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EURO2024

Teuer erkauftes Achtelfinalticket: Türkei schlägt Tschechien und trifft nun auf Österreich

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26.06.2024, Hamburg: Cenk Tosun von der Türkei feiert sein Tor zum 2:1. Foto: Marcus Brandt/dpa
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Die Türkei müht sich in Überzahl zu einem späten Sieg gegen Tschechien. Zwei frühere Bundesligaprofis bewahren ihre Mannschaft in Hamburg vor dem Aus, das den Rivalen ereilt. Nun geht es nach Leipzig, wo der Kapitän nicht mit an Bord sein wird. 

Hakan Çalhanoğlu tanzte an alter Wirkungsstätte mit seinen Teamkollegen nach dem erstmaligen Einzug in die K.o.-Phase einer EM seit 16 Jahren ausgelassen im Mittelkreis und genoss die Ovationen der Fans. Beim 2:1 (0:0) gegen Tschechien brachte der ehemalige HSV-Profi die Türken am Mittwoch im Hamburger Volksparkstadion mit seinem Führungstor in der 51. Minute in Führung, ehe Cenk Tosun (90.+4) spät zum Sieg traf. Damit sicherte der 33-Jährige seinem Team damit endgültig Platz zwei in der Gruppe F und den Einzug in die Runde der letzten 16. Auch ein Remis hätte für den zweiten Rang gereicht. „Das ist ein großes Glücksgefühl, das man kaum beschreiben kann. Ich freue mich natürlich über mein Tor“, sagte der Ex-Frankfurter und fügte ausgelassen hinzu: „Das ist erst der Anfang.“

Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Kapitän Tomas Soucek (66.) nutzte den mehr als 70 Minuten in Unterzahl spielenden Tschechen, bei denen Antonin Barak schon nach 20 Minuten die Gelb-Rote Karte sah, nichts mehr. Der Europameister von 1976 schied als Vierter und Letzter der Gruppe aus, weil Georgien gegen Portugal gewann und Dritter wurde. Es war die dritte Niederlage der Tschechen im dritten EM-Duell mit der Türkei.

Am Dienstag in Leipzig gegen Österreich

Für die Türken geht es im Achtelfinale am Dienstag (21 Uhr/live bei TRT1 und Magenta TV) in Leipzig gegen Österreich weiter. 2008 waren sie erst im Halbfinale an Deutschland gescheitert. „Wir werden uns gut vorbereiten und möchten natürlich gewinnen“, blickte Tosun auf die schwere Aufgabe gegen das Team von Ralf Rangnick voraus. Im März hatte es in einem Test in Wien eine empfindliche Niederlage gegeben.

Wie erwartet, brachte der türkische Trainer Vincenzo Montella den Jungstar Arda Güler von Beginn an. In den vergangenen Tagen war Kritik am Italiener geübt worden, nachdem er den 19-Jährigen beim 0:3 gegen Portugal zunächst auf der Bank gelassen hatte. Montella hatte das mit einer Verletzung begründet. Schon am Dienstag hatte der Coach angedeutet, dass der Offensivspieler von Real Madrid fit sei und spielen würde.

Schick nicht auf dem Platz – aber mit gelber Karte

Die Tschechen verzichteten hingegen auf ihren EM-Rekordschützen Patrik Schick. Die Wadenverletzung aus dem Spiel gegen Georgien (1:1) erwies sich als zu schwer. Der Stürmer vom deutschen Meister Bayer Leverkusen blieb das gesamte Spiel auf der Bank.

50.000 Zuschauer sorgten schon vor der Partie in der Abendsonne von Hamburg für Partystimmung. Vor allem die türkischen Fans waren wie schon in den vorherigen Spielen stimmgewaltig und in Überzahl. Sie mussten allerdings schon nach knapp zwei Minuten den ersten Schreck verkraften, als Lukas Provod den türkischen Torwart Mert Günok mit einem Schuss zu einer starken Reaktion zwang. In der Folgezeit mühte sich Tschechien um die Kontrolle des Spiels. Güler und der Ex-Hamburger Çalhanoğlu versuchten, das Spiel der Türkei anzutreiben. Zwar hatten die Türken ein Übergewicht, die gefährlicheren Aktionen besaßen aber die Tschechen. So setzte Robin Hranak (17.) einen Kopfball aus aussichtsreicher Position über das Tor. Drei Minuten später der Rückschlag für die Tschechen, als Barak Gelb-Rot sah.

