Politik
Bevorstehender russischer Einmarsch in die Ukraine: Türkei positioniert sich neu
Die Türkei sitzt im Ukraine-Konflikt zwischen zwei Stühlen. Einerseits pflegt sie sehr gute Kontakte zur Ukraine, andererseits besteht eine Abhängigkeit zu Russland. Doch nun scheint sich die Regierung in Ankara klar zu positionieren.
Die türkische Regierung hat die Anerkennung der abtrünnigen Regionen in der Ost-Ukraine durch Moskau verurteilt. In einer Pressemitteilung des türkischen Außenministeriums gestern Abend hieß es: „Die Entscheidung Russlands halten wir für inakzeptabel und lehnen sie ab.“ Es sei ein Verstoß gegen die politische Einheit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine.
Zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, der die beiden von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete Luhansk und Donezk, die beide völkerrechtlich zur Ukraine gehören, als unabhängige Staaten anerkennt. Der Kremlchef hatte zugleich zur „Friedenssicherung“ die Entsendung von Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine befohlen und dem Land sein Existenzrecht abgesprochen.
Angeblich arbeite Kiew zudem an Atomwaffen und stelle eine unmittelbare Gefahr für das angrenzende Russland dar. Wann die russischen Soldaten in die abtrünnigen Regionen vorrücken, blieb zunächst unklar. Die ersten militärischen Fahrzeuge sollen aber bereits gesichtet worden sein.
Benachbarte Türkei sitzt zwischen den Stühlen
Die türkische Regierung sieht sich in dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einem Dilemma ausgesetzt. Die Türkei gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Ukraine. Allein 2021 flossen türkische Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar in die ukrainische Wirtschaft. Das bilaterale Handelsvolumen lag bei rund 7,4 Milliarden US-Dollar.
Auf der anderen Seite ist die Türkei wirtschaftlich in einem nicht zu unterschätzenden Maße von Russland abhängig. Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Ankara und Moskau könnte beispielsweise bedeuten, dass Putin den Gashahn zudreht. Satte 40 Prozent des türkischen Gasbedarfs werden mit Importen aus der Russischen Föderation abgedeckt. Der türkische Russland-Experte Aydın Sezer geht davon aus, dass das Nato-Mitglied Türkei zu jenen Ländern gehört, die von einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine am meisten betroffen sein werden.
Wohl auch deswegen hatte die Regierung um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zuletzt versucht, in dem Ukraine-Konflikt als Vermittler aufzutreten und die beiden Staatschefs zu einem Treffen in der Türkei zu bewegen. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das Angebot annahm, war die Reaktion aus dem Kreml eher zurückhaltend. Daran wird sich angesichts der jüngsten Eskalation der Lage wohl so schnell nichts ändern.