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Türkischer Arzt in Wien ausgezeichnet: Durchbruch für Herzpatienten

  • November 23, 2025
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Türkischer Arzt in Wien ausgezeichnet: Durchbruch für Herzpatienten

Die Medizinische Universität Wien hat den Kardiologen Dr. Çağlayan Demirel zum „Researcher of the Month“ ernannt. Der österreichisch-türkische Mediziner erhält die Ehrung für eine Arbeit, die ein Problem sichtbar macht, das in der Herzmedizin lange unterschätzt wurde: Viele Patientinnen und Patienten, die eine neue Aortenklappe über einen Kathetereingriff erhalten, leiden nicht nur an einer Verengung der Klappe. Häufig liegt gleichzeitig auch eine Undichtigkeit vor – eine Kombination, die deutliche Folgen hat.

TAVI ist die Abkürzung für Transkatheter-Aortenklappen-Implantation. Dabei wird eine neue Aortenklappe minimalinvasiv über einen Katheter, der durch eine Arterie (meist in der Leiste) eingeführt wird, in das Herz eingesetzt, um eine verengte oder undichte Herzklappe zu ersetzen. Dieses Verfahren ist eine schonende Alternative zur Operation am offenen Herzen, da der Brustkorb nicht geöffnet werden muss. Daher nennt man diese OPs geschlossene Eingriffe am Herzen.

Wenn zwei Herzfehler zusammenkommen

Demirels Studie basiert auf Daten des Wiener TAVI-Registers. Sie zeigt, dass das gleichzeitige Vorliegen einer Verengung und einer Undichtigkeit der Aortenklappe viel häufiger vorkommt als bisher angenommen. Für die Betroffenen bedeutet das: Selbst wenn die künstliche Klappe erfolgreich eingesetzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit für langfristiges Überleben geringer als bei Menschen, die nur eine reine Verengung haben. Hinzu kommt, dass sich rund um die neue Klappe öfter Undichtigkeiten entwickeln – ein zusätzliches Risiko, das man bisher nicht genau genug im Blick hatte.

Der Weg von Dr. Çağlayan Demirel führte ihn durch mehrere europäische Spitzenzentren. Seine medizinische Ausbildung begann er in Innsbruck, spezialisiert hat er sich in der Schweiz am Inselspital Bern, einem der bedeutendsten Herzzentren Europas. Dort arbeitete er in einem Team, das neue Verfahren in der interventionellen Kardiologie entscheidend mitgeprägt hat. Seit 2022 ist Demirel am AKH Wien tätig. Er behandelt dort komplexe Herzpatientinnen und -patienten, forscht parallel weiter und ist in der Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte aktiv.

Erdoğan verscheuchte Ärzte wie Demirel aus der Türkei

Wie Hunderte andere Ärztinnen und Ärzte teilt der ausgezeichnete Mediziner ein Schicksal. In seiner Heimat sah er keine Zukunft mehr. Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen gehört er zu den Medizinern der Türkei, die nach Abschluss des Studiums das Land verlassen haben. Zwar nicht, weil er es, wie andere, musste. Dennoch wollte er in der Türkei nicht mehr bleiben. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich unbeeindruckt, als die Kritik auf wegziehende Ärzte im Land größere Aufmerksamkeit erlangte.

Laut türkischen Medienberichten seien in den letzten Jahren allein 3000 Ärztinnen und Ärzte nach Deutschland gezogen und würden in deutschen Krankenhäusern arbeiten. „Wenn sie gehen wollen, sollen sie halt gehen“, zeigte sich Erdoğan trotzig. Die Herzpatienten hätten sich sicher gerne auf talentierte Ärzte wie Dr. Demirel verlassen.

Herzmedizin hat viele Gesichter – eines davon ist Dilek Gürsoy

Wer in Europa über herausragende Herzmedizin mit türkischen Wurzeln spricht, stößt unweigerlich auch auf Dr. Dilek Gürsoy. Sie ist die erste Frau in Europa, die einem Patienten ein vollständiges Kunstherz eingesetzt hat – ein Eingriff, der in der Medizin als Meilenstein gilt. Gürsoy hat sich in Deutschland als Pionierin der modernen Herzersatztherapie etabliert und erinnert daran, wie stark Menschen mit Migrationserbe die europäische Herzmedizin heute prägen. Ihr Weg ergänzt den von Demirel: Zwei unterschiedliche Bereiche, zwei unterschiedliche Karrieren, aber beide stehen für Mut, Innovation und medizinische Verantwortung.

Und ganz im Gegenteil zu Dr. Demirel hat es Dr. Gürsoy in die Türkei gezogen. Ob vorübergehend oder dauerhaft, ist unklar. Die Ärztin aus NRW schrieb via Social Media, dass sie sich von Selçuk Bayraktar, dem Schwiegersohn des Präsidenten Erdoğan, habe überzeugen lassen. „Ich mag solche Leute“, schrieb die berufliche Lebensretterin über ihre kürzliche Entscheidung. Mit ihrem Renommee und der internationalen Reichweite kann sie eine Strahlkraft für die türkische Medizin und Forschung entfalten. Und, wer weiß, womöglich kehren dann einige Auswanderer wieder in ihre Heimat zurück.

Warum die Studie Folgen für die Praxis hat

Wie dem auch sei: Die Erkenntnisse der Forschung von Dr. Demirel verändern den Blick auf eine große Gruppe von Herzpatienten. Wer neben einer Verengung auch eine Undichtigkeit der Aortenklappe hat, benötigt eine genauere Beurteilung, eine engmaschigere Betreuung und möglicherweise eine frühere Behandlung. Die Arbeit von Dr. Demirel zeigt, dass Präzision in der Diagnose nicht nur einen wissenschaftlichen Wert hat, sondern darüber entscheidet, wie gut Patientinnen und Patienten ihre Zukunft überstehen.

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