Günok rettet und patzt

Die Türken erspielten sich ein noch größeres Übergewicht. Es fehlte ihnen aber an Kreativität, um die nun tief stehenden Tschechen ernsthaft in Gefahr zu bringen. Die hätten kurz vor der Pause durch David Jurasek nach einem Konter sogar in Führung gehen können. Erneut war Günok zur Stelle. Nach dem Wechsel wurden die Aktionen der Türken endlich zielgerichteter. Und sie hatten Erfolg dank Çalhanoğlus außergewöhnlicher Schusstechnik. Noch bitterer für die Tschechen: Ihr bis dahin starker Torwart Jindrich Stanek verletzte sich wenige Sekunden zuvor bei einer Parade an der rechten Schulter und musste nach dem Treffer des Inter-Stars durch Matej Kovar ersetzt werden (55.).

Die Tschechen gaben nicht auf und erzwangen durch Kapitän Soucek den Ausgleich, nachdem Keeper Günok unter Bedrängnis einen Ball wieder fallen gelassen hatte. Das Tor behielt auch nach VAR-Prüfung seine Gültigkeit. Auch in der Schlussphase gerieten die Türken einige Male in Verlegenheit, doch dann schlug Tosun kurz vor Schluss zu und sorgte für große Erleichterung und Euphorie.

Karten-Rekord bei einer EM Fans witzeln

Neben dem spannenden, aber selten hochklassigen und zum Ende und nach Abpfiff hektischem Spiel rückte im Laufe der 90 Minuten Schiedsrichter Istvan Kovacs aus Rumänien immer wieder in den Mittelpunkt, weil er sehr häufig auf seine Karten zurückgriff und damit einen Rekord brach. Sage und schreibe 18 Gelbe und zwei Rote Karten wurden es am Ende; noch nie sind in einem Spiel bei einer Fußball-Europameisterschaft so viele Karten verteilt worden. Social-Media-User witzelten in den Kommentarspalten. „Ich würde ja jetzt was sagen, aber dann bekomme ich vielleicht Gelb“, schrieb etwa ein offensichtlicher Türkei-Fan. „Es war ein knappes, ruppiges und körperliches Spiel“, erklärte Trainer Montella nach dem Erfolg seiner türkischen Nationalmannschaft. „Wir können es jetzt nicht ändern.“

Sein Team sammelte im Volksparkstadion gleich elf Gelbe Karten, die tschechische Mannschaft sieben. Darunter auch Leverkusens verletzter Stürmer Schick, der von der Bank aus gemeckert hatte. Bitter für die Tschechen war die Gelb-Rote Karte für Antonin Barak schon nach 20 Minuten. Bei einem Tumult Sekunden vor dem Ende sah zudem Tomas Chory glatt Rot. Für die Tschechen hat die Kartenflut keine unmittelbaren Auswirkungen mehr. Nach der Niederlage ist für sie als Vierter der Gruppe F das Turnier beendet. Für die Türken hingegen hat der Sieg bei allem Jubel über den ersten Einzug in die K.o.-Runde seit 2008 einen Beigeschmack.

26.06.2024, Hamburg: Ein gewohntes Bild am gestrigen Abend. Schiedsrichter Istvan Kovacs aus Rumänien zeigt eine Gelbe Karte. Foto: Jens Büttner/dpa

Çalhanoğlu und Akaydın werden gesperrt fehlen

Ausgerechnet Kapitän und 1:0-Torschütze Hakan Çalhanoğlu sah seine zweite Gelbe Karte im Turnier, ebenso Abwehrspieler Samet Akaydın, der Schütze des wohl kuriosesten Eigentors bei dieser EM. Beide sind damit für das Achtelfinale gegen Österreich gesperrt. Vor allem die Gelbe Karte von Çalhanoğlu an seiner alten Wirkungsstätte ärgerte Montella. Der 30 Jahre alte Mittelfeldspieler hatte sich beim Schiedsrichter nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich für Tschechien wegen eines angeblichen Foulspiels beschwert. Kovacs zeigte ihm Gelb. „Hakan ist als Kapitän gehalten, Erklärungen zu bekommen“, meinte Montella.

Der Italiener mochte ansonsten noch nicht Richtung Achtelfinale schauen und nur über den seiner Ansicht nach „historischen Sieg“ sprechen. „Wir wollen heute Abend genießen. Wir haben verdientermaßen gewonnen“, sagte er und kündigte dann aber doch schon mal an: „Wir wollen weiter Geschichte schreiben.“ Die Fans wird’s freuen.

dpa/dtj