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Alarmierende Zahlen: Antimuslimischer Rassismus in Deutschland wird häufiger und brutaler

  • Juni 22, 2025
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Alarmierende Zahlen: Antimuslimischer Rassismus in Deutschland wird häufiger und brutaler

Antimuslimischer Rassismus in Deutschland hat 2024 einen neuen Höchststand erreicht – in Häufigkeit wie in Brutalität. Besonders betroffen: Frauen und Kinder. Ein aktueller Bericht des Netzwerks CLAIM offenbart alarmierende Zahlen und belegt: Rassistische Gewalt ist längst kein Randphänomen mehr.

Im Jahr 2024 hat der antimuslimische Rassismus in Deutschland eine neue „Qualität“ erreicht. Dies geht aus dem Lagebild hervor, dass das Netzwerk CLAIM am Dienstag vorgestellt hat. Der Zusammenschluss, der mehr als 50 Organisationen umfasst, hat die Daten von 26 regionalen Meldestellen sowie Medien und Polizeidaten ausgewertet.

Vor allem Frauen von antimuslimischen Übergriffen betroffen

Die 3.080 dokumentierten rassistischen Übergriffen gegen Muslime stellen einen Zuwachs von rund 60 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor (1.926) dar. Erfasst wurden verbale Angriffe und Diskriminierung ebenso wie körperliche Übergriffe bis hin zu Angriffen auf Moscheen. Im Jahr 2022 waren erst 898 Vorfälle dokumentiert.

Dabei zeichneten sich einige besonders besorgniserregende Trends ab. Zum einen werden die Angriffe brutaler, zum anderen richten sie sich zu 71 Prozent gegen Frauen, was deutlich macht, dass sich antimuslimischer Rassismus gezielt gegen „Schwächere“ richtet. In besonderem Maße sind dem Bericht zufolge Frauen gefährdet, die als Musliminnen erkennbar sind. Vielfach richteten sich die Angriffe aber auch gegen Kinder – beispielsweise in öffentlichen Raum oder in Bildungseinrichtungen.

An Gewaltdelikten erfasste CLAIM 198 Körperverletzungen, darunter drei schwere Körperverletzungen oder versuchte Tötungen, und zwei vollendete Tötungsdelikte. Dazu kommen 122 Sachbeschädigungen, vier Brandstiftungen und 259 Delikte wie Raub oder Erpressung, die einen islamfeindlichen Kontext erkennen ließen.

Von Moschee bis Wartezimmer: Rassismus im Alltag

Fast ein Viertel der Vorfälle, zu denen ein Lebensbereich zugeordnet werden konnte, spielte sich im öffentlichen Raum ab – von Straßen und Plätzen bis hin zu Parks, Haltestellen oder Bahnhöfen. Mit 22,1 Prozent war der Bildungsbereich auf Platz 2. Vor allem Schulen werden zu gefährlichen Orten. Mit 10 Prozent rangiert die Arbeitswelt schon mit etwas Abstand dahinter. Die Anzahl der Vorfälle bleibt dennoch alarmierend.

Am häufigsten äußerte sich der antimuslimische Rassismus in Deutschland in Form verbaler Angriffe (1.558), Diskriminierungen folgen dahinter mit 659 Fällen und verletzendes Verhalten mit 585. Von den dokumentierten Fällen richteten sich 968 gegen Einzelpersonen, 261 gegen Gruppen und 72 gegen religiöse Einrichtungen – hauptsächlich Moscheen.

Tagesaktuelle Ereignisse werden von Rassisten häufig als Aufhänger benutzt. So kam es nach dem Anschlag von Magdeburg vom 20. Dezember 2024 zu einem sprunghaften Anstieg antimuslimischer Übergriffe – unter anderem gegen eine Intensivpflegerin. Dabei war der Attentäter selbst islamophob und hatte sich in entsprechender Weise auf X geäußert. Zudem zeigte er Anzeichen psychischer Krankheiten.

Antimuslimischer Rassismus bleibt häufig ungeahndet – mangels Vertrauen in die Polizei

Aber auch der Nachgang zum Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober 2023 führt weiterhin zum Anstieg sowohl antisemitischer als auch islamfeindlicher Übergriffe. In einigen Fällen haben Täter beide Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kombiniert – etwa, als Rentnerinnen in Dresden 13-jährige Mädchen als „Kopftuchjuden“ beschimpften.

Vieles deutet darauf hin, dass die Dunkelziffer an Vorfällen hoch bleibt. Dr. Cihan Sinanoğlu vom DeZIM-Institut verweist auf Daten des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa). Diesen zufolge sei das Vertrauen in staatliche Institutionen unter Muslimen besonders gering. Die Folge sei, dass viele rassistisch motivierte Übergriffe und Straftaten nicht angezeigt würden. Für Sinanoğlu beweisen die neuen Entwicklungen: „Rassismus ist kein Randphänomen. Er gefährdet das gesellschaftliche Zusammenleben. Die politische Reaktion darf nicht Schweigen oder Relativierung sein.“

Dialog statt Rückzug

Der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun, machte vor dem Hintergrund der Zahlen deutlich, dass Muslime auf den zunehmenden Rassismus nicht mit Rückzug reagieren dürften. Es sei jetzt umso wichtiger, auf die Mehrheitsgesellschaft zuzugehen und den Menschen ein repräsentatives Bild von sich selbst statt eines Zerrbilds zu vermitteln. Karakoyun mahnt: „Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass die Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderdriftet, denn das nützt nur den Rassisten. Stattdessen müssen wir auf den interreligiösen Dialog setzen und damit auch der Islamophobie begegnen. Das ist unsere Verantwortung für das Gemeinwesen.“

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