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Geschichte

100. Jahrestag der Türkei: Hundertjährige erinnern sich

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Der 102-jährige Aziz Gündoğdu im Hinterhof seines Hauses. Er ist älter als die Türkische Republik, die am 29. Oktober ihren hundertsten Geburtstag begeht. Foto: Ahmed Deeb/dpa
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Am 29. Oktober feiert die Türkische Republik ihr hundertjähriges Bestehen. Noch immer gibt es Zeitzeugen, die die wechselvolle Geschichte des Landes miterlebt haben. Sie berichten Erstaunliches.

Aziz Gündoğdu gärtnert im Hinterhof seines Hauses im Nordwesten der Türkei. Der 102-Jährige singt dabei ein patriotisches Lied über die im Ersten Weltkrieg an der sogenannten Gallipoli-Front (Çanakkale) verlorenen Soldaten. Der Bewohner des Dorfes Doğanca in der Provinz Kırklareli ist älter als die Türkische Republik selbst, die am 29. Oktober ihren hundertsten Geburtstag begeht.

Der 102-Jährige erinnert sich: „Damals herrschte extreme Armut. Gott sei Dank sind wir als Gesellschaft zusammengewachsen.“ Er sei „stolz“, das 100-jährige Jubiläum erreicht zu haben. Seine Urenkel lauschen seinen Geschichten oft mir großer Neugier, wenn er erzählt, wie sich die Gesellschaft hier in seinem Dorf, verarmt und erschöpft durch Jahre des Krieges, „mutig“ verändert habe.

„Das ganze Dorf weinte“

Der ehemalige Schäfer hat ein gutes Gedächtnis. Seine Gesundheit verdanke er harter Arbeit, Sport und einer strengen Diät, in der Ziegenmilch nicht fehlen darf. Seiner Tochter hilft er bis heute noch beim Holzhacken. Die Gemeinde sei froh, einen Bürger im Dorf zu haben, der so alt sei wie die Republik selbst, sagt Dorfvorsteher Erol Or.

Gündoğdu erinnert sich, wie sich die Gesellschaft wandelte, und nach und nach westlich inspirierte Veränderungen durchlebte, vom Bürgerlichen Gesetzbuch bis zu einer veränderten Kleiderordnung. Wenn er von Atatürk spricht, steigen Gündoğdu Tränen in die Augen. Der alte Mann erinnert sich, wie er im November 1938 vom Tod des türkischen Anführers erfuhr: „Das ganze Dorf weinte.“ Es gebe keinen zweiten, der sei wie Atatürk.

„Ich bin Atatürks Tochter“

Etwa 25 Kilometer nördlich von Gündoğdu lebt die 101-jährige Kıymet Akyüz mit ihrer Tochter im Dorf Yenice. Am Eingang von Yenice begrüßt eine große goldfarbene Atatürk-Statue die Besucher. Akyüz‘ Familie gehörte zu denen, die im Rahmen eines Bevölkerungsaustauschs, der 1923 zwischen Griechenland und der Türkei begann, aus Thessaloniki nach Yenice kamen.

100 Jahre Türkei: Erdoğan und das Erbe Atatürks

Vor dem mit dem Vertrag von Lausanne verfügten Austausch war das Dorf überwiegend griechisch besiedelt. Der Vertrag von Lausanne war es auch, der die heutigen Grenzen der Türkei festlegte. Die Eltern hätten Akyüz wegen ihres Geburtstages liebevoll „unsere Tochter der Republik“ genannt, erklärt ihre Tochter, die sich nun um die Hundertjährige kümmert. „Ich bin Atatürks Tochter“, habe ihre Mutter, die sich heute nur schlecht artikulieren kann, früher immer stolz von sich gesagt.

Zurück in Doğanca erinnert Aziz Gündoğdu daran, was er und sein Land all die Jahre erlebt haben. Während ihn die Ziegenmilch am Leben halte, brauche es für das Land etwas anderes: „Die Republik und das Erbe Atatürks“ müssten gewürdigt werden. „Das ist es, was uns zusammenhält.“

dtj/dpa