht gekennzeichnet, wie er es eigentlich tun müsste? Dieser Vorwurf steht seit dem Wochenende im Raum.
Der Verlag, in dem das Buch im vergangenen Jahr erschienen ist, hat jedenfalls bereits Konsequenzen gezogen. In einer offiziellen Mitteilung vom 28. Februar erklärt er auf seiner Webseite:
„Der Verlag C.H.Beck ist darauf hingewiesen worden, dass im o. g. Buch das Unterkapitel ‚Diaspora ist zu Ende‘ (S. 21 – 26) nicht, wie in der Anmerkung auf S. 21 vermerkt ist, auf einem Vortrag des Autors selbst beruht, sondern auf einem von Herrn Dr. Aydın Süer verfassten und gehaltenen Vortrag. C.H.Beck hat den Sachverhalt eingehend geprüft. Da sich der Hinweis als zutreffend erwies, hat der Verlag beschlossen, das Buch vorläufig nicht weiter auszuliefern. Eine nicht kenntlich gemachte Übernahme von Texten Dritter entspricht in keiner Weise den Qualitätsansprüchen des Verlags.“
Güvercin selbst hat sich bislang nicht öffentlich zu der Causa geäußert, doch die Konsequenzen sind bereits spürbar. Buchpräsentationen werden storniert, Kooperationspartner distanzieren sich und in sozialen Medien wird der Fall heftig diskutiert. Canan Topçu, die nach eigenen Angaben diejenige war, die dem Verlag den entscheidenden Hinweis samt Belegen gab, kommentierte auf Facebook: „Ein Schelm, der glaubt, es sei ein Versehen gewesen.“ Die renommierte Journalistin warnt davor, den Vorfall zu verharmlosen, und bezeichnet Güvercin als „Hochstapler“. Zu ihrer Motivation schreibt sie weiter: „Jedesmal [sic], wenn ich ihn „ich als gläubiger Muslim“ habe sagen hören, zuckte ich zusammen. Ein gläubiger Muslim, der die Öffentlichkeit so dermaßen in die Irre führt – das habe ich nicht mehr ertragen.“
Warum Plagiate den Ruf zerstören
Plagiate gelten im Journalismus und in der Wissenschaft als eine der schwerwiegendsten Verfehlungen. Sie untergraben nicht nur die Glaubwürdigkeit des Autors, sondern erschüttern auch das Vertrauen in die gesamte Branche. Wer fremde Texte ohne angemessene Kennzeichnung übernimmt, begeht nicht nur eine ethische Verfehlung, sondern verletzt oft auch das Urheberrecht.
In Deutschland gab es bereits zahlreiche prominente Fälle, in denen Plagiate Karrieren zerstörten, etwa die von Karl-Theodor zu Guttenberg. Der damalige Verteidigungsminister trat 2011 zurück, nachdem Plagiate in seiner Doktorarbeit nachgewiesen wurden. Auch die ehemalige Bildungsministerin Anette Schavan verlor ihren Doktortitel und trat 2013 zurück, nachdem ihr wissenschaftliches Fehlverhalten nachgewiesen wurde. Zuletzt traf es die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, als Plagiatsvorwürfe gegen ihre Dissertation bekannt wurden. Auch sie trat 2021 als Ministerin zurück.
Güvercins umstrittene Rolle als Experte
Eren Güvercin war in den vergangenen Jahren ein gefragter Gast in deutschen und österreichischen Medien. Er trat in Sendungen wie Markus Lanz auf, war regelmäßig beim Deutschlandfunk zu hören und galt als kritischer Analyst türkischer Politik und islamischer Verbände in Deutschland. Besonders seine Angriffe auf die DİTİB und andere Moscheeverbände brachten ihm Anerkennung, aber auch Kritik ein.
Seine Social-Media-Präsenz auf X zeigt eine polarisierende Strategie: Er stellt insbesondere türkisch- oder deutsch-türkischstämmige Persönlichkeiten öffentlich an den Pranger, indem er alte oder neue Postings herausgreift, die antisemitisch oder undemokratisch sein könnten. Während er in einigen Fällen reale Missstände aufgedeckt hat, werfen Kritiker ihm vor, in anderen Fällen gezielt zu diffamieren.
Von der eigenen Vergangenheit eingeholt?
Brisant ist, dass Güvercin selbst in seiner Vergangenheit Verbindungen zu Organisationen hatte, die er heute scharf kritisiert. Er war in den frühen Jahren seiner Karriere aktiv in der ATIB, einer islamischen Organisation aus dem Umfeld der rechtsextremen Grauen Wölfe, und reiste mit Vertretern der AKP-nahen UID in die Türkei. Ein altes Foto zeigt ihn mit der Inschrift „Osmanen Germania“ – einer Gruppierung, die später als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde.
Auch das Buch, das nun wegen Plagiatsvorwürfen aus dem Verkehr gezogen wurde, dreht sich um den Moscheeverband DİTİB – ein weiteres Beispiel dafür, wie er sich thematisch von seiner eigenen Vergangenheit distanziert hat. Eine spezielle und sehr wahrscheinlich lukrative Kritiker-Nische, in der Güvercin publizistisch umtriebig war.
Verbindungen zur Alhambra Gesellschaft
Güvercin ist Mitbegründer der Alhambra Gesellschaft e.V., einer Organisation, die sich als innerislamische Kritikerplattform versteht. Gemeinsam mit dem eloquenten Murat Kayman, einem ehemaligen DİTİB-Funktionär, und Engin Karahan, einem früheren Milli-Görüş-Mitglied, wurde der Verein schnell mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt. Kritiker stellen sich die Frage, ob die Organisation gezielt gefördert wurde, um aus einer bestimmten Innensicht heraus muslimische Institutionen zu kritisieren.
Besonders pikant: Der durch das Plagiat betroffene Dr. Aydın Süer ist ebenfalls Mitglied der Alhambra Gesellschaft. Dass ein Mitglied der Organisation von einem anderen plagiiert wurde, wirft Fragen über die Glaubwürdigkeit und innere Struktur des Vereins auf. Auch Süer hüllt sich bisher in Schweigen.
Güvercin erleidet womöglich irreparablen Schaden
Der Fall Eren Güvercin zeigt einmal mehr, wie schwerwiegend Plagiate sind und welche Konsequenzen sie haben können. Die Enthüllung wirft nicht nur einen Schatten auf seine journalistische und publizistische Arbeit, sondern auch auf seine Glaubwürdigkeit als Experte. Ob und wie er sich von diesem Skandal erholen kann, bleibt abzuwarten und hängt vor allem von seiner Stellungnahme dazu ab.