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Menschenrechte

Gewalt, Überbelegung, Vernachlässigung – Bericht belegt dramatische Lage in türkischen Gefängnissen

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Symbolfoto: Ein Gefängnisinsasse sitzt in einer Justizvollzugsanstalt vor einem vergitterten Fenster. Foto: Daniel Naupold/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Ein aktueller Bericht der „Vereinigung für Menschenrechte“ (İHD) Istanbul offenbart massive Missstände in türkischen Gefängnissen. Mehr als 1.000 dokumentierte Fälle von Misshandlung, überfüllte Zellen und systematische Repression gegen politische Gefangene zeichnen ein erschreckendes Bild.

Die Gefängnisse in der Türkei bleiben offenbar weiterhin ein weitgehend rechtsfreier Raum. Dies geht aus dem jüngsten Bericht hervor, den die „Vereinigung für Menschenrechte“ (İHD) Istanbul in der letzten Februarwoche veröffentlicht hat. Dieser befasste sich mit der Lage in den Vollzugsanstalten der Marmara-Region. Wenig spricht jedoch für die Annahme, dass die Situation in anderen Teilen des Landes signifikant besser wäre.

Folter und Isolation: Psychischer und physischer Druck auf Gefangene

Der Bericht dokumentiert nicht weniger als 1.099 Fälle von Misshandlung der Gefangenen. Diese umfassen Schläge, psychische Folter und erniedrigende Praktiken wie zwangsweise Durchsuchungen in unbekleidetem Zustand. In einigen Fällen wurde Isolationshaft willkürlich und ohne rechtliche Grundlage als Form der Bestrafung angewendet.

Betroffene, die sich über diese Form der Behandlung beschweren wollten, wurden bedroht oder es wurde ihnen der rechtliche Beistand verweigert. Der Bericht der İHD stützt sich auf die Angaben Inhaftierter selbst oder deren Familien.

Ein anderer Missstand, den die Menschenrechtsorganisation beklagt, ist die Überbelegung. Diese ist nicht zuletzt auf die zunehmenden Fälle von Massenverhaftungen zurückzuführen, die in den vergangenen Jahren zum alltäglichen Phänomen geworden waren. Die Führung in Ankara greift zu diesen Praktiken vor allem gegen angebliche oder tatsächliche Angehörige politisch missliebiger Bestrebungen.

Überfüllte Zellen: Gefangene schlafen auf dem Boden

Weil es in den Haftanstalten an Betten mangelt, müssen Insassen auf engstem Raum zusammenleben und manchmal auf dem Boden schlafen. Die Regierung in Ankara hat für das Jahr 2025 Mittel bereitgestellt, um elf zusätzliche Gefängnisse zu bauen. Die Ursachen des Problems adressiert diese Praxis nicht, wie auch die İHD in ihrem Bericht betont.

Die Zahl der Gefangenen in türkischen Gefängnissen war vom Jahr 2000 bis in den November 2016 von 49.512 auf 197.297 angestiegen. Nach Angaben der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten lag die Auslastung der Haftanstalten im Jahr 2018 bei 110 Prozent. In diesem Jahr kündigte Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Bau von Mega-Gefängnissen für 20.000 Inhaftierte und mehr an.

Gefängnishochburg Türkei: Wo die meisten Menschen eingesperrt werden

Die allgemeine Kriminalität in der Türkei ließ keinen signifikanten Sprung erkennen, der eine Aufstockung in diesem Ausmaß rechtfertigen würde. Anscheinend stellt man sich in Ankara auf weitere Verhaftungswellen gegen politische Gegner ein. Vor allem angebliche oder tatsächliche Angehörige der Gülen-Bewegung und kurdische Gruppen sind regelmäßig Ziel willkürlicher Massenverhaftungen.

Mangelnde Hygiene führte zu Lebensmittelvergiftung bei 251 Gefangenen

Der Bericht der İHD dokumentiert unter anderem 769 Beschwerden über medizinische Vernachlässigung in den Gefängnissen der Marmara-Region. Dies war die häufigste Form der Verletzung der Rechte von Inhaftierten. Betroffene mussten auf Behandlungen lange warten, oder es wurde ihnen die Verlegung in ein Krankenhaus oder die Beschaffung lebenswichtiger Medikamente verweigert.

Selbst chronisch erkrankte Insassen wurden teilweise über längere Zeit nicht behandelt. In einigen Fällen blieben Gefangene während ärztlicher Untersuchungen oder sogar Operationen mit Handschellen gefesselt. In einem Fall erkrankten 251 Gefangene an einer Lebensmittelvergiftung, nachdem offenbar erforderliche Hygienebestimmungen nicht eingehalten wurden.

Selbst Kinder von null bis sechs Jahren, deren Mütter inhaftiert waren, mussten unter den gleichen Bedingungen wie die Insassen selbst leben. Häufig mangelte es auch hier am Zugang zu angemessener Ernährung, Gesundheitsversorgung oder Hygieneprodukten. Vor allem in Verdachtsfällen im Zusammenhang mit der Gülen-Bewegung ließ die Führung in Ankara häufig auf fadenscheiniger Grundlage ganze Familien inhaftieren.

Einschränkung der Grundrechte: Bücherverbot und Besuchsverweigerung

Zu den Missständen, die der Bericht nennt, gehören auch Einschränkungen bei der Kommunikation mit der Außenwelt. So wurde in 1.105 Fällen ein Bezug von Büchern und Zeitungen oder das Unterdrücken von Briefen angeprangert. In diesen Fällen ging es meist um Inhaftierte mit kurdischer Muttersprache.

Außerdem setzt die Führung in Ankara regelmäßig die Verweigerung von Familienbesuchen als Form der Bestrafung ein. Gefangene klagten zudem über lange Verfahrensdauer bei Prozessen oder willkürliche Ablehnung von Bewährungsanträgen.