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Bildung & Forschung

JWF: „Türkei muss Recht auf Bildung einhalten“

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Zehntausende entlassene Lehrerinnen und Lehrer, Tausende geschlossene Bildungseinrichtungen und verzweifelte Schülerinnen und Schüler. Eine türkische Stiftung hat einen Bericht vorgestellt, dass der Türkei in Sachen Bildung ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Nun fordern die Macher der Studie die Regierung zu einer Rückkehr zu den wichtigsten Bildungsstandards auf.

Die „Journalists and Writers Foundation“ (JWF) hat einen umfangreichen Bericht über den „Angriff auf das Recht auf Bildung“ vorgestellt. Damit will die in New York ansässige Gülen-nahe Stiftung die türkische Regierung dazu aufrufen, ihrer internationalen Verpflichtung nachzukommen, die grundlegenden Rechte auf Menschenrechte und Bildung einzuhalten. Dabei geht es um die Zeit ab 2013. Der Fokus wird aber insbesondere auf die Phase nach dem vereitelten Putschversuch vom 15. Juni 2016 gelegt.

Für den Bericht wurden 28 Schüler:innen, darunter auch Militärschüler, befragt, die  Repressalien am Leibe erlebt haben sollen. „Die türkische Regierung missachtet offensichtlich ihre Verpflichtungen bei der Ausführung und dem Schutz der Grundrechte des Rechts auf Bildung im Rahmen des UN-Sozialpakts“, heißt es in dem Bericht. Auch die akademischen Freiheiten und andere grundlegenden Freiheitsrechte würden eingeschränkt. „Die Zukunft der Türkei wurde in eine Gefahrensituation gebracht.“

Tausende Bildungseinrichtungen geschlossen

In dem Bericht wird aufgezeigt, welche diskriminierenden Maßnahmen die Regierung rund um Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan im Bildungswesen ergriffen habe. Vornehmlich Lehrer:innen, Schüler:innen und Akademiker:innen, speziell aus dem Umfeld der auch als Hizmet bekannten Gülen-Bewegung hätten dabei einen Schaden davon getragen. So seien tausende Bildungseinrichtungen geschlossen worden.

Die Autoren des Berichts sprechen konkret von 1064 privater Bildungseinrichtungen, 16 stiftungsnaher Universitäten, 360 Studienzentren und 847 Internaten, die dauerhaft dichtmachen mussten. Diese hätten insgesamt ein geschätztes Vermögen von etwa 100 Milliarden US-Dollar. Abfindungen hätten diese Einrichtungen und Institutionen nie erhalten. Hintergrund ist in den meisten Fällen nicht nur der Putschversuch von 2016, sondern auch der Streit zwischen der türkischen Regierung und Hizmet, der 2013 offen zutage trat.

KHK-Lehrer in auswegloser Situation

Noch dramatischer wird die Situation vor Augen geführt, als der Bericht auf Lehrer:innen zu sprechen kommt. Im Rahmen eines Dekrets (KHK) wurden nach dem Putschversuch zehntausende Staatsbedienstete entlassen und teilweise auch inhaftiert. Per Dekret entlassene Menschen stehen in der Türkei vor größeren Schwierigkeiten. Sie bekommen in ihren Sozialversicherungsnummern einen entsprechenden Vermerk hinterlegt. Dabei handelt es sich um eine Kennziffer. Mit dieser Zahl können sämtliche Arbeitgeber, staatliche Behörden und Banken erkennen, ob jemand schon mal per Dekret entlassen wurde. Ohnehin ist ihre Rückkehr in den Staatsdienst per se ausgeschlossen. Ihnen wird nicht mal ein Ausweis ausgestellt. Staatliche sowie private Banken vergeben ihnen keine Kredite. Den per Dekret Entlassenen wurde vereinzelt sogar die Eröffnung einfacher Konten verweigert. Wegen der Kennung neben der Sozialversicherungsnummer will sie niemand einstellen. Selbst Verwandte und Freunde wenden sich ab. Somit leben die „KHKler“ ein äußerst isoliertes Leben am Rande der Gesellschaft.

Mehr als 34.000 Lehrer per Dekret entlassen

Die Stiftung spricht in ihrem Bericht von rund 34.274 Lehrer:innen, die im Rahmen dieses Dekrets entlassen würden. Die Lehrerlizenz von mehr als 21.000 Menschen sei entzogen worden. Sie werden oft mit dem in der Türkei mittlerweile inflationär verwendetem Vorwurf „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ konfrontiert, weil sie entweder in einer Hizmet-nahen Einrichtung gearbeitet haben oder eine Nähe zu dem muslimischen Gelehrten Fethullah Gülen aufwiesen. Mit den Auswirkungen dieser Maßnahmen kommen nicht alle zurecht. Schließlich werden ihre Existenzen bedroht. Die Stiftung nennt sogar 53 Lehrer:innen, die sich im Rahmen dieser Repressalien das Leben genommen haben sollen. Dabei beruft sich die Stiftung auf die Zahlen der Bildungsgewerkschaft „Eğitim Sen“.

JWF will Überarbeitung der Gesetze

Die JWF fordert die türkische Regierung auf, die „diskriminierenden Gesetze zu überarbeiten und aufzuheben sowie den internationalen und türkischen Gesetzen anzupassen“. Auch soll eine skurrile Notiz auf Zeugnissen von Schüler:innen entfernt werden. Diese besage, dass die Schule oder Bildungseinrichtung dieser Schüler:innen im Rahmen des Dekrets geschlossen worden ist. Das führe dazu, dass diese Personen bei jeglichen Bewerbungen sofort abgestempelt und abgelehnt werden, weil sie per se als Hizmet-nah angesehen werden. Die Stiftung fordert zudem, dass die geschlossenen Bildungseinrichtungen wieder ihren eigentlichen Eigentümern zurückgegeben werden.

Klicken Sie hier, um den JWF-Bericht zu lesen.

